Rechtsquellen im kirchlichen Raum 3

Bußbücher

Bußbücher sind "Sündenkataloge", die die Vergehen mit den entsprechenden Bußtarifen aufführen. Die Bußen werden darin teilweise ausführlich diskutiert. Es finden sich in diesen Büchern auch Listen mit Bußäquivalenten, da Bußen der einen Art, z.B. Fasten, mit Bußen einer anderen Art, z.B. erhöhte Anzahl der Messbesuche, Geldleistungen, hohes Gebetspensum oder gar die Ableistung der Strafe durch einen Stellvertreter, ersetzt werden konnten. Bußbücher sind priesterliche Handbücher, die der kirchlichen Praxis entstammten und schon deswegen eine ergiebige Quelle darstellen. Neben der praktischen Bedeutung für Priester hatten Bußbücher auch eine Schutzfunktion für Bußwillige, damit diese nicht einem allzu willkürlichen Bußmaß ausgesetzt wurden. Die Bußtarife stellten aber nur Orientierungswerte dar. Das genaue Bußmaß musste der Priester selbst bestimmen.
Der Ursprung der Bußbücher ist in Irland - allein die irischen Bücher liegen bisher auch in modernen Editionen vor - zu finden. Das erste Buch "Vinnian" ist auf die Zeit um 591 zu datieren. Durch missionarische Einwirkung kamen sie kurze Zeit später nach England. Die angelsächsische Mission führte dann zu einer Verbreitung auf dem Kontinent. Ab dem 9. Jahrhundert entstanden bedeutende, eigenständige Bücher (Halitgar, Hrabanus Maurus), die auf kanonische Werke zurückgriffen. Die Zeit ihrer Verbreitung war kurz danach schon vorbei; überliefert sind sie allerdings noch für spätere Zeiten. Vielfach wurden sie in Kanonessammlungen aufgenommen.
In erster Linie ist die Auswertung der Bußbücher für die Untersuchung der geltenden Bußpraxis und die Recht- und Moralvorstellungen - es werden allerdings nur Verbote aufgeführt - von großer Bedeutung. Des Weiteren können Einblicke in das religiöse Leben genommen werden, ebenso wie die Untersuchung heidnischer Bräuche und abergläubischer Vorstellungen erlaubt wird. Zudem bietet diese Quellengruppe aufschlussreiche Informationen für Fragenstellungen vielerlei Art, da bei der Strafbemessung nach Stand, Geschlecht, Alter und Begleitumständen unterschieden wurde. In letzter Zeit wurden Bußbücher besonders in Hinblick auf das private Leben und Aussagen über Ehe und Sexualität ausgewertet.
Zentrale Probleme der Auswertung sind die Fragen des Verfassers, der Rechtsgeltung und der wirklichen Benutzung. Der Verfasser und die Herkunft waren oft unbekannt. Recht häufig sind Bußbücher aber fälschlicher Weise nach bekannten Personen benannt. Die Rechtsgeltung ist hingegen auch nicht immer klar, da Bußbücher private Erzeugnisse waren, die von der Kirche nicht allgemein anerkannt waren, sondern teilweise sogar - allerdings vergeblich - bekämpft wurden mit der Begründung, dass sie nicht nur untereinander voneinander abwichen, sondern auch nicht mit dem kanonischen Recht in Übereinstimmung standen. Die Frage nach der Benutzung in der Praxis ist schwer zu beantworten. Die breite Handschriftenüberlieferung lässt eine häufige Anwendung aber stark vermuten.

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