Rolf Sprandel (Bearb.), Quellen zur Hanse-Geschichte (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 36), Darmstadt 1982, S. 395, 397.

Hamburg an Lübeck, erläutert einige seerechtliche Bestimmungen. [Vor 21. Dezember] 1259

(gedruckt: Hansisches Urkundenbuch, Bd. 1, bearb. Konstantin Höhlbaum, Halle 1876, Nr. 538, S. 189-190.)

Die Ratmänner der Stadt Hamburg in reiner Treue und beständiger, wohlwollender Dienstbereitschaft an den Herrn Vogt und an die Ratmänner der Stadt Lübeck, kluge und ehrwürdige Männer1.
Vor uns sind Eure Ratmänner, Herr Heinrich von Wittenburg und Herr Alwin [Husen] 2 , erschienen und haben vorgebracht, daß das Schiffsrecht, das gemeinhin scipseghelinge genannt wird, in der Art der Handhabung durch die Stadt Hamburg ihnen außerordentlich schädlich erschiene. Wir haben darauf erwidert, unsere Rechtsprechung sei folgende: Wo auch immer ein Kaufmann von einem Schiffer ein Schiff und einen Kahn, both genannt, mietet, und wohin dieser mit dem Schiff segelt, wenn es aus unvermuteter Ursache in solche Gefahr auf dem Meer gerät, was als supra vorende3 bezeichnet wird, so daß die Besatzung das Schiff verlassen und mit dem Boot an Land gehen muß, und die Kaufleute, die vruchtlude (Befrachter) genannt werden, wegen des Ladegutes, ausgenommen Silber und Gold, die Seeleute auffordern: Helft uns, die Ladung zu retten, und wir werden Euch dafür geben, was billig ist. Wenn das geschieht, was invorende3 genannt ist, dann ist es gerecht, die 30. Mark zu geben. Wenn aber an einem reve (Riff), wie es genannt wird, dann soll die 20. Mark gegeben werden, und wenn das Gut auf hoher See verlorengeht, dann soll die 10. Mark gezahlt werden. Wenn nämlich weniger für die Arbeit der Gehilfen festgesetzt wird, dann befürchten wir, daß sie auch weniger bereitwillig die Güter bergen. Über Silber und Gold ist keine Bestimmung erlassen, da die Kaufleute noch keine derartigen Güter auf dem Seeweg zu transportieren pflegten, als dies statuiert wurde. Es steht Euch daher frei, für Silber und Gold das festzusetzen, was Euch angemessen und vernünftig erscheint.

Weiter, wenn ein Schiff auf dem Meer zum Schutz des Lebens Ladegüter über Bord wirft, soll das vom Schiffer mit den Kaufleuten Mark für Mark abgegolten werden4. Ferner» wenn irgendwo jemand einen anderen unter Segeln beschädigt, was angehseghelet heißt, und der Geschädigte ihn des Vorsatzes beschuldigt, und dieser bereit ist, auf die Reliquien zu schwören, daß es ohne Vorsatz geschehen sei, soll er den halben Schaden ersetzen, sofern der Geschädigte ihn mit guten und glaubwürdigen Männern nachweisen kann. Wenn der Schädiger jedoch nicht schwören will, so soll er den von ihm angerichteten Schaden in voller Höhe begleichen. Ferner, wenn ein Kaufmann in Gegen­wart guter Leute von einem Schiffer ein Schiff mietet und es mit seinen Gütern belädt, und wenn der Schiffer mit dem Schiff zu einem anderen Hafen5, volkssprachlich havene genannt, segelt als vorge­sehen und die Ladung nicht an das versprochene Ziel bringt, und der Kaufmann ihn verklagt, er habe die Güter nicht ans Ziel gebracht, und der Schiffer darauf antwortet: Eure Güter habe ich Euch und Euren Boten ausgeliefert, so wie ich es den Ratmännern und den Briefen6 des ganzen Landes vor dem Richter beschwöre. In diesem Fall lautet der Rechtsspruch unserer Stadt: damit soll seinem Zeugnis Glauben ge­schenkt werden, und er braucht keineswegs mit zwei oder drei anderen für alles Geschehene Zeugnis abzulegen. Wir bitten Euch daher, eingedenk unseres Dienstes, das, was Euch an dem Gesagten so schädlich erscheint und von Euch geändert wird, uns in den entsprechenden Verordnungen möglichst schnell mitzuteilen.[...]7

Viris prudentibus et honestis domino advocato et consulibus Lubicensis civitatis consules Hamburgenses cum fide pura benivolum obsequium semper et paratum1.
Dominus Heinricus de Wittenburg et dominus Alvingus2 vestri consules coram nobis proposuerunt dicentes, quod illa velificacio, que propri dicitur scipseghelinghe, quam civitas Hamburgensis haberet, pergravis videretur eisdem. Ad id respondimus, nostre iuridictionis esse, quod ubicunque mercator contra nautam conduceret navim et cymbam, que dicitur both, similiter et ubicunque idem cum navi velaret, si periclitaretur ipsa ex casu inopinato in mari, quod dicitur vulgo supra vorende3, ita quod homines existentes in navi dimitterent eandem et cum cymba redirent ad terram, de omnibus bonis argento et auro exceptis in ipsa navi existentibus, si mercatores, qui vruchtlude dicuntur, dicerent nautis: iuvate nos hec bona reservare, dabimus vobis id, quod iustum extitit; si contingerent hec, ut dictum est invorende3, tunc esset marcha tricesima denariorum iustum dare; si vero su­pra revam vulgariter dictam, tunc daretur vicesima marcha, sed si foris mare prefata bona devenirent, adducentibus illa decima daretur marcha; preterea si minus pro labore famulorum extitisset ordinatum, timeremus ipsos non tarn benivolos ad bona proborum hominum colligendum. Super argentum vero et aurum non est ius aliquod ordinatum, quia tunc temporis, cum hec statuta fuere, mercatores non solebant usquam talia bona navigio destinare; propterea super argentum et aurum quicquid vobis fore congrui videtur et rationabile, poteritis ordinare.

Insuper quorsum navis in mare ob tuicionem vite et bona obtinenda proicit, ibi dabitur a magistro navis cum mercatoribus marcha marche coequalis4. Item ubicunque quis alium advelat, quod dicitur angheseghelet, et dampnum fecerit eidem, cum idem culpaverit eundem hoc voluntarie fecisse, si idem audet supra reliquias iurare, quod fecerit sine suo consensu, medietatem dampni persolvet, prout ostendere possit bonis viris idoneis et probare; si vero non fuerit ausus iurare, tunc debet dampnum, quod fecit, totaliter emendare. Insuper ubicunque quisquam mercatorum contra nautam navim conducit presentibus bonis hominibus et ipsam oneraverit bonis propriis, si idem cum navi ad alium portum5, qui dicitur haven vulgo, velat, quam ubi eum velare convenit et bona non restituerit, ubi promisit, si idem mercator veniret conquerens super eum, quod bona non restituit, ubi promisit, ipse nauta responderet: bona vestra reddidi vobis et nuncio vestro, sicut testor in iudice consulibus necnon et tocius terre litteris6; et hec est nostre civitatis iusticia, quod cum hiis suo testimonio acceptis et nequaquam cum duobus aliis seu tribus debeat iure, quo convenit, per omnia comprobare, Quapropter vestram dilectionem attente rogamus, quatenus intuitu nostri servicii, quod ubicunque hec prefata vobis pergravia videntur, leviare dignemini ac econverso, et quid hinc ordinaveritis, nobis litteratorie quantocius intimetis. [...]7

[Die Erläuterungen stehen bei der Übersetzung]


Dazu Lappenberg, Rechte, S. CXXXVII ff., und Kiesselbach, Grundlage, S. 78 u. 84 ff.
Vgl. HUB I, S. 189, Anm. 4.
3   Bei der Hafeneinfahrt
D. h., zur Schadensdeckung werden anteilmäßig der Wert des geretteten Schiffes und der geborgenen Fracht herangezogen.
Nothafen
Hier wohl als aufgezeichnete Rechtsordnung zu verstehen.
7   Es folgt noch ein Satz, der nicht zum Thema gehört.