Die Definition von Quellen

Der erste Zugang zum historischen Geschehen erfolgt oft über die Darstellungen. Deren Wert für ein möglichst "objektives" Bild von den historischen Entwicklungen (sofern sie nicht selbst wieder als Quelle dienen sollen) hängt jedoch entscheidend von der Intensität der Verwertung der älteren Überlieferung ab, der Quellen.

Quellen wurden in der älteren deutschen Geschichtswissenschaft teilweise enger gefasst, als dies heute geschieht. Johann Gustav Droysen (1808-1884), der mit seiner "Historik" grundlegende Beiträge zur Theorie der Geschichte leistete, verstand darunter die "mündliche oder schriftliche Überlieferung zum Zweck, historische Kenntnis zu schaffen" (n. Brandt 48). Es ging ihm vor allem um das Bewusstsein der Urheber; danach war eine Quelle nur das, "was die Rückschau früherer Zeiten in ihre Vergangenheit, die aufgezeichnete Vorstellung oder Erinnerung über dieselbe bietet" (n. Fischer Lex. Gesch. 273), also z.B. historische Lieder, Sagen, Mythen, Briefe, Zeitungen, Tagebücher, Memoiren, Geschichtsschreibung. Davon unterschied er die Denkmäler als bewusste Zeugnisse über Vorgänge der jeweiligen Gegenwart (Urkunden, Inschriften, Monumente, Münzen, Wappen) und die Überreste als alles von den Menschen absichtslos Hinterlassene.

Eine andere Unterscheidung bei Ernst Bernheim (1850-1942): Er trennt Überreste und Tradition und bestimmt Überreste als "alles, was unmittelbar von den Begebenheiten übriggeblieben und vorhanden ist", so Sprachen, Zustände, Institutionen, Akten, Urkunden, Inschriften, Monumente. Tradition ist im Gegensatz dazu "alles, was von den Begebenheiten überliefert ist, hindurchgegangen und wiedergegeben durch menschliche Auffassung" (n. Fischer LG 273/74), so historische Gemälde, Sagen, Anekdoten, Geschichtsschreibung. Die Späteren haben dies als Trennung zwischen "willkürlicher" und "unwillkürlicher" (Mikoletzky) oder "absichtlicher" und "unabsichtlicher" Überlieferung (v.Brandt) gefaßt. Damit kann aber ein- und dieselbe Quelle unter beiden Aspekten berücksichtigt werden (so auch Darstellungen moderner Autoren wie z.B. Rankes Reformationsgeschichte); und auch dieser Begriff ist noch relativ eng: So definiert Bernheim Quellen als "Resultate menschlicher Betätigungen, welche zur Erkenntnis und zum Nachweis geschichtlicher Tatsachen entweder ursprünglich bestimmt oder doch vermöge ihrer Existenz, Entstehung und sonstiger Verhältnisse vorzugweise geeignet sind" (n. Brandt 48). Die z.B. für die Sozialgeschichte des früheren Mittelalters so wichtige Analyse von Gräberfeldern und der in ihnen gefundenen menschlichen Skelette wird mit diesem Quellen-Begriff nicht gewonnen.

Einen viel einfacheren Zugang erlaubt die Definition von P.Kirn: Quellen sind "alle Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann" (n.Brandt 48). Mit dieser weiten Bestimmung werden auch moderne Methoden zur Bestimmung historischer Ereignisse erfaßt (z.B. die C14-Methode oder die Dendrochronologie als Datierungsmittel, die nach Bernheim nicht als Quellen gelten könnten).

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