Fälschungen

Sobald eine Urkunde nach der Überprüfung ihrer Merkmale als Fälschung erkannt wurde, gilt es herauszufinden:

  1. wann die Fälschung erfolgte ( was für Umstände beeinflussten die Fälschung),

  2. was die Absicht der Fälschung war.

Die Antwort auf beide Fragen ermöglicht die Nutzung der Fälschung als Quelle, die in ihrem Wert nicht von einer echten Urkunde abweicht.

Es gibt zwei Arten der Fälschungen: Formale und inhaltliche. Eine formale Fälschung liegt dann vor, wenn sich die Urkunde als etwas anderes ausgibt als sie in der Tat ist. Dieser Kategorie gehören alle Fälschungen an. Zu den inhaltlichen Fälschungen zählen nur diejenigen, deren Inhalt vom Willen des angeblichen Ausstellers abweicht. Zudem gibt es Urkunden, die diplomatisch echt sind, aber die historische Wahrheit fälschen.

Besonders in der Zeit vom 10. bis zum 13. Jahrhundert findet sich eine Vielzahl von Fälschungen. Der Quellenwert und das Wesen der Fälschung lassen sich unter einigen Gesichtspunkten einordnen und somit genauer betrachten.

  1. Wahrheit, Lüge und Urheberrecht sind im Mittealter anders betrachtet worden als heute. "Wahrheit" war ein durchaus subjektiver Begriff und auch von religiösen und sozialen Standpunkten / Rangordnungen abhängig. Viele der Fälschungen des Mittelalters finden sich unter den kirchlichen Urkunden. Dies lässt sich dadurch erklären, dass unter den damaligen Gesichtspunkten eine Fälschung zu Gunsten der Kirche die Unvollkommenheit der Gesellschaft abändern sollte. Eine mit dieser guten Absicht versehene Fälschung, wurde nicht als rechtwidrig betrachtet.

  2. Die Durchsetzung von Macht erfolgte im Mittelalter oftmals durch das Schwert. Der Gewalt war im mittelalterlichen Gesellschaftsverständnis eine wesentlich größere Rolle eingeräumt als in unserm heutigen. Da sich der geistlichen Seite nicht die gleichen Möglichkeiten boten wie der weltlichen, nämlich ihre Ansprüche mit dem Schwert durchzusetzen, besannen sich die Geistlichen auf ihre Waffe - die Feder. Diese nutzten sie, um ihre Ansprüche durchzusetzen.

  3. Das Verwaltungs- und das Rechtssystem haben im Mittelalter ebenfalls zu einer umtriebigen Fälschertätigkeit geführt. In diesem Zusammenhang entstanden Fälschungen, die den tatsächlichen Stand der Entwicklungen in den rechtlichen und verwaltungstechnischen Verhältnissen wiedergeben sollten. Soll heißen, der Fälscher veränderte eine bereits bestehende Urkunde so, dass sie den tatsächlichen Verhältnissen entsprach und dadurch diese bestätigte. Auch diese Fälschung wurde durchaus mit der Überzeugung durchgeführt, dass der ursprüngliche Aussteller der Urkunde die tatsächlichen Zustände billigen würde. In diesem Fall betrachtete sich der mittelalterliche Fälscher auch weniger als ein solcher, denn als ein "Berichtiger".

  4. Aber auch im Mittelalter spielte die Fälschung aus Machtlust und Ehrgeiz eine Rolle. Zudem das Fälschen durch die Möglichkeit "moralischer Rechtfertigung" (so aus geistlicher Sicht für das Seelenheil anderer, u.ä. Begründungen) und die noch nicht so ausgeprägten Rechtszustände, die die Wahrscheinlichkeit herabsetzten, dass man zur Rechenschafft gezogen wurde, dem Fälscher wesentlich attraktiver erscheinen musste als heute.

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