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Mittelalter:
Germanische Genealogie findet schon bei Cäsar und Tacitus (Germania) Aufmerksamkeit. Aber auch die nordischen Epen und Lieder bieten sehr nützliches Forschungsmaterial, da in ihnen Herrscherlisten germanischer Stämme bis in die mythische Vorzeit in Merkversen überliefert wurden. Auf gesicherter historischer Grundlage befindet sich erst die Gotengeschichte des Jordanes (550). Im Folgenden fanden sich genealogische Betrachtungen hauptsächlich als Teil anderer literarischer Formen, z.B. in Annalen, Chroniken, Gesten und Viten, die zunächst einzelnen Volkstämmen/Gentes (Goten, Burgundern, Angelsachsen, Langobarden) gewidmet waren, dann einzelnen Herrscherhäusern (Merowingern und Karolingern), danach einzelnen Herrschern und schließlich auch Herzögen, Grafen und anderen Großen. Ein vornehmliches Ziel der Genealogie im Mittelalter war, den Herrschaftsanspruch mit genealogischen Mitteln zu legitimieren und/oder zu festigen. Mit Fälschungen ist demnach zu rechnen. Im Frühmittelalter waren genealogische Betrachtungen wichtig, da man sie auch brauchte, um das Wergeld und andere Bußzahlungen zu berechnen, die je nach Abstammung verschieden ausfielen. Nicht nur im Rom, sondern auch im Mittelalter lassen sich geschlossene Heiratskreise finden. Die Dynastien, der Adel und das Bürgertum blieben jeweils unter sich. Für die Überprüfung der Ebenbürtigkeit wurde die Ahnenprobe gefordert. Erst musste nur die entsprechende Geburt und danach auch die "ehrliche" Geburt der Großeltern nachgewiesen werden. In manchen Fällen musste man sogar nachweisen, dass die 64 Ahnen gleichgestellt waren. Die Zulassung zu Stiften, Klöstern oder Ritterorden blieb mit dem Adelsnachweis verbunden. Der Proband musste, wenn möglich, Beweise mitbringen (Wappen, Testamente etc.) und 4 ebenbürtige Zeugen, die den Wahrheitsgehalt beschworen. Dieser Vorgang wurde in den "Aufschwörungsbüchern" der Stifte, Orden und Klöster festgehalten, die heute eine der herausragendsten Quellen darstellen. Im späteren Mittelalter war auch in Teilen des Bürgertums, im Handwerk, der Ahnennachweis üblich. Wer nicht "ehrlicher" Herkunft war, wurde nicht als Lehrling zugelassen und durfte das Handwerk nicht ausüben. Die "Ehrlichkeit" musste mit Geburtsbriefen nachgewiesen werden. So kam es auch hier zu einer ständischen Abschließung. Bei der Wahl zum römisch-deutschen König wurde die Genealogie genutzt, um die Herrschaft zu legitimieren. Das Wahlprinzip stand nur bedingt im Vordergrund. Wichtig war die (meist matrilineare) Abstammung, da alle Könige und Gegenkönige ihre Abstammung von Karl dem Großen herleiteten. Auch für Eheschließungen spielten Verwandtschaft und genealogische Untersuchungen eine entscheidende Rolle. Die kanonischen Gesetze verboten Ehen bis in den 7. Grad, was aber in vielen nicht allzu stark besiedelten Gebieten (Bergtälern u.ä.) nicht durchgesetzt werden konnte. Viele Dispense wurden erteilt, so dass im Endeffekt der 3. und 4. Verwandtschaftsgrad die Grenze war, die nicht unterschritten werden konnte. Auch die Verbindung von Pate und Patenkind war nicht erlaubt aufgrund der "cognatio spiritualis", der Geistesverwandtschaft.