HELMOLD VON BOSAU (neuere zweisprachige Ausgabe:) Helmold von Bosau: Chronica Slavorum / Slawenchronik, lat.-dt. Ausgabe, bearb. H. Stoob (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 19), Darmstadt 1983, S. 303-305.
In jenen Tagen wurde die Stadt Lübeck von einer Feuersbrunst verzehrt.
Da schickten die Kaufleute und die anderen Bewohner der Stadt an den Herzog
und ließen ihm sagen: "Es währt nun schon lange Zeit, daß
der Markt zu Lübeck auf euren Befehl verboten ist. Wir aber sind bisher
in der Hoffnung, den Markt durch euere Gnade und Wohlgeneigtheit wieder zu
erlangen, in dieser Stadt geblieben. Auch konnten wir uns nicht entschließen,
die mit großen Kosten aufgeführten Gebäude zu verlassen.
Jetzt aber, da unsere Häuser niedergebrannt sind, würde es zwecklos
sein, an einem Orte, wo kein Markt sein darf, wieder zu bauen. Gib uns also
einen Ort, eine Stadt zu gründen, wo es dir gefällt."
Nun bat der Herzog den Grafen Adolf, daß er ihm den Hafen und den
Werder in Lübeck abtreten sollte. Dieser aber wollte nicht darauf eingehen.
Darauf gründete der Herzog eine neue Stadt am Flusse Wakenitz, nicht
weit von Lübeck, im Lande Ratzeburg, und begann sie zu bauen und zu
befestigen. Und er nannte sie nach seinem Namen Löwenstadt, d.h. die
Stadt des Löwen. Da aber dieser Ort sowohl was den Hafen, als was die
Befestigung anlangte, wenig geeignet war, und man nur mit kleinen Schiffen
dahin gelangen konnte, so begann der Herzog den Grafen Adolf wieder aufzusuchen
und die Rede wieder auf den Werder und den Hafen von Lübeck zu bringen,
indem er ihm Vieles versprach, wenn er seinen Wünschen nachgebe, so
dass der Graf sich zuletzt überreden ließ und ihm die Burg und
den Werder von Lübeck abtrat. Sogleich kehrten auf Geheiß des
Herzogs die Kaufleute mit Freuden zurück, die unbequeme neue Stadt verlassend,
und begannen die Kirchen und Mauern der Stadt wieder zu erbauen. Der Herzog
aber sandte in die Städte und Reiche des Nordens, nach Dänemark,
Schweden, Norwegen und Russland Boten und trug ihnen Frieden an, so daß
sie zu seiner Stadt Lübeck freien Zugang hätten. Und er legte daselbst
eine Münze und einen Zoll an, und verlieh der Stadt die ansehnlichsten
Gerechtigkeiten. Seit der Zeit gedieh der Betrieb der Stadt immer mehr und
die Zahl ihrer Bewohner wuchs in hohem Grade.
In diebus illis Lubicensis civitas consumpta est incendio, et miserunt
institores et ceteri habitatores urbis ad ducem dicentes: 'Diu est, ex quo
inhibitum est forum Lubike auctoritate iussionis vestrae. Nos autem hactenus
detenti sumus in civitate hac spe recuperandi fori in beneplacito gratiae
vestrae, sed nec edificia nostra multo sumptu elaborata nos abire sinebant.
Nunc vero consumptis domibus supervacuum est reedificare in loco, ubi non
sinitur esse forum. Da igitur nobis locum construendi civitatem in loco, qui
tibi placuerit'.
Rogavit igitur dux comitem Adolfum, ut permitteret sibi portum
et insulam Lubike. Quod ille facere noluit. Tunc edificavit dux civitatem
novam super flumen Wochenice non longe a Lubeke in terra Racesburg cepitque
edificare et communire. Et appellavit civitatem de suo nomine Lewenstad,
quod dicitur Leonis civitas. Sed cum locus ille minus esset ydoneus et portu
et munimento nec posset adiri nisi navibus parvis, dux iterato sermone convenire
cepit comitem Adolfum super insula Lubicensi et portu, multa spondens, si
voluntati suae paruisset. Tandem victus comes fecit quod necessitas imperarat
et resignavit ei castrum et insulam. Statim iubente duce reversi sunt
mercatores cum gaudio desertis incommoditatibus novae civitatis et ceperunt
reedificare ecclesias et menia civitatis. Et transmisit dux nuntios ad civitates
et regna aquilonis, Daniam, Suediam, Norwegiam, Ruciam, offerens eis pacem,
ut haberent liberum commeatum adeundi civitatem suam Lubike. Et statuit illic
monetam et theloneum et iura civitatis honestissima. Ab eo tempore prosperatum
est opus civitatis, et multiplicatus est numerus accolarum eius.