Rolf Sprandel (Bearb.), Quellen zur Hanse-Geschichte (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 36), Darmstadt 1982, S. 173, 175.
Privileg Herzog Heinrichs [des Löwen] von Baiern und Sachsen. [18. Oktober 1161]1Herzog Heinrich [der Löwe} von Baiern und Sachsen beurkundet die Herstellung des Friedens zwischen Deutschen und Gotländern und bestätigt letzteren die ihnen von Kaiser Lothar erteilten Freiheiten.
(gedruckt: Hansisches Urkundenbuch, Bd. 1, bearb. Konstantin Höhlbaum, Halle 1876, Nr. 15, S. 9-10.)
Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Heinrich, durch Gottes mildtätige Gnade Herzog der Baiern und Sachsen.
Alle gegenwärtigen wie zukünftigen Getreuen Christi
sollen in ihrer Klugheit erfahren, daß wir aus Liebe zum Frieden und
aus Verehrung der christlichen Religion, vor allem aber aus der Betrachtung
der ewigen Vergeltung den Streit, der unter dem Geist des Übels seit
langem schlimm zwischen den Deutschen und den Gotländern geherrscht
hat, zugunsten der Einigkeit und Eintracht verbessert haben und daß
wir auch die mannigfachen Übel, nämlich Haßausbrüche,
Feindschaften und Morde, die aus der Uneinigkeit beider Nationen entstanden
sind, unter helfender Gnade des Heiligen Geistes in ewiger Beständigkeit
des Friedens beigelegt und dadurch die Gotländer wohlwollend in die Gnade
unserer Versöhnung aufgenommen haben. Daher bestätigen wir den
Gotländern die Rechts- und Friedensbeschlüsse, die ihnen einst
von dem erlauchten Römischen Kaiser, Herrn Lothar seligen Angedenkens,
unserem Großvater, gewährt worden sind, wobei wir seinen Entscheidungen
in aller Ehrfurcht mit der gleichen Güte beistimmen und die Überlieferung
jedes einzelnen Rechtes durch einzelne Kapitel unterscheiden wollen. Die Gotländer
sollen im Gebiete unserer ganzen Macht einen festen Frieden haben, so daß
sie in dem, was sie an Schaden an ihren Gütern oder an Unrecht innerhalb
der Grenzen erlitten haben, volle Gerechtigkeit aus unserer richterlichen
Macht und Genugtuung erhalten, wobei wir ihnen die Gnade hinzufügen,
daß sie in allen unseren Städten vom Zoll frei sein sollen. Wenn
irgendein Gotländer in einer unserer Städte, wo wir eidlich den
Frieden gesichert haben, getötet werden sollte, so soll der angeklagte
Täter mit dem Todesurteil bestraft werden. Wenn aber jemand durch Waffen
verletzt oder verkrüppelt wird, so soll nach unserem Entschluß
dem angeklagten Täter die Hand abgeschlagen werden. Wenn darüber
hinaus jemand durch einen Knüppel oder mit der Faust ruchlos verletzt
wird, so soll der angeklagte Täter den entsprechenden Bestimmungen des
Rechtes jener Stadt, wo es sich ereignet hat, unterworfen werden. Wenn ebenso
aber auch ein Gotländer auf der An- und Rückreise in einem außerordentlichen
Rechtsverfahren getötet wird, so soll der Täter mit den Erben und
Verwandten des Getöteten einen Vergleich über 40 Mark in der Währung
jener Provinz, in der der Frevel begangen worden ist, abschließen. Auch
wenn einer von ihnen in einer unserer Städte stirbt, so soll dessen
Erbe oder Verwandter, falls er zufällig anwesend ist, die Güter
erhalten und sich ihrer in tiefem Frieden erfreuen; andernfalls aber sollen
jene Güter in derselben Niederlassung, in der jener starb, ein Jahr und
einen Tag unzerteilt aufbewahrt werden; wenn sie aber innerhalb dieser Zeit
niemand beansprucht haben wird, so soll sie der Richter der Stadt in Empfang
nehmen. Endlich aber haben wir für alle Gotländer dieselbe Gunst
und Rechtssatzung wie für unsere Kaufleute beschlossen, und wir haben
festgesetzt, daß dies für immer fest und unumstößlich
gelten soll, vorausgesetzt die Gotländer gewähren unseren Leuten
in dankbarer Wechselseitigkeit dasselbe; im übrigen sollen sie uns und
unser Land in Zukunft häufiger aufsuchen und unseren Lübecker Hafen
öfter frequentieren. Zeugen: Bischof Gerold, Bischof Evermodus, Bischof
Berno von Mecklenburg, Markgraf von Vohburg, Graf Friedrich von Arnsberg,
Graf Heinrich von Ravensberg, Graf Adolf, Graf Sigfrid, Graf Volradus, Graf
Heinrich von Ratzeburg, Luthard von Meinersen, Luidolf von Waltingeroht,
Guncelinus, Kammerherr Anno, Truchseß Luidolf, Graf Reinhold von Lübeck.
Geschehen im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1163,
im 10. Jahr der Königsherrschaft, im 7. der Kaiserherrschaft des sehr
ruhmvollen Kaisers der Römer Friedrich. Gegeben zu Artlenburg2 am 18. Oktober.
In nomine sancte et individue trinitatis. Henricus divina favente clemencia Bawarorum atque Saxonum dux.
Noverit cunctorum tarn presentium quam futurorum Christi fidelium sagacitas,
qualiter nos ob amorem pacis et reverentiam Christiane religionis, maxime
autem contemplatione retributionis eterne dissensionem inter Theuthonicos
necnon Gutenses instigante spiritu nequicie diu male habitam unitati et concordie
antique reformaverimus, qualiter eciam multimoda mala, videlicet odia, inimicicias,
homicidia, ex utriusque gentis dissensione orta, spiritus sancti gracia cooperante
perpetua pacis stabilitate coadunaverimus et postmodum Gutenses in nostre
reconciliationis graciam benigne receperimus. Iuris igitur et pacis eiusdem
decreta Gutensibus quondam a serenissimo Romanorum imperatore domino Lothario
pie memorie, avo nostro, concessa nos in omni devocione factis eius inclinantes
simili pietate Gutensibus contradimus uniuscuiusque iuris traditionem per
singula capitula distinguentes. Per universe potestatis nostre ditionem Gutenses
pacem firmam habeant, ita ut quicquid dispendii rerum suarum seu iniurie
infra terminos nostri regiminis pertulerint, plenam ex iudiciaria potestate
nostra iusticiam et correctionem consequantur, hanc eis graciam adicientes,
ut in omnibus civitatibus nostris a theloneo liberi permaneant. Item si quis
Gutorum in quibuscumque civitatibus nostris, ubi pacem sub iureiurando firmavimus,
peremptus fuerit, capitis sentencia reus ille puniatur. Si quis vero armis
vulneratus vel debilitatus fuerit, manu reum truncari decernimus. Insuper
si quispiam fuste vel pugno impie lesus fuerit, iuri civitatis, in qua id
contigisse dinoscitur, reus item subiaceat. Similiter autem quicumque Gutensium
in itinere eundo vel redeundo in die non legitime occisus fuerit, peremptor
cum heredibus et cognatis occisi XL marcis monete illius provincie, in qua
nefas perpetratum est, componat. Si quis eciam eorum in quacumque civitate
nostra mortuus fuerit, bona sua heres vel cognatus eius, si forte presens
est, recipiat et in multa pace fruatur; sin autem, bona illa in eadem possessione,
qua ille obierit, annum et diem indistracta reserventur; si vero nullus infra
tempus denominatum bona ista requisierit, iudex civitatis ea recipiat. Novissime
autem eandem graciam et iusticiam, quam nostris mercatoribus decrevimus,
eandem omnibus Gutensibus in perpetuum statuimus fideliter et inviolabiliter
conservandam, hoc videlicet pacto, ut grata vicissitudine idem nostris et
ipsi exhibeant, nos quoque et terram nostram de cetero arcius diligant et
portum nostrum in Luibyke diligencius frequentent. Huius autem rei testes
sunt hii: episcopus Geroldus, Evermodus episcopus, Berno Magnopolitanus episcopus,
marchio de Vohburch, comes Fridericus de Arnesberch, Henricus comes de Ravenesberch,
Atholfus comes, Sifridus comes, Volradus comes, Henricus comes de Racesborch,
Luthardus de Meinersem, Luidolfus de Waltingeroht, Guncelinus, Anno camerarius,
Luidolfus dapifer, Reinoldus comes de Luibyke.
Acta sunt hec anno ab incarnatione
Domini MCLXIII, regnante gloriosissimo domino Friderico Romanorum imperatore
augusto, anno regni sui X, imperii VII. Data in Ertineburch,2 15. kalendas Novembris.
1 Die Datierung ist widersprüchlich. Jene nach Begierungsjahren ist der nach der Inkarnation vorzuziehen. Vergleiche auch die neuere Edition der Urkunde in MGH, Die Urkunden Heinrich des Löwen, Nr. 48.
2 Nördl. Lüneburg an der Elbe.