Familiennamen

Die Entwicklung des Familiennamens fand in den verschiedenen Regionen Europas unterschiedlich schnell statt. Wie eben schon angedeutet, herrschte nach dem Verfall des römischen Namenssystems in Europa die Einnamigkeit. Bevor sich feste Familiennamen bildeten, waren Vater-, Sippen- und Beinamen weit verbreitet. In germanischer Zeit wurden bei Benennungen die Zugehörigkeit des Sohnes zum Vater unterstrichen. Im Hildebrandlied heißt es: "Hiltibrant, Heribrantis suni" und "Hadubrant, Hiltibrantis sunu", was so viel bedeutete wie "Hildebrand, Heribrands Sohn" und "Hadubrand, Hildebrands Sohn". Als Sippenname wurde zumeist der Rufname eines Ahnherrn verwendet. Sie waren besonders bei regierenden Familien verbreitet. Beinamen dürfen nicht mit Familiennamen gleichgesetzt werden. Manche bezeichnen Herkunft und Abstammung oder die Wohnstätte. Auch können sie den Beruf oder die Verwandtschaft bezeichnen oder auch einfach Spitznamen (Übernamen) sein. Besonders bei Herrschern rekurrierte man bei Beinamen auf körperliche Eigenschaften oder Gebrechen. Karl der Kahle und Johanna die Wahnsinnige sind die besten Beispiele hierfür. Auch Ludwigs Beiname "der Fromme" ist eine Spottbezeichnung wie Theodor Schieffer festgestellt hat. (Beinamen dieser Art konnten später zu Familiennamen werden, z.B. Krause, Dick etc.) Wenn sich diese Bezeichnungen zur Bestimmung auf eine Person beziehen, handelt es sich um Zusatznamen. Aus ständigen individuellen Beinamen, Vaternamen und Sippennamen, die erblich wurden, sind schließlich die Familiennamen entstanden.

Feste Familiennamen gab es in den oberitalienischen Städten schon seit dem 8. und 9. Jahrhundert, während Südfrankreich im 10. Jahrhundert nachzog. Im römisch-deutschen Reich kommen Familiennamen ab dem 12. Jahrhundert auf - Gründe dafür dürften der verarmte Rufnamenbestand und ein gestiegenes Verwaltungsbedürfnis der Städte gewesen sein -, sie setzten sich aber erst ab dem 16. Jahrhundert flächendeckend durch. Namenswechsel blieben auch im 17. Jahrhundert noch häufig. Einzelnamen trugen in diesen Jahrhunderten schließlich nur noch untergeordnete Menschen. Der Rufname blieb dennoch wichtiger als der Familienname. Man redete sich mit dem Rufnamen an und auch Listen wurden nach Rufnamen und nicht nach Familiennamen sortiert. (Auch heute noch benutzen hohe kirchliche Würdenträger wie der Papst oder weltliche Fürsten nur den Rufnamen.) Im Gegensatz hierzu war es im 19. Jahrhundert im Mittelstand üblich, sich auch in der engsten Familie mit dem Familiennamen anzureden.

Der Familienname hatten ihren Ursprung also in den Beinamen, die sich im Ost- und Westfränkischen Reich im 10. Jahrhundert bildeten. Es kann allerdings immer noch vorkommen, dass in Urkunden kein Beiname angegeben wurde, sondern der Zeuge als Sohn einer anderen Person näher bestimmt wurde: "Chonradus filius Adelberonis de Feistriz" bedeutet, dass Konrad der Sohn des Adalbert von Feistriz ist. Der wirkliche Herr von Feistriz ist der Vater. Solche Angabe entsprangen dem persönlichen Gefühl des Kanzlisten. Man bezeichnete nun Personen aber häufiger mit der Angabe ihrer Heimat. Meist wurde dafür "von" oder lat. "de" genutzt, so dass es beispielsweise hieß: "Henricus de Erfordia" oder Heinrich von Erfurt. "Von" oder "de" zeigen aber nicht zwingend die adelige Herkunft der Person an. Auch bürgerliche Familien konnten ein "von" (bzw. "du", "de la" und "van") im Namen tragen. Ab 1350 fiel dieser Zusatz auch beim Adel weitgehend weg, ohne dass irgendjemand Zweifel an ihrem Adel gehabt hätte. In Italien führten weder die Medici noch die Visconti ein "di" im Namen. Auch in Venedig blieb der Name der Dogen ohne "di" und man war regelrecht stolz darauf, auf das "di" verzichten zu können und trotzdem ohne Probleme als zum Adel gehörend erkannt zu werden. Auch in Frankreich und Spanien war es im Mittelalter unüblich ein "de" zwischen Ruf- und Familiennamen zu stellen. Erst mit dem Beginn der Neuzeit wurde auf die Benutzung von "von" und "de" wieder Wert gelegt - besonders von Personen, die sich zum Adel gezählt wissen wollten. In der preußischen Armee unterschied man im Offizierkorps bürgerliche und adelige Abkunft, indem man in den Listen das bürgerliche "von" ausschrieb und das adelige "von" mit "v." abkürzte. Im übrigen führten Kleriker als Beinamen nicht den Klosternamen, sondern den zum dem Kloster gehörenden Heiligennamen.

Im 12. Jahrhundert wird die Bezeichnung nach Ländern, Gegenden oder Städten durch die Bezeichnung nach Burgen verdrängt. Z.B. Herzog Otto von Schwaben nannte sich nach seinem Hauptsitz Markgraf von Schweinfurt. Es ist anzunehmen, dass einige Burg- und Dienstmannen ebenso den Namen der Burg, auf der sie lebten, als Beinamen trugen. Diese Beinamen sind noch nicht fest. Bei dem Umzug z.B. eines Bürgers wurde der Ort in die Bürgerlisten einer Stadt als Beiname eingetragen, aus der der entsprechende Neubürger kam. Zog dieser erneut um, dann wurde der letzte Wohnort als Beiname gewählt. Alteingesessene Bürger einer Stadt wurden häufig nach dem Namen ihrer Häuser benannt (von, zu). Besonders bei Patriziern ist dieser Name relativ fest. Er wurde aber nur genutzt für die Familienmitglieder, die in diesem Stammhaus wohnten. Andere Zweige der Familie benannten sich nach ihrem Haus um. Häufig nahmen die Kinder auch den Geschlechtsnamen der Mutter als Beinamen zur Unterscheidung an. Dies geschah besonders dann, wenn die Mutter von vornehmer Herkunft war oder über eine bedeutende Mitgift verfügte und über diese Mitgift vielleicht sogar ein Haus in die Verbindung eingebracht hatte. Das bekannteste Beispiel für einen solchen Fall ist "Henne Gensfleisch", der uns geläufiger ist unter dem Familiennamen seiner Mutter "Gutenberg". Im großbäuerlichen Bereich sind die Hofnamen von entscheidender Bedeutung für den Familiennamen gewesen. Geht der Besitz an einem Hof an eine andere Person über, übernimmt diese auch den Hofnamen als Familiennamen. Im übrigen mussten verheiratete Frauen nicht zwingend den Namen ihres Mannes tragen, sondern konnten den Namen des Vaters oder, wenn sie verwitwet waren, auch den Namen ihres ersten Mannes behalten. Vielfach wird der Familienname auch mit einem "dictus", "geheten", "genannt" oder "dit" (u.U. zur Unterscheidung von mehreren Geschwistern) versehen, ein Anzeichen dafür, dass schon feste Familiennamen vorhanden waren. Auch wenn bei Familiennamen, die aus einer Berufsbezeichnung entstanden sind, ein Gegensatz zur beigefügten Berufsbezeichnung besteht, kann davon ausgegangen werden, dass ein vererbter Familienname vorliegt.

Zusammenfassend kann gesagt werde, dass es fünf Gruppen von Familiennamen gibt. Es ergibt sich folgendes Schema:

  1. Patronymika vom Typ Alberti (Genitivendung), Alberts(sohn)
  2. Herkunftsnamen: von Munzingen, (der) Nürneberger
  3. Kennzeichnung nach Beruf oder Stand: Müller, Hofmann, Schultheiß
  4. Bezeichnung durch Übernamen (Spitznamen): Crassus, Dick, Krause
  5. Satznamen, Redensart- oder Echonamen: Jasomirgott, Lachnit, Ohnesorge.

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