Reiseberichte

Texte dieser Gruppe haben keinen einheitlichen Charakter aufgrund der unterschiedlichen zugrundeliegenden Motive bei ihrer Abfassung. In der Regel kann man grob zwischen Reiseführern, Pilger- und Missionsberichten, Kreuzzugsberichten, Gesandtschaftsberichten, Entdecker- und Abenteuerberichten, Berichten über Handelsreisen und fiktiven Berichten unterscheiden. Diese Berichte haben meist einen autobiographisch-chronikalischen Charakter. Erst im Spätmittelalter treten sie häufiger auf. (Auch Russland, Byzanz und der arabische Bereich kennen Berichte dieser Art, sie finden an dieser Stelle aber keine weitere Beachtung.) Zuweilen erscheinen solche Berichte als Monographien, häufig sind sie aber in umfangreichere Werke eingebettet, so wie auch ursprünglich der bekannte Reiseführer nach Santiago de Compostela. Da Pilgerreisen im Mittelalter von großer Bedeutung waren, waren Reiseführer von großem Nutzen, die die Wege zum Pilgerort und die Heiligen, die man verehren sollte, anführten und einige praktische Ratschläge offerierten. Der eben schon erwähnte Führer nach Santiago de Compostela erläuterte z.B. die Wege dahin, die Länge der Reise in Tagen, die Namen der auf dem Weg liegenden Städte, Möglichkeiten der Einkehr in Hospitälern, die Wasserversorgung, die Ländernamen und die Charakteristika der Völker auf dem Weg. Er führte zudem die Heiligen an, die bzw. deren Reliquien, auf dem Weg verehrt werden sollten und gibt eine Stadtbeschreibung und eine Beschreibung der Kirche. Neben Pilgerführern nach Santiago de Compostela gab es auch welche nach Rom zu den Gräbern von Petrus und Paulus und in das Heilige Land, die u.a. beschrieben, wo man sich einschiffen konnte. Bei diesen Werken sind fließende Übergänge zwischen Reiseführern und Reiseberichten zu beobachten. Als Beispiele für Berichte von Bildungs- und Gesandtschaftsreisen sei die Reise Liudprands von Cremona nach Byzanz im Auftrag Ottos des Großen genannt. Marco Polos Bericht seiner Reise (1271-1295) ist hingegen ein Beispiel für Handelsberichte. Die im Mittelalter weit verbreiteten "Reisen" John Mandelvilles fallen unter die Kategorie der fiktiven Berichte. Im Mittelalter wurde das Werk allerdings oftmals als realer Bericht gelesen und auch in der neueren Forschung gab es noch teilweise Versuche, die Reiseberichte als authentisch zu beweisen. Im späteren Mittelalter wurden viele Berichte über Reisen zu den Mongolen geschrieben. Inhaltlich sind es entweder Gesandtschaftsberichte, oft aber eher Missionsberichte, da die Reisen meist von Mönchen mit missionarischen Auftrag unternommen wurden.
Reisetagebücher sind in der Regel sehr detailreich und deswegen als Quelle wertvoll. Sie liefern Informationen über einen besonderen Bereich des mittelalterlichen Alltags, der ein höhere Mobilität zeigt, als im allgemeinen angenommen wird. Berichte über Fernreisen geben dann nicht nur Aufschluss darüber, was man über fremde Länder wusste und was man als neu ansah, sondern zeigen auch mentalitätsgeschichtlich, wie eine Begegnung mit dem Fremden gesehen und beschrieben wurde. Wichtige ethno- und geographische Informationen sind im Allgemeinen zu erwarten. Vorsicht ist jedoch angebracht, da häufig wunderbare und wunderhafte Begebenheiten erzählt wurden und die Glaubwürdigkeit von Reiseberichten nicht immer leicht zu überprüfen ist.
Die genaue Definition eines Exemplums ist in der Forschung umstritten. Man kann aber sagen, dass es eher kurze Texte sind, die in pädagogischer Absicht der Leserschaft eine für die Erlangung des Seelenheils bedeutende Lektion erteilen möchten. Exempla traten seit dem 12. Jahrhundert gehäuft auf und sind ein Charakteristikum der hoch- und spätmittelalterlichen Literatur. Historische Exempla - Geschichte hatte in der mittelalterlichen Vorstellung immer einen exemplarischen Charakter und sollte u.a. ethischen Zwecken dienen - wurden meist mit bestimmten Absichten und Inhalten in einzelnen Bänden gesammelt. Die Anzahl dieser Sammlungen war aber dennoch eher gering. Auch im Fürstenspiegel "Policratus" von Johannes von Salisbury wurden historische Exempla eingebaut, um die Aussagen zu stützen. Eines der bedeutendsten Vorbilder der mittelalterlichen Exempla waren die in mehr als 400 Handschriften überlieferten "Memorabilia" (= Denkwürdigkeiten) des Valerius Maximus, die wohl das am weitesten verbreitete historiographische Werk des Mittelalters darstellten.

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