3. Die Synthese

Die Synthese sieht die Quelle als Ganzheit und ordnet sie in soziale Zusammenhänge – diachrone und synchrone Beziehungen – ein. In der Geschichtswissenschaft ist der Gebrauch „Interpretation“ für diese Phase gebräuchlich, doch wurde der Begriff "Synthese" von Theuerkauf als Analogie zu „Analyse“ eingeführt.

Eine klare Trennung von Analyse und Synthese ist nicht immer möglich, so dass es oft vorkommt, dass beide Schritte miteinander kombiniert werden.

Theuerkauf unterteilt die Synthese in zwei verschiedene Arbeitsschritte:

Synthese I: Diachrone Beziehungen

In dieser Phase wird untersucht, inwiefern die Quelle in Traditionen und Wirkungszusammenhänge einzufügen ist. Der Schwerpunkt liegt auf der Sprache der Quelle und ihre stilistisch-rhetorischen Mittel, die als tradiertes und weiterhin wirksames Zeichengefüge zu beachten sind insofern dies noch nicht im Rahmen der Analyse geschehen ist. Zu berücksichtigen sind hier:

  • die Stilarten
  • die Disposition
  • die rhetorischen Figuren
  • die Tropen (Vertauschung der eigentlichen Vorstellungen und Begriffe und der entsprechenden Ausdrücke mit anderen, uneigentlichen, bildhaften)
  • die Topoi (Gemeinplätze)
  • gedankliche Assoziationen, die nicht nur aus rhetorischer, sondern auch sozialer Sicht des Urhebers zu begreifen sind
  • das Metrum, Rhythmus, Klang
  • die Art der Quellengattung und –sorte

Synthese II: Synchrone Beziehungen

Die zentrale Fragestellung in diesem Arbeitsschritt ist nach Theuerkauf, wie die Quelle soziale Beziehungen auf- oder abbaute. Hier drunter fallen soziale Beziehungen (Strukturen) als Verweisungen (Kommunikation) oder Abgrenzung (Segregation) zwischen Menschen bzw. zwischen Menschen und Natur/Gott/Kosmos. Zu berücksichtigen sind hierbei:

  • die Entstehung, Herkunft und Wirkung der Quelle sowie ihr(e) Urheber und ihr(e) Empfänger und deren zeitliche, räumliche und soziale Einordnung. Bei der Ermittlung möglicher Rezipienten ist auch auf die Erreichbarkeit der Quelle zu achten (Zum Beispiel auf die Zahl der überlieferten oder vermutlich früher vorhandenen Exemplaren, die Aufbewahrung in Bibliotheken, handschriftliche Vervielfältigung etc.)
  • die angestrebte oder dargestellte Strukturierung einer Gesellschaft oder sozialer Gruppen in der Quelle. Dies äußert sich in dem Auf- und Abbau von Verweisungen und Abgrenzungen bzw. der Stabilisierung oder der Veränderung einer Gesellschaft oder gesellschaftlicher Gruppen.

Bei diesen Untersuchungen bedarf er vielfältiger Informationen aus Nachschlagewerken, Handbüchern, Zeitschriften- sowohl zur allgemeinen Geschichte als auch zur historischen Quellenkunde, den historischen Hilfswissenschaften und den einzelnen Fachgebieten der Geschichte - sowie der zur jeweiligen Thematik vorliegenden monographischen Literatur.

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