Erscheinungsform und Aufbau einer Urkunde

Erscheinungsform

Trotz der scheinbar eindeutigen Definition einer Urkunde, die bereits genannt worden war, gibt es ein breites Spektrum von verschiedenen äußeren Formen, die eine Urkunde haben kann. In engem Zusammenhang zu der angedeuteten Entstehungsgeschichte des Urkundenwesens steht die Unterscheidung zwischen Beweisurkunde und dispositiver Urkunde. Die Beweisurkunde als die ältere Form war nur ein zusätzlicher Beweis für einen vorausgegangenen Rechtsakt, wobei die Beweiskraft ursprünglich in der ausstellenden Handschrift lag, die dann durch ein Siegel (vgl. Sphragistik) oder andere Beweismittel beglaubigt wurde. Dagegen trat die dispositive Urkunde, die sich im Laufe der Zeit mehr und mehr durchsetzte, an die Stelle eines vorhergehenden mündlichen Rechtsakts. Sie symbolisierte damit einen Akt der Rechtssetzung, der durch den Vollzug der Unterschriften von Aussteller, Zeugen und Schreiber abgeschlossen wurde.

Eine Urkunde hatte naturgemäß größeres Gewicht, je größer der Einfluß des Ausstellers war. So werden Urkunden auch nach ihren Ausstellern unterschieden, und man spricht etwa von Papsturkunden, Königs- und Kaiserurkunden sowie Privaturkunden. Dabei konnte z.B. ein König eine Urkunde unter jeweils verschiedenen Umständen erteilen. Im Falle einer feierlichen Privilegierung spricht man von einem Diplom, das dann meist das große Majestätssiegel und ein "Rücksiegel" trug, während die vielen kleinen Verfügungen der alltäglichen Geschäfte in der weniger feierlichen Form des Mandats ergingen, meist nur mit kurzer Zeugenliste und mit kleinem Siegel. Häufig wurden derartige Diplome und Mandate auf Anforderung des Empfängers ausgestellt, so daß die geschilderten Vorgänge teilweise ein einseitiges Bild bieten können.

Aufbau

Neben der äußeren Form der Urkunde war aber auch ihr Aufbau im Laufe der Zeit mehr und mehr formalisiert worden. Dabei spielten Vorbilder aus dem Gerichtswesen und aus der literarischen Rhetorik eine wichtige Rolle. Wie man auch heute eine Arbeit sinnvoll aus Einleitung, Hauptteil und Schluss aufbauen sollte, enthalten die Urkunden nach einem Eingangsprotokoll den sogenannten Kontext mit den wesentlichen Entscheidungen und das Eschatokoll. Diese drei Teile lassen sich weiter in Abschnitte untergliedern, die je nach der Bedeutung der Urkunde darin mehr oder weniger vollständig enthalten sein können.

Das Eingangsprotokoll gliedert sich in Invocatio, Intitulatio und Inscriptio, d.h. in Anrufung göttlichen Beistands und die Nennung von Aussteller und Empfänger. Anstelle der Invocatio, die meistens die Trinität nennt, kann auch das Chrismon treten, mit einem großen "C" für Christus. Im Kontext folgen nach einer allgemein gehaltenen Begründung, der Arenga, die Promulgatio, als Willenserklärung des Ausstellers, die Narratio, die über die Vorgänge berichtet, die zur Ausstellung der Urkunde geführt haben, und die Dispositio als die eigentliche rechtliche Verfügung. Angeschlossen sind weiter eine Bekräftigung dieser Verfügung durch eine Strafandrohung, die so genannte Sanctio, sowie die Liste der Beweismittel und der Zeugen, die Corroboratio. Das Eschatokoll enthält daran anschließend die Unterschrift bzw. den Vollzug des Monogramms durch den Herrscher usw., Zeit und Ort der Ausstellung sowie (bei Päpsten) den Segenswunsch (bene valete).

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