Historiographie 2

Rezeption und Wirkung

Anhand von Bibliothekskatalogen lassen sich Aussagen zur Rezeption von historiographischen Werken im Mittelalter treffen. Eine rege Produktion und Abschreibetätigkeit belegen eine relativ hohe Verbreitung. Insgesamt gab es ca. 20 Standardwerke im Mittelalter.

In über 200 Handschriften sind folgende Werke überliefert (diese Liste (nach Guenée) beansprucht keine Vollständigkeit):

  • Valerius Maximus' Memorabiliensammlung
  • die Chronik von Orosius
  • Justins römische Geschichte
  • die Judengeschichte des Flavius Josephus
  • die (sagenhafte) Geschichte der Briten von Geoffrey von Monmouth.

Ein paar weitere Werke sind in 100 bis 150 Exemplaren überliefert, während es noch eine erhebliche Anzahl von Handschriften gibt, von denen 20 bis 40 Exemplare erhalten sind. Der Großteil der uns erhaltenen Historiographie überlebte jedoch in nur einer oder zwei Handschriften.

Im allgemeinen findet sich eine größere Verbreitung der Vergangenheitserzählung im Gegensatz zur Zeitgeschichte, was eine grundsätzliche Wertschätzung der Vergangenheit bezeugt. Die zeitgeschichtlichen Werke waren zumeist regional begrenzt, während Vergangenheitsgeschichten immer wieder abgeschrieben wurden und eine überregionale Verbreitung erlangten. Diese Werke hatten für die mittelalterliche Gesellschaft eine größere Relevanz und ein größeres Ansehen. Für den heutigen Historiker ist hingegen die Zeitgeschichte von besonderer Bedeutung aufgrund ihrer zeitlichen Nähe zu den Ereignissen und der Vorstellungswelt des Autors.

Über das Publikum lässt sich auch die Funktion und die Bedeutung der Historiographie erschließen. Im Frühmittelalter war die Geschichtsschreibung ein Geschäft von Klerikern für Kleriker und daneben allenfalls dem König zugänglich. Adel und Volk nahmen erst im Zuge einer breiteren Alphabetisierung historische Werke wahr, d.h. etwa seit dem Spätmittelalter. Vorher speiste sich die Erinnerung des Volkes mehr aus Sagen, Mythen, Dichtung und Hagiographie, die den größten Einfluss auf das Geschichtsbild der Menschen gehabt haben dürften. Erst seit Friedrich Barbarossa sind Bibliotheken am Hof und beim Adel zu finden. Aber auch das klerikale Geschichtsbild war herrschaftsorientiert und heute erstaunt es, dass kriegerische Ereignisse und Machtausdehnung oft stark befürwortet wurden. Die zahlreichen unterschiedlichen ethischen und didaktischen Ziele und Zwecke, die oben erwähnt wurden, mussten nun nicht zwingend ein dankbares und interessiertes Publikum gefunden haben. Es fällt auf, dass manche leichte und oberflächliche Werke teilweise eine bedeutende Verbreitung erfuhren.

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