Die Capitalis
Zwei klassische Majuskeln sind die Capitalis Quadrata und die Capitalis Rustica. Diese antiken Buchschriften blieben bis zum 6. Jahrhundert im steten Gebrauch. In der Karolingerzeit wurden sie noch für Prachthandschriften verwendet. Darüber hinaus hat man sie in Buchtiteln, Kapitelüberschriften, Schlussschriften und Initialen gebraucht. Wie unschwer zu erkennen ist, lebt sie in den Großbuchstaben unserer lateinischen Druckschrift fort. Die klare, gleichmäßige Form, die strikte Linierung und der gleichmäßige Zeilenabstand sind charakteristisch für diese aus der Epigraphik stammenden Schrift. Die Capitalis Quadrata hat vertikale und fast quadratische Buchstaben, während die Capitalis Rustica schmalere Buchstaben mit einer ovalen Rundung und „Füßchen“ an z.B. A und M aufweist. (Vgl. Bischoff: 73-80, Goetz: 338, Foerster: 113-116.)
Die ältere und jüngere römische Kursive
Die beiden schwer entzifferbaren römischen Geschäftschriften, die ältere und jüngere römische Kursive, seien hier nur in dem Maße erwähnt, wie sie Einfluss auf die Schriftentwicklung hatten. Die ältere römische Kursive, eine Majuskel- oder Capitaliskursive, die vom 1. bis zum 3. nachchristlichen Jahrhundert genutzt wurde, nahm besonders Einfluss auf die Capitalis Rustica, was u.a. zur Entwicklung der Unziale führte. Des weiteren bezeichnet Bernhard Bischoff sie auch als „Mutterboden“ für die ältere und jüngere Halbunziale bis hin zur Minuskel. Durch die Unziale beeinflusst erscheint ab dem 3., 4.Jahrhundert die jüngere römische Kursive oder Minuskelkursive, die im südlichen Italien noch Jahrhunderte später verwendet wurde. Ihrerseits bildet sie die Grundlage für die Halbunziale. (Vgl. Bischoff_1986: 80-86, Brandt_2003: 74, Foerster_1963: 116-126.)
Die Unziale
Seit dem vierten Jahrhundert trat die Unziale als Buchschrift auf und etwa seit dem 5. Jahrhundert trat sie in Konkurrenz zur Capitalis und war bis ins 8. Jahrhundert im regen Gebrauch – auch für ganze Manuskriptabschriften. In der Karolingerzeit nutzte man die Unziale nur noch für Prachthandschriften, einzelne Textstellen, Über- oder Unterschriften. Diese Veränderungen dürften auf das Aufkommen des Pergaments zurückzuführen sein, da Rundungen hierauf leichter als auf Pergament zu schreiben waren. Ebenso schrieb man nun mit einer (Vogel-)Feder und nicht mehr mit einem Pflanzenrohr, was die Entwicklung der Unziale beförderte. Die größten Unterschiede zur Capitalis bestehen in der Rundung der dort gerade geschriebenen Buchstaben (A, D, E, h, M, Q).
Die Halbunziale
Große Ähnlichkeit mit der Unziale weist die Halbunziale auf. Vorwiegend wurde sie vom fünften bis zum 8./9. Jahrhundert genutzt. Diese Buchschrift hat kursive Einflüsse, nutzt das Vierlinienschema mit Überlängen (b, d, h, l, t) und Unterlängen (f, g, p, q) und markiert damit den Übergang von der Majuskel zur Minuskel. (Vgl. Foerster_1963: 132-135, Goetz_2006: 338.)