Handbuch zur Mittelalter-Numismatik

Münzrecht

© Sebastian Kubon

Grundbegriffe

Am Anfang sind einige Grundbegriffe zu klären. Es muss zwischen Münzhoheit, Münzrecht und Münzregal unterschieden werden.
Die Münzhoheit ist das Recht der höchsten Gewalt (d.h. in der griechischen Poliswelt die der Städte, in Rom die der Kaiser, im Mittelalter die der Kaiser bzw. die der Könige) Verfügungen zu treffen, die der Organisation und Erhaltung des Münzwesens dienen. Sie manifestiert sich folgendermaßen: In der Wahl des Gegenstandes, der als Geld dienen soll, in der Festlegung des Münzfußes, im Recht das Gepräge festzulegen und in den Rechten, die sich aus dem Münzregal bilden. Der Münzherr ist der Inhaber der Münzhoheit.
Das Münzrecht ist ursprünglich der Inbegriff der Münzhoheit, welches nur dem Kaiser zustand. Durch vielfältige Verleihungen wurde das königlich-kaiserliche Münzrecht aber zersetzt.
Das Münzregal konnte sich nur da bilden, wo einzelne Landesteile neben der Zentralgewalt weitgehende Autonomie erlangten. Es beinhaltet das Recht der Bestimmung der Währung, dem Recht der Münzerzeugung und dem Anspruch auf den Münznutzen. Der finanzielle Nutzen war die Hauptsache des Regals, welches auch missbräuchlich verpfändet oder verpachtet werden konnte.

Münzverleihungen

Bei den Karolingern, die eine recht umfassende Münzhoheit erlangten, waren die Münzberechtigungen stets beschränkt. Nach Luschin von Ebengreuth waren in dieser Zeit für Münzverleihungen volkswirtschaftliche Erwägungen maßgeblich. Karl der Große verfügte, dass Münzen nur durch Münzer an seinem Hof geschlagen werden sollten. Durch diese Maßnahme waren weite Gegenden von der Münzversorgung abgeschnitten, da sie nicht auf der Reiseroute des Hofes lagen. Dies war natürlich ein Handelshemmnis und so wird angenommen, dass Karl der Große den wichtigen Handelszentren königliche Münzstätten zugestand.
Ludwig der Fromme (gestorben 840) überwies die Einkünfte einiger Münzstätten an die Kirche, um durch die Gewährung irdischer Vorteile sein Seelenheil zu sichern. Auch jetzt durften noch keine Münzen unter eigenem Gepräge geschlagen und der Münzfuß musste vom König übernommen werden.
Im Laufe des 10. Jahrhunderts unter den Ottonen änderte sich die Art der Privilegierungen, mit denen schließlich auch die Einheit des Münzwesens verloren ging. Maßgeblich für die neuen Privilegierungen wurden politische Absichten. Hauptsächlich wurden in dieser Zeit Bischöfe und Klöster beliehen, die eine wichtige Stütze der ottonischen Herrscher waren, und die dadurch Einkünfte erlangen sollten. Die Übereinstimmung mit den königlichen Münzen wurde nicht mehr grundsätzlich zur Bedingung gemacht. Die Ausbildung von Lokaltypen, die in Gepräge, Größe und Form des Schrötlings und später auch im Münzfuß unterschiedlich waren, war die Folge. Im Folgenden wurde dann das Münzrecht nach vollem Inhalt dem Münzherrn überlassen, der nun den Münzfuß völlig frei bestimmen und verändern, die eigene Münze verrufen und fremde Münzen vom Verkehr ausschließen konnte. Das Münzrecht war jetzt nur noch eine sehr ergiebige Einnahmequelle für den Beliehenen, der es nun auch veräußern konnte. Die Münzherren nahmen ein immer weitergehendes Münzrecht in Anspruch, das sie in eine auf ihr Gebiet beschränkte Münzhoheit umwandelten

Die finanzielle Ausnutzung und ihre Folgen

Es gab eine Reihe von Möglichkeiten, mit denen Gewinn aus der Verleihung des Münzregals gezogen werden konnte. Im Frankenreich konnten sich Privatleute ihr Edelmetall - nach Einhaltung der Münzvorschriften - von umherziehenden Münzmeistern vermünzen lassen, der aber Prägegebühren und Münzgewinn für den König einziehen musste. Auch konnte ein Schlagschatz durch die Münzverrufungen realisiert werden: Da eine Mark oder ein Pfund nicht in gleichmäßigen Münzen ausgeprägt wurde, geschah es, dass jedermann versuchte, die schwereren Münzen auszusortieren und einzuschmelzen. Dieses "Seigern" brachte einen billigen Gewinn. Münzverrufungen sollten Abhilfe schaffen, indem der Münzherr die geltende Münze einzog und eine neue Münze prägen ließ. Dies geschah teilweise mehrmals im Jahr. Das Wechselverhältnis war dann aber nicht 1:1, sondern der Münzbesitzer bekam weniger neue Münzen zurück als er alte abgeben hatte. Durch den Missbrauch dieses Mittels konnte der Münzherr einen (allerdings nicht allzu hohen) Gewinn erwirtschaften, damit aber gleichzeitig den Wertverfall der Münzen beschleunigen und Kapitalbildung verhindern.
Es konnte auch Gewinn gemacht werden, wenn eine Münze mit geringerem Metallwert zum früheren Nennwert ausgegeben wurde. Aus diesen Gründen wollten die Münzherren möglichst viel und oft prägen und auch ihre unterwertigen Münzen im Umlauf halten, was durch Zwangseinwechselvorschriften gesichert werden sollte. Erwähnt werden muss an dieser Stelle unbedingt das "Greshamsche Gesetz". Es besagt, dass schlechte Münzen gute Münzen verdrängen, da jeder versucht, das gute Geld zu behalten (zu horten) und das schlechte Geld loszuwerden. Die Wirkung dieses Gesetzes führte dann auch dazu, dass jede neue Münze immer leichter und schlechter geprägt wurde. Vielfach wurde versucht, der Münzverschlechterung und den Münzverrufungen zu begegnen, indem weiterhin mit Barrensilber oder Altmünzen gezahlt wurde. Das sollte durch strenge Verbote verhindert werden, deren Einhaltung zu überwachen aber lästig war. Zahlungen mit Barrensilber oder alten Münzen konnten oftmals gegen ein Entgelt getätigt werden.

Münzverträge und Münzvereinigungen

Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts sind entwickeltere ökonomische Verhältnisse zu erkennen, für die größere Umlaufgebiete einer Münze von Vorteil waren. Durch Verträge zwischen Münzherren konnte das Umlaufsgebiet der Münze erweitert werden. Die Verträge regelten viele mögliche Fälle, sei es, dass der Umlauf einer Münze im Gebiet des anderen erlaubt wurde, man sich auf einen gemeinsamen Münzfuß oder ein gemeinsames Gepräge einigte oder sogar die Münzen auf gemeinsame Rechnung geschlagen wurden. Münzverträge, die nicht nur eine beschränkte Dauer garantieren sollten, werden auch Münzvereine genannt, so z.B. der lübische Münzverein. Verträge und Vereinigungen solcher Art sind nicht nur aus Urkunden zu erschließen, sondern auch auf manchen Münzen ersichtlich, wenn z.B. die Namen oder Wappen mehrerer Münzherren abgebildet sind.

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