ARNOLD VON LÜBECK
Buch III, 6. Von Konrad, dem erwählten Bischof (1183).

Währenddessen wurde, als der Kaiser in der Ferne war, der Stuhl zu Lübeck vakant. Die Lübecker Domherren begaben sich zu demselben und unterwarfen sich seiner Verfügung,  indem sie ihn baten, daß sie durch seine Anordnung einen  Bischof erhalten möchten. Er nun ernannte einen frommen Mann namens Alexius, Propst zu Hildeburgeroth, aus dem  Orden der Prämonstratenser. Dem aber widersprachen alle einstimmig und baten dringend, ihnen einen aus ihrem Orden  vorzusetzen. Der Kaiser beriet sich darauf mit seinen  Vertrauten und gab ihnen seinen Kaplan Konrad, einen sehr wissenschaftlichen und beredten Mann, der bei der  Verhandlung von Geschäften sehr nachdrücklich das Wort zu führen  wußte. Denn in der Tat hatte der Kaiser von dem noch  unentwickelten und daher in mancher Beziehung vernachlässigten Zustande der Lübecker Kirche, welche ja so gut wie erst von neuem wieder aufgelebt war, Kunde und selbst genaue Einsicht erlangt. Darum beschloß er diesen einsichtsvollen Mann dorthin zu schicken, damit durch denselben nicht nur die Kirche gefördert, sondern auch die kaiserliche Macht in jenen Landen  befestigt würde.
Nachdem also der erwählte Herr zu Eger, einem Schlosse des Kaisers, die bischöfliche Einkleidung erhalten hatte, kam er in seinen Sprengel und begann den  Zustand seiner Kirche gehörig zu ordnen, indem er die Geistlichkeit zur ehrbaren Haltung beim Gottesdienst anwies und sie ermahnte, keusch, nüchtern und ohne Murren gastfrei zu sein, auch der übrigen Tugenden, wodurch sie Gott und  Menschen wohlgefallen könnten, sich zu befleißigen; die Laien dagegen, die mehr ein ernstes, strenges Wesen als Gelehrsamkeit bewundern, regierte er mit solcher Klugheit, daß sie ihn mehr verehrten als alle seine Vorgänger. Er gestattete  nicht, dass ein Geistlicher aus einem fremden Bistum in seinem Sprengel eine Pfarre hatte, denn niemand, sagte er, könne zweien Herren dienen. Auch behauptete er, dass jeder  Pfarrer stets bereit sein müsse, die Kranken zu besuchen, ihnen die letzte Ölung zu ertheilen, die übrigen Pflichten des geistlichen Amtes zu erfüllen, beim Mahle des Herrn, bei der Einführung der Bußfertigen und der Weihe des Chrisma seinem  Bischof zur Hand zu gehen. Dazu hatte er auch vom Papste Vollmacht erhalten. Während er nämlich mit dem Kaiser nach Verona gekommen war, brachte er einen Brief des Papstes Lucius über diese Angelegenheit mit, worin auf das bestimmteste vorgeschrieben war, dass, wenn ein Geistlicher aus einem fremden Bistume in seiner Diözese eine Kirche behalten wolle, er entweder in derselben bleibenden Aufenthalt nehmen oder seine Amtseinkünfte aufgeben müsse. Noch hatte er jedoch die bischöfliche Weihe nicht erhalten, die er nämlich nicht ohne Grund verschob. Vielleicht wollte er den  Zustand der Kirche, die er regierte, vorher untersuchen und seine Kräfte prüfen, ob er auch die auferlegte Last zu tragen  im Stande wäre, und "lange erwog er, was die Schultern zu tragen, was nicht zu tragen vermöchten", damit er, wenn  die Kirche durch ihn gefördert werden könnte, er die Arbeit  zu tragen sich nicht weigere, wo nicht aber in Demut zurücktreten könne. Er war nämlich reich durch viele kirchliche Einkünfte von Pfarreien und Pfründengelder, denen zu  entsagen er Bedenken trug, wenn er damit nicht seine Lage verbesserte.
Auch entstand ein Streit zwischen ihm und dem Grafen Adolf. Der erwählte Herr sagte nämlich, seine Leute würden  in vielen Stücken vom Grafen ungerecht bedrückt, auch einige bischöfliche Landgüter habe derselbe gewalttätig in Besitz genommen, und die Erhebung der Gebühren, welche ihm in seiner Stadt Eutin von der Vogtei zustanden, würde von den Leuten des Grafen häufig behindert. Da er jedoch wegen des hochfahrenden Sinnes des Grafen wider diese Kränkungen nichts zu tun vermochte, so schien er sie, obwohl nicht ohne Bitterkeit, geduldig zu ertragen und ungeahndet zu lassen,  und als er dies dem Kaiser mitgeteilt und auch da in seiner Sache nicht weiter gekommen war, so begann er von den gefassten Entschlüssen allmählich abzulassen und in seinem Sinne sich zur Heimkehr zu rüsten. Nachdem er so seine Angelegenheiten geordnet hatte, reiste er fort zum Erzbischof Siegfrid von Bremen. Was er an Silber und Hausgerät oder an den besten Rossen, die er manchen selbst mit Gewalt abnahm - denn er war etwas habgierig - bekommen konnte, das nahm er mit. Darauf gab er das Amt, welches er von ihm empfangen hatte, wieder in seine Hände zurück und schrieb seiner Geistlichkeit, er werde nicht wieder kommen und löse sie von dem ihm gelobten Gehorsam. So ging er, ohne jemand um Rat gefragt zu haben, davon, sei es aus den oben angeführten, oder anderen geheimen Gründen, oder weil er nach höheren Dingen strebte.

Liber III, 6. De Conrado electo.

Interea autem vacabat sedes Lubicensis, quia imperator in longinquo positus erat. Quem adierunt canonici Lubicenses, submittentes se dispensationi ipsius, rogantes, ut per eius ordinationem episcopum habere potuissent. Qui designavit virum quendam religiosum, Alexium dictum, prepositum in Hildeburgeroth, qui de ordine Premonstratensium erat. Quem illi unanimiter contradixerunt, et de ordine suo aliquem sibi preferri flagitabant. Qui communicato consilio familiarium, dedit eis Conradum capellanum suum, virum litteratum valde et facundum et in causis tractandis acerrimum oratorem. Sane imperator audierat vel etiam perspexerat statum ecclesie Lubicensis - quia quasi de novo suscitatus fuerat - adhuc tenerum et ideo in multis neglectum esse. Ideoque virum hunc sapientem eo mittere decrevit, ut non solum per eum illa proficeret ecclesia, verum etiam sua per eum in partibus illis firmarentur negotia.
Accepta igitur pontificali investitura apud Egere, castrum inperatoris,  domnus electus veniens in parrochiam suam decenter statum ecclesie sue ordinare cepit, informans clerum ad religionis honestatem, adhortans eos castos, sobrios et sine murmuratione hospitales esse, ceterisque studere virtutibus, quibus et Deo et hominibus complacerent; laicos vero, qui magis austeritatem quam doctrinam mirantur, tanta prudentia moderabatur, ut eum supra omnes, qui ante eum fuerant, revererentur. Non permittebat aliquem clericorum de alieno episcopatu in sua diocesi parrochiam tenere, dicens, neminem posse duobus dominis servire. Et quemlibet parrochianum semper paratum esse ad visitationes et unctiones infirmorum et ad cetera spiritalis cure officia, et in cena Domini ad penitentes introducendos et crismatis consecrationem pontifici suo assistere affirmabat. Super hoc etiam auctoritate apostolici utebatur. Quia dum cum imperatore Veronam ivisset, detulit litteras Lucii pape super eodem negotio, omnimodis precipiens, ut si quis clericorum de alieno episcopatu in sua diocesi ecclesiam tenere voluisset, aut stationem in ea faceret, aut a beneficio cessaret. Necdum tamen consecrationem pontificalem susceperat, quam tamen non sine causa differebat. Forte statum ecclesie, quam regere ceperat, prius explorare volebat et vires suas pretemptare, si onus inpositum ferre potuisset, et versare diu, quid ferre retractent, quid valeant humeri, ut si ecclesia per eum proficere potuisset, subire laborem non recusaret, sin autem, humiliter cessaret. Erat siquidem multis beneficiis ecclesiasticis ditatus in parrochiis et prebendarum stipendiis, quibus abrenunciare timebat, nisi melioris status commutatione.
Orta est etiam dissensio inter ipsum et comitem Adolphum. Dicebat enim domnus electus, homines suos in multis ab eo iniuste gravari, quedam etiam predia episcopalia violenter occupari et iustitias suas, quas in civitate sua Utine de advocatia consequi debebat, sibi frequenter per suos inpediri. Et quia hiis reniti propter comitis magnanimitatem non poterat, patienter ista, non tamen sine amaritudine, videbatur dissimulare. Cumque hec inperatori insinuasset et nec sic in sua causa profecisset, cepit a  cepto proposito quasi lentescere et animo paulatim ad sua remigrare. Et ita dispositis rebus suis abiit ad archiepiscopum Syfridum Bremensem. Quicquid mobilium habere poterat in argento vel suppellectili aut equis optimis, quos etiam quibusdam vi  extorserat - quia aliquantulum cupidus erat -  secum deferebat. Et resignans ei curam, quam ab ipso acceperat, rescripsit clero suo, se ulterius non reversurum, absolvens eos ab obedientia sibi ab eis facta. Sicque inconsultis omnibus discessit, sive propter  causas supra dictas, sive pro aliis latentibus, vel quia maiora aspirare videbatur.