Druck: Rolf Sprandel, Bearb., Quellen zur Hanse-Geschichte (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 36), Darmstadt 1982, S. 15.

Aus dem Stadtrecht von Lübeck 1260-1276.

(gedruckt Korlén, Stadtrecht, S. 83-153, Auszüge.)

Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit grüßen der Vogt, die Ratsmänner und die Gemeinde der Stadt Lübeck alle, die dieses Schriftstück lesen werden. Wie die Edikte der Kaiserlichen Hoheit von allen weltlichen Personen unverletzlich beobachtet werden müssen, so haben auch die Mitbürger das zu befolgen, was der Rat der Vornehmen der Stadt gemäß dem Eid für die Stadt anordnet. Sicherlich dienen die Städte ihren Gesetzen, jede für sich, und halten sie auf verschiedene Weise in Kraft. Es sei den Gegenwärtigen und Zukünftigen bekanntgemacht, daß wir zu Ehren von Jesu Christi und seiner Mutter Maria, voll frommen Erbarmens und wegen des hochschätzbaren Ansuchens des Herrn Wilhelm, des verehrungswürdigen Legaten des apostolischen Stuhles und einstmals Bischofs von Modena,1 das Recht unserer Stadt unseren geliebten Freunden und Bürgern ... verliehen haben, damit sich die Bürger rechtmäßig organisieren nach einer Verfassung, die gemäß unseren Gesetzen angelegt ist. Damit dieser Vorgang eine günstige Wirkung behält, bekräftigen wir das vorliegende Werk ihnen mit unserem Siegel. Gegeben im Jahre des Herrn 1240.
Wir übergeben Euch die Rechte unserer Stadt, damit Ihr sie unverletzlich haltet. Höheres Recht ist es, jene durch etwas Besseres zu vermehren. Doch die gegebenen Gesetze dürft Ihr niemals verringern. Dieses ist der Anfang des Rechts und der Gesetze. In ihnen wird gelehrt, wie man ehrenvoll lebt, den anderen nicht verletzt und jedem das Seine zuteilt.2
In nomine sancte et individue trinitatis advocatus, consules et commune civitatis Lubicensis omnibus hanc paginam inspecturis salutem. Sicut edicta imperialis dignitatis ab omnibus personis laicalibus firmiter ac inviolabiliter sunt observanda, ita recte persimile quitquid civitatis discretorum et ordinat consilium secundum iusiurandum civitatis debet a suis concivibus firmiter observari. Igitur quoniam civitates sua iura servant singule ac retinent diversimode ordinata presentibus et futuris innotescat, quod ad honorem Jhesu Christi eiusque pie matris misericordie Marie et ob reverendam peticionem domini Willehelmi, venerabilis apostolice sedis legati quondam Mutinensis episcopi1 dilectis amicis nostris burgensibus ... ius nostre civitatis contulimus quo videlicet iure burgenses nostri iuris sibi statuto regimine moderantur. Ut autem hoc factum favorabiliter teneatur presens volumen ipsis sigilli nostri munimine roboramus, Datum anno domini M CC XL.
Nostre vobis tradimus iura civitatis inuiolabiliter ut hec teneatis. Fas est ut illa per melius augeatis. Sed data decreta nunquam minui faciatis. Hec iuris et decreti sunt inicia. In quibus docetur, quis honeste vivere, alterum non ledere, ius suum cuique tribuere.2



  3. Van den ratmannen Dat si witlic dat nen man de en ammet van heren hevet schal wesen an deme rade der stat to Lubeke.
16. Van deme geleide So wanne de ratman geleidet iemene hir inde stat to komende unde dat gekundeget wert deme genen de eme schult wil geven breket he dat geleide he schal dar umme wedden tein mark suivers unde iewelikeme ratmanne tein schillinge unde deme de geleidet was sestech schillinge.
20. Van erve gode Stervet en man sunder erven sin gut schal men deme rade van der stat antworden to bewarende. Ne komet oc neman binnen deme iare unde dage de sic to deme gode te mit rechte, so boret des godes dat halve del der koningliker wolt unde der stat dat halve del.
31. Van der ratmanne kore So we dat tobreket3 dat de ratman settet, dat scholen de ratman richten unde so wat dar van komet des schal hebben de richtere den dridden del unde de stat de twe del. Dat licht aver an den ratmannen, wat se van deme broke nemen willen. Aver des sulven des de ratmanne to rade werdet dat men neme deme de dar hevet gebroken des schal nemen de richtere den dridden del unde de stat de twe del.
32. Den en ordel beschelt Is dat ienech man beschelt en ordel dat de ratman ut gevet ne mach he des nicht vullen komen he weddet deme richte ver schillinge unde iewelikeme ratmanne ver schillinge.
35. Van rove unde van dhuve Is dat ienech man den anderen tiet dhuve oder roves unde nicht under eme ne begripet de deme men is tiet de mach sic des untsecgen mit siner enen hant uppe den hilegen. Unde wil he so mach he eme weder schult geven dat he mit unrechte eme schult hebbe gegeven unde vor achtet hebbe. Denne schal de andere de ene geschuldiget hevet eme beteren mit sestich schillingen. Des horet der stat de dridde del deme richtere dat dridde del unde deme sake wolden dat dridde del.
38. Van der klage Is dat ienech man den anderen beklaget umme weleker hande sake dat oc si unde de andere vor deme richte dar umme sweren wil wert he bericht dat het lever wil weder geven denne sweren he schal beteren deme richte mit ver schillingen ofte de voget des nicht unberen ne wil.
39. Van schaden So we deme anderen schult gevet dat he eme geschadet hebbe, de schal den schaden benomen. De andere de beklaget is de schal den schaden beteren oder he schal sic des ut nemen mit siner enen hant up den hilegen.
43. Van pramen So we enes anderen mannes pram nemet sunder sine witschap unde in de trauene mede varet wil de dat vorderen des de pram sin is de andere schal eme hure geven. Unde wil he dat klagen he schal it eme beteren mit ver schillingen it ne do vurnot oder ander echt not.
46. Van valscher mate So we so valsche mate hevet to wine oder to mede oder to bere unde wert he dar mede bevunden he schal it beteren mit sestich schillingen. Unde is dat er ienech rechte mate hevet unde de nicht vul vore ne dreget dat schal he beteren mit eneme halven punde.
47. Van der valschen wage So we wert be grepen mit valscher wage de schal beteren mit sestich schillingen. Unde we so hevet enen valschen punder de schal oc beteren mit sestich schillingen.
49. Van tuge So war en man mer tughe nomet vor regte den twe wert eme der tuge en del up gedreuen he mach der anderen wol geneten de he oc genomet hevet unde de eme nicht up gedreuen ne sint uppe dat he dat mit ordelen beware. He schal se aver to ener tit nomen alle.
50. Van valschen tuge Wert deme rade witlic gemaket dat iemen valsch getuget hebbe unde dunket deme rade dat it werlike valsch si de valsche tuch scal beteren mit sestich schillingen unde he ne schal dar na nimmer mer iemende tugen helpen.
52. Van lovede dat ratmanne horet So war en lovede wert gedan vor ratmannen oder vor den de ratman hebbet gewesen dat lovede is stede. Mer de ratman vor den dat lovede is gedan de scholen gan up dat hus to den anderen ratmannen unde scholen dat secgen dat dat lovede is gesehen unde also gedan si beide mit den de dat denne horet unde mit den de it erst gehort hebbet. Dat lovede blift stede sunder aller hande weder rede.
53. Van den ratmannen Nen man schal wesen indeme rade de ammet hebbe van heren.
54. Ratmanne tuget So war ratman hebbet gewesen over saken unde stervet se alle sunder enen des enes tugent doit so vele also twier ratmanne tugent in der sake. Truwet men is eme nicht he schal sweren dat degene mit eme dar over hebben gewesen.
55. Van slande dat lemede maket So war ienech man den anderen sleit also dat eme van der slachtinge wert en lemede claget he dat de iene de ene dus geslagen hevet schal eme unde deme vogede unde der stat beteren sestich schillinge unde schal deme de dar is gelemet geven tein mark sulveres vor sine lemede. Weret oc al so dat he van armode dat gelt nicht geven ne mochte he schal dar vore eten brot unde water tein weken in deme torne unde dar na schal men ene ut der stat wisen unde he ne mach oc der stat nicht weder krigen ane des willen de dar is gelemet.
57. Van dem ordele Vint en man en unrecht ordel vor deme richte dat schal he beteren mit ver schillingen. Sweret he oc eme dat uppe den hilegen deme he dat ge vunden hevet dat he des to der tit nicht betere ne wiste he geit des sucht af sunder schaden. Unde degene uppe den dat ordel gevunden is de is oc ledich sunder schaden.
58. Van deme bescholdenen ordele So wanne oc en ordel vor deme richte wert beschulden up dat hus dat schal de vorsprake up dat hus bringen to der negesten kumst ofte it van eme gevorderet wert de sakewolde si bi eme oder nicht. Ne doit he des nicht he schal wedden dre mark sulvers.
61. Van erve So war lude to samen hebbet erve unde dreget se nicht over en so weleker van deme anderen wil scheden de schal dat erve setten up penninge unde schal ienen laten kesen de sine kumpane sint an deme erve also dat se nemen dat erve oder de penninge. Mer de dar heft den kore de schal kesen binnen achte dagen unde de penninge schal men geven binnen ver weken. Liker wis is it dar lude schepe to samene hebbet.
74. Van tugen So we en dinc tugen scholen dat it war si de scholen binnen der stat hebben er torfacht4 egen so mogen se dat wol tugen.
78. Van kopinge Is dat ienech man deme anderen vorkoft gut so welekerhande gut dat it si he schal den anderen waren5 oder he schal bliven an sinen minnen.6
79. Van vor kopinge Verkoft en medet knecht7 sines herren gut unde ne wil de herre de kopinge nicht stede holden de knecht mot sweren up den hilegen dat he den kopere nicht gewaren8 ne moge unde also untgeit he des.
85. Van tuge in schepes richte So we umme schult to vorderende oder umme ene andere sake kumt an en schip unde klage rort vor deme schipherren unde vor den luden de in deme schepe sint unde richtet de schipherre mit den luden deme klegere na schepes rechte umme schult oder umme andere sake de gene de dese schult oder dese sake vorderet de ne is nicht plichtich ienege tughe anders vor to bringende mer he schal neten tughendes9 der besten de he indeme schepe hebben mach. Liker wis iset umme tugh vor to bringende buten landes.
87. Van erue So war iemen en erve verkoft unde borgen dar umme settet to warende10 iar unde dach de borge schal waren alles des dar boret to warende sunder allene umme de schede ofte men dar schult11 umme gift der schal waren de dat erve vorkofte of men ene hebben mach. Mach men ene nicht hebben de borge mot dar vore antworden unde waren.
88. Van deme warende So we sie verromet12 warendes vor to bringende he schal ene nomen bi sime namen13 wonet he dan binnen lande so schal he ene vor bringen binnen vertein nachten. Is he dar buten binnen ses weken. Is he over se binnen iare unde dage.
89. De gut werpet in water not So war lude sint an water not unde er gut werpet dat gut mot dat schip unde de lude de dar gut hebben in deme schepe na marktale14 gelden na deme alse iowelik gut mochte gelden inder hauene dar se to dachten.
90. De enen ratman mishandelet in des stades deneste So we iemende van deme rade indes stades deneste mit worden oder mit werken ovele handelet sunder sine schult unde men dat getugen mach he schal it eme beteren mit sestich schillingen der stat mit dren marken sulveres. Jewelikeme ratmanne mit tein schillingen.
91. Van market vrede So we den anderen up deme markete ovele handelet mit slande oder mit stotende oder mit so gedaner wis he schal eme beteren na deme broke dar na deme rade mit dren marken sulveres. Unde wat de ratman dar van nemen willet des boret der stat twe del to unde deme richte dat dridde del. 93. Umme broke So we umme bose wort oder dor anderen broke ut der stat wert gewiset van den ratmannen sunder vredelos. De ratman alse se willen se mogen ene wol weder inde stat laten sunder den richtere so wanne se willen.

1 Wilhelm v. Savoyen, nach seiner Resignation als Bischof von Modena päpstlicher Legat für Preußen, Kurland, Estland etc.
2 Dieses lateinische Prooemium ist als formelhafter Vorspann für die Bewidmung einer Stadt mit dem Lübischen Recht anzusehen.
3 übertreten, brechen
4 volles Eigentum
5 Garantie übernehmen
6 dem Wohlwollen eines anderen ausgeliefert sein
7 ein entlohnter Knecht
8 S. Anm. 5.
9 Zeugen
10 S. Anm. 5.
11 schult geven = verklagen
12 sich vor Gericht erbieten
13 nennen
14 proportional