HELMOLD VON BOSAU (neuere zweisprachige Ausgabe:) Helmold von Bosau: Chronica Slavorum / Slawenchronik, lat.-dt. Ausgabe, bearb. H. Stoob (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 19), Darmstadt 1983, S. 211-13.
Nachdem diese Angelegenheit so geordnet war, begann Adolf die Burg Segeberg
wieder aufzuführen und umgab sie mit einer Mauer. Weil aber das
Land menschenleer war, so sandte er Boten aus in alle Lande, nach Flandern
und Holland, nach Utrecht, Westfalen und Friesland, und ließ alle
die, denen Land mangelte, auffordern, mit ihren Familien hin zu kommen. Sie
würden sehr gutes, geräumiges, fruchtbares, Fisch und Fleisch im
Überfluß darbietendes Land und vorteilhafte Weiden erhalten. Den
Holsteinern und Stormarn ließ er sagen: "Habt ihr nicht das Land der
Slawen unterworfen und es mit dem Blute eurer Brüder und Väter
erkauft? Warum kommt ihr denn zuletzt, es in Besitz zu nehmen? Seid die Ersten,
in das liebliche Land hinüberzuwandern, und bewohnt es, und nehmt Teil
an den Genüssen desselben, da euch das Beste davon gehört, weil
ihr es aus Feindeshand gerissen habt." Diesem Aufruf folgend, erhob sich
eine unzählige Menge aus verschiedenen Völkern, und sie kamen mit
ihren Familien und mit ihrer Habe ins Land der Wagrier zum Grafen Adolf,
um das Land, das er ihnen versprochen hatte, in Besitz zu nehmen. Zuerst
erhielten die Holsteiner Wohnsitze an sehr sicheren Orten im Westen bei Segeberg
am Travefluß; auch das Gefilde von Schwentinefeld und alles was sich
von der Schwale bis nach Grimmelsberg und bis zum Plöner See erstreckt.
Das Darguner Land bezogen die Westfalen, das Eutiner die Holländer und
Süsel die Friesen. Das Plöner Land war noch unbewohnt. Oldenburg
aber und Lütjenburg und die anderen Küstengegenden gab er den Slawen
zu beziehen, und diese wurden ihm zinspflichtig.
Danach kam Graf Adolf an einen Ort namens Bukow und fand daselbst den Wall
einer verlassenen Burg, welche einst Fürst Kruto der Feind Gottes erbaut
hatte, und eine sehr große Insel, von zwei Flüssen umgeben. Denn
an der einen Seite fließt die Trave, an der andern die Wakenitz vorbei,
beide mit einem sumpfigen und unwegsamen Ufer versehen. An der Seite aber,
wo die Landstraße vorwärts läuft, liegt ein sehr schmaler
Hügel, mit dem Burgwalle bebaut. Da nun der umsichtige Mann sah, wie
passend die Lage und wie trefflich der Hafen war, so begann er dort eine Stadt
zu erbauen, welche er Lübeck nannte, und welche von dem alten Hafen
und der alten Stadt, welche einst Fürst Heinrich angelegt hatte, nicht
weit entfernt war. Danach sandte er Boten an Niklot, den Fürsten der
Obodriten, um mit demselben Freundschaft zu schließen, und gewann alle
Angesehenen des Landes durch Geschenke in dem Grade, daß alle darin
wetteiferten, ihm gefällig zu sein und sein Land mit zur Ruhe zu bringen.
So begannen die Einöden des Wagrierlandes bewohnt zu werden, und die
Zahl der Bewohner desselben mehrte sich. Auch der Priester Vizelin empfing,
aufgefordert zugleich und unterstützt vom Grafen Adolf, die Besitzungen
wieder, welche ihm schon einst Kaiser Lothar zur Erbauung eines Klosters
und zur Unterhaltung von Dienern Gottes bei der Burg Segeberg verliehen hatte.
His vero in hunc modum ordinatis Adolfus cepit reedificare castrum Sigeberg
cinxitque illud muro. Quia autem terra deserta erat, misit nuntios in omnes
regiones, Flandriam scilicet et Hollandriam, Traiectum, Westfaliam, Fresiam,
ut, quicumque agrorum penuria artarentur, venirent cum familiis suis accepturi
terram optimam, terram spaciosam, uberem fructibus, redundantem pisce
et carne et commoda pascuarum gratia. Dixitque Holzatis et Sturmariis: 'Nonne
vos terram Slavorum subegistis et mercati eam estis in mortibus fratrum et
parentum vestrorum? Cur igitur novissimi venitis ad possidendurnm eam? Estote
primi et transmigrate in terram desiderabilem et incolite eam et participamini
deliciis eius, eo quod vobis debeantur optima eius, qui tulistis eam de manu
inimicorum'. Ad hanc vocem surrexit innumera multitudo de variis nacionibus,
assumptis familiis cum facultatibus venerunt in terram Wairensium ad comitem
Adolfum, possessuri terram, quam eis pollicitus fuerat. Et primi quidem Holzatenses
acceperunt sedes in locis tutissimis ad occidentalem plagam Segeberg, circa
flumen Trabenam, campestria quoque Zuentineveld et quicquid a rivo Sualen
usque Agrimesov et lacum Plunensem extenditur. Dargunensem pagum Westfali,
Utinensem Hollandri, Susle Fresi incoluerunt. Porro Plunensis adhuc desertus
erat. Aldenburg vero et Lutilenburg et ceteras terras mari contiguas dedit
Slavis incolendas, factique sunt ei tributarii.
Post haec venit comes Adolfus ad locum qui dicitur Bucu invenitque ibi vallum
urbis desolatae, quam edificaverat Cruto Dei tirannus, et insulam amplissimam
gemino flumine cinctam. Nam ex una parte Trabena, ex altera Wochniza preterfluit,
habens uterque paludosam et inviam ripam. Ex ea vero parte, qua terrestre
iter continuatur, est collis contractior, vallo castri restructus. Videns
igitur industrius vir competentiam loci portumque nobilem cepit illic edificare
civitatem vocavitque eam Lubeke, eo quod non longe abesset a veteri portu
et civitate, quam Heinricus princeps olim constituerat. Transmisitque nuntios
ad Niclotum Obotritorum principem componere cum eo amicicias, omnes nobiliores
donariis sibi adeo astringens, ut omnes ei obsequi et terram eius compacare
decertarent. Ceperunt igitur inhabitari deserta Wairensis provinciae, et
multiplicabatur numerus accolarum eius. Vicelinus quoque sacerdos invitante pariter et adiuvante comite
predia recepit, quae Lotharius imperator ad constructionem monasterii et
subsidium servorum Dei iam olim sibi coram castro Sigeberg contradiderat.