Ergänzendes

Die Übertragung spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Texte wird oft durch die Neigung der Schreiber zu mehr oder weniger starken Abkürzungen erschwert. Hierfür sollen einige Beispiele genannt werden. Des Weiteren sind die mittelalterlichen Interpunktionsformen, die Zahlzeichen und die Geheimschriften kurz erwähnt.

Abkürzungen

Die Tironischen Noten waren ein System aus ursprünglich ca. 5000 verschiedenen Noten, welches im alten Rom erfunden wurde. In den Comentarii Notarum Tironianarum, einem Lexikon, sind später sogar 13 000 Zeichen mit ihrer Bedeutung verzeichnet. Tironische Noten wurden auch im Mittelalter in irischen Handschriften, merowingischen und karolingischen Urkunden (hier nur noch sehr selten) und sogar – allerdings in wenigen Fällen nur – in Privaturkunden bis in das 10. Jahrhundert genutzt. Es haben sich danach allerdings nur noch Teile dieser fast unüberschaubaren Kurzschrift erhalten ( > für et). Teile der tironischen Noten werden sogar heute noch genutzt (z.B %).
Im Gegensatz zu den Tironischen Noten, die im Mittelalter zwar noch genutzt wurden, deren Gebrauch aber stets abnahm, haben sich die Schriftkürzungen im Laufe der Zeit stark vermehrt. Dazu gehört die Kontraktive Kürzung. Diese spätantike Abkürzungstradition wird im Spätmittelalter stark verwendet. Bei der Kontraktiven Kürzung wird das Wort auf die wesentlichen Buchstaben – zumeist sind es Konsonanten – von Anfang, Mitte und Ende reduziert. Diese Kontraktionen werden in der Regel für Begriffe der christlichen Gottesvorstellung (nomina sacra) genutzt. Über den Buchstabenfolgen erscheint ein Kürzungsstrich.
deus = DS
Iesus = IHS (= jota-eta-sigma)
Christus = XPS (= chi-rho-sigma)
Spiritus = SPS

Im Mittelalter konnten diese Buchstabenfolgen auch in Minuskeln geschrieben und durch die Veränderung des letzten Buchstabens dekliniert werden:
XPI = xpi = Christi

Weitere häufig gebräuchliche Buchstabenfolgen sind:
DMS und DNS für dominus = Christus. (Diese Kürzung, dns, geriet dann auch für die profane Bedeutung in Gebrauch, für dominus oder domnus.)
eps = episcopus
pbr = presbiter
eccla = ecclesia

Die syllabare Suspension, die auch schon die Römer gekannt haben, setzt nur die Anfangsbuchstaben der einzelnen Silben:
FCR = fecerunt
PR = parentes
kl = kalendae

Die Suspension, d.h. die Abbrechung des Wortendes oder Weglassung einzelner Buchstaben, die in vielfältigster Weise benutzt wird, nimmt im 14. und 15. in fast unüberschaubarer Weise zu. Ebenso gibt es Kürzungszeichen in Hülle und Fülle, deren Gebrauch sich im Spätmittelalter häufte. Beispielhaft seien hier nur folgende Kürzungen genannt:
· q mit nach oben gehenden Schrägstrich durch die Unterlänge = quod
· q mit Überstrich = que
· p mit Querstrich durch die Unterlänge = per
· p mit Überstrich = prae
· p mit nach oben gehenden Querstrich durch die Unterlänge = pro.
Auch hochgestellte Buchstabenkombinationen zeigten eine Vielzahl von Kürzungen an. Für die Auflösung von Kürzungen ist der Capelli heranzuziehen.

Die Anwendung von Kürzungen kommt auf die Bestimmung des Schriftstückes an. Stark wird in den Handschriften der Schulen gekürzt, während in Prachthandschriften kaum Kürzungen zu finden sind. Auf dem Kontinent ist der Gebrauch von Kürzungen durch die irischen und angelsächsischen Schreiber gekommen. Die Kürzungen setzten sich aber erst im 12. Jahrhundert durch und erfreuten sich beim Lehrbetrieb in den Universitäten ab ca. 1200 starker Nutzung. Wie schon erwähnt, nahmen die Kürzungen in extremer Weise zu. Gab es bisher einen erlernbaren Kanon, nahmen sich die Schreiber nun die Freiheit, die Kürzungen nach eigenem Bedarf neu zu bilden. (Vgl. Bischoff_1986: 192-213, Brandt_2003: 78f., Foerster_1963: 218-229, 231-235)

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