Rechtsquellen im kirchlichen Raum 4

Visitations-, Inquisition und Kanonisationsakten

Visitationsakten

Die Bischöfe hatten die Pflicht ihren Kirchsprengel regelmäßig, d.h. in der Regel jährlich, entweder persönlich zu überprüfen oder durch einen Abgesandten überprüfen zu lassen. Vom 8. bis zum 12. Jahrhundert berichten von den so genannten "Visitationen" die Konzilien und Kapitularien. Eigenständige Visitationsakten kamen im 13. Jahrhundert in England und Frankreich, im 15. Jahrhundert im römisch-deutschen Reich auf. Diese Protokolle der Visitationen sind in recht großer Anzahl erhalten. Konkret hatten sie oft die Form von bischöflichen Anweisungen und Mahnschreiben oder aber sehr häufig auch die Form von Fragekatalogen an Priester und Diözesan-Bewohner. Die Fragen konnten die übertragenen Güter betreffen, die Kirche, das Amt und das Leben der Priester sowie die Fehler, Sünden und Verbrechen kirchlicher und weltlicher Art seitens der Sprengelbewohner. In den Fragen selber zeigen sich dadurch die jeweils aktuellen Reformbestrebungen. Visitationsakten begegnen dem Forscher noch im Zuge der Reformation. In protestantischen Gebieten setzten die Landesherren Kommissionen ein, die in jedem Kirchspiel die Einführung der neuen Lehre überwachen sollten. Das bedeutet, dass die Säkularisation der Kloster ebenso wie die Pfarrer und Schulmeister daraufhin hin überprüft wurden, ob sie Luthers Lehre auch korrekt vermittelten. Das Gemeindeleben am Anfang des 16. Jahrhunderts erfährt in den Visitationsakten eine reiche Schilderung. Damit ist der Quellenwert der Visitationsakten angesprochen: Grundlegend ist ihr Wert z.B. für die Berechnung der räumlichen Ausdehnung der einzelnen Pfarrsprengel, aber auch deren Zustand und die lokalen liturgischen Bräuche können erfasst werden. Da auch Informationen zur Visitationsreise und zur Verpflegung etc. gegeben werden, sind Visitationsakten auch wertvoll für die Alltags-, Mentalitäts- und Brauchtumsgeschichte.

Inquisitionsakten

Inquisitionsakten sind Zeugnisse kirchlicher Rechtsprechung, in denen seit dem 14. Jahrhundert die Verhöre der der Ketzerei Verdächtiger protokollarisch festgehalten wurden. Sie geben Aufschluss über das herrschende Häresieverständnis und den Ablauf kirchlicher Prozesse. Zuweilen kommen solche Protokolle in einer besonderen Dichte vor, wenn z.B. die Bevölkerung ganzer Dörfer befragt wurde. Emmanuel LeRoy Ladurie hat so beispielhaft die Akten über die Bewohner des Dorfes Montaillou, die der katharischen Häresie verdächtig waren, untersucht. Hier zeigt sich besonders eindringlich, dass Inquisitionsakten oft erstklassige Quellen zur Alltags- und Mentalitätsgeschichte sind. So enthalten die Protokolle Informationen über Ehevorstellungen, Moral, Sexualität etc. der Menschen von Montaillou.

Kanonisationsakten

Erst seit dem Spätmittelalter wurde die Heiligsprechung einem förmlichen Verfahren unterworfen (vgl. Hagiographische Quellen). Einblicke in dieses Verfahren bieten die Kanonisationsakten.

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