- Chronica, hrsg. J. M. Lappenberg, in: Monumenta Germaniae historica, Scriptores, Bd. 21, Hannover 1869, S. 100-250 / [eigenständig] Monumenta Germaniae historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, Bd. 14, Hannover 1868, ND 1995.
- Chronik, übers. J. C. M. Laurent (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 71), 3. Aufl. Leipzig 1940.
Der Kaiser aber setzte über den Fluß und erschien vor Lübeck.
Ihm eilte das Heer der Slawen und Holsteiner zu. Auch König Waldemar
von Dänemark kam mit einer großen Flotte an die Mündung der
Trave, und die Stadt wurde zu Wasser und zu Lande eingeschlossen. In derselben
befanden sich Graf Simon von Tekeneburg, Graf Bernhard von Aldenburg
und Graf Bernhard von Wilepe, nebst Markrad, dem Statthalter der Holsteiner,
und Emeco von Holte mit einigen sehr tapferen Holsteinern und einer unzähligen
Menge von Bürgern. König Waldemar aber erschien mit großem
Gefolge vor dem Kaiser, und stellte sich demselben mit großem Prunk
und Aufwande dar. Dann verlobte er auch seine Tochter mit einem Sohne des
Kaisers, mit dem Herzoge von Schwaben nämlich, worauf das Ehegelöbnis
beider Gatten durch feierlichen Eidschwur der Bischöfe bestätigt
wurde.
Während der Belagerung befand sich der Bischof, Herr Heinrich, in
der Stadt. Zu diesem kamen die Bürger und sagten: "Wir bitten euere
Heiligkeit, hochwürdigster Vater, euch zum Herrn Kaiser hinaus zu begeben
und ihm in unserem Namen zu sagen: "Herr, wir sind eure Knechte; wir sind
bereit, euerer kaiserlichen Majestät zu gehorchen, allein was haben
wir verbrochen, daß wir mit einer so heftigen Belagerung von euch heimgesucht
werden? Diese Stadt haben wir bisher durch die freigebige Gnade unseres Herrn,
des Herzogs Heinrich, in Besitz gehabt, und haben sie auch zu Ehren Gottes
und als einen festen Hort des Christentums an diesem einstigen Orte der Schrecken
und wüsten Einöde erbaut; an diesem Orte, wo, wie wir hoffen, jetzt
eine Wohnung Gottes, vorher aber wegen des heidnischen Irrglaubens ein
Sitz des Satans war. Diese Stadt werden wir also euren Händen nicht überliefern,
sondern die Freiheit derselben mit Waffengewalt, so lange wir können,
auf das ausdauerndste verteidigen. Darum aber bitten wir euere Erhabenheit,
uns unter Gewährung der Sicherheit zu erlauben, daß wir
zu unserm Herrn, dem Herzog, uns begeben dürfen, um von ihm zu erfahren,
was zu tun sei und wie wir für uns und unsere Stadt in dieser Not am
besten sorgen. Wenn dieser uns dann Entsatz verspricht, so ist es recht,
daß wir ihm die Stadt bewahren; wo nicht, so wollen wir tun, was euch
gefällt. Wollt ihr das nicht, so wisst, dass wir lieber in der Verteidigung
unserer Stadt ehrenvoll sterben, als die Treue brechend schmachvoll leben
wollen."
So ging der Bischof zum Kaiser, und trug ihm dies sorgfältigst vor.
Er ermahnte den Kaiser, er möchte doch, eingedenk der Verwandtschaft,
in der er zum Herzoge stehe, und der Dienste, die er ihm oft und in hohem
Grade geleistet habe, mit ihm, seinem Vetter, Geduld haben. Der Kaiser aber,
der sich über die Ankunft des Herrn Bischofs freute, weil er ihn wegen
seines guten Rufes schätzte und ihn gern hörte, antwortete ihm:
"Wir sind über eure Ankunft sehr erfreut, vielgeliebter Bischof, und
finden großes Wohlgefallen daran, euch zu sehen und mit euch zu reden.
Dass aber eure Bürger uns Worte von Anmaßung entbieten lassen und
unsere Stadt uns nicht freiwillig öffnen, das, glauben wir, wird weder
euch, noch irgend einem, der bei gesundem Verstande ist, recht scheinen. Zwar
bekennen wir, dass diese Stadt durch unsere freigebige Gnade eine Zeitlang
unserem Vetter gehört hat; seitdem derselbe jedoch durch seine Hartnäckigkeit
nach dem Beschlusse aller Fürsten des Reiches sich die öffentliche
Acht zugezogen hat, gehört die Stadt mit vollem Rechte uns, da ja auch
jeder Bischof seine Güter, die jener als beständige Lehen in Besitz
hatte, wieder an sich genommen hat. Unsere Macht ist nun zwar jetzt groß
genug, um den Lübeckern zu vergelten, was sie verdient haben; weil wir
aber in Übung der Gerechtigkeit allen lieber Geduld als Strafe zu erweisen
uns gedrungen fühlen, so sei es denn; wir wollen ihnen auch darin zu
Willen sein, dass sie, wie sie es verlangen, zu ihrem Herrn gehen und mit
ihm über ihre Lage sich besprechen mögen. Allein sie sollen wissen,
dass sie, wenn sie nach ihrer Rückkehr uns die Stadt nicht öffnen,
dann wegen dieses Verzuges eine um so schwerere Züchtigung zu gewärtigen
haben. - Wenn ihr aber sagt, wir möchten doch Geduld haben mit unserm
Vetter, dem Herzoge, so wisset, daß wir gegen ihn stets wunderbare
Geduld und Milde geübt haben. Dadurch mit Hochmut erfüllt, hat er
die Gnade, die er fand, für nichts geachtet, ja er hat selbst nicht einmal
Gottes überschwängliche Gnade gegen ihn erkannt, wie er sollte.
Deshalb müsst ihr wissen, ist er von Gott gedemütigt; denn eines
so übermächtigen Mannes Sturz ist nicht durch unsere Macht bewirkt,
sondern vielmehr eine Vergeltung aus der Hand des allmächtigen Gottes."
Der Bischof also kehrte in die Stadt zurück und berichtete den Bürgern,
was er gehört hatte. Diese nahmen unverzüglich das freie Geleit
an und begaben sich nach Stade, wo der Herzog war. Der Kaiser aber sandte
in Berücksichtigung der Kränklichkeit des Bischofs, der häufig
an einem hitzigen Fieber litt, welches ihn auch sein ganzes Leben hindurch
nicht verließ, seinen Arzt zu demselben, um ihn durch seine
Tränke von der Krankheit zu heilen. Einige Tage nachher aber kamen
die Bürger mit dem Grafen Gunzelin zurück und überlieferten
dem Kaiser auf Befehl des Herzogs die Stadt. Bevor sie ihm dieselbe jedoch
öffneten, kamen sie zu ihm hinaus und baten ihn, doch die Freiheit,
welche der Herzog ihnen einst verliehen habe, behalten und die Vorrechte,
welche sie in Freibriefen aufgezeichnet besaßen, nach dem Soester
Rechte, so wie die Grenzen ihres Gebietes, was Wiesen, Wälder und Flüsse
anlange, unverkürzt und vom Kaiser kraft seiner Oberherrlichkeit in
Gnaden bestätigt erhalten zu dürfen. Der Kaiser bewilligte ihr
Gesuch und bestätigte nicht allein das Genannte, sondern er erklärte
auch, dass es mit dem Anteile vom Zoll, welcher zum Unterhalte der Domherren
in Lübeck und Ratzeburg vom Herzoge ausgesetzt war, bleiben solle wie
bisher. Dem Grafen Adolf aber gab er die Hälfte von dem, was die ganze
Stadt von Zöllen, Mühlen und den Wechselbänken eintrug, zu
Lehen, teils weil er dem Reiche große Dienste geleistet hatte, teils
weil er um des Kaisers willen eine Zeitlang vertrieben gewesen war. So hielt
denn der Kaiser seinen Einzug in die Stadt und wurde mit Hymnen und Liedern
zum Lobe Gottes unter dem Jubel der Geistlichkeit und des ganzen Volkes
prächtig empfangen. Der Abt des Klosters der heiligen Mutter Gottes
Maria und des heiligen Johannes des Evangelisten erschien vor ihm und empfing
aus seinen Händen die Belehnung mit den Höfen, die er in der Stadt
hatte, nebst einigen Äckern auf dem Landgebiete dortselbst, durch
Vermittlung des Bischofs Heinrich, der eben diese Höfe und Äcker
aus eigenen Mitteln gekauft und sie der heiligen Mutter Gottes und Jungfrau
Maria und dem heiligen Johannes dem Evangelisten zum Besten des Klosters
dargebracht hatte.
Imperator autem transito flumine venit Lubeke, et occurrit ei exercitus
Sclavorum et Holtsatorum. Waldemarus quoque rex Danorum cum multa
classe venit ad ostium Travene, et obsessa est civitas terra marique. In
civitate vero erant Simon comes de Tekeneburg et Bernardus comes de Aldenburg
et equivocus eius comes de Wilepe cum Marcrado prefecto Holzatorum
et Emecone de Nemore cum quibusdam Holzatis strenuissimis et multitudine
infinita civium. Rex vero Waldemarus cum multo comitatu veniens in presentiam
imperatoris, cum magna iactantia glorie sue ei se exhibuit et filiam suam
filio ipsius, duci videlicet Suevie, desponsavit, et episcoporum iuramentis
firmata sunt sacramenta coniugalia.
In ipso autem tempore obsidionis domnus Heinricus episcopus in civitate constitutus
erat, quem adierunt burgenses dicentes: Rogamus sanctitatem tuam, reverendissime
patrum, ut ad domnum imperatorem exeatis et ei verbis nostris dicatis:
"Domine, servi vestri sumus, imperatorie maiestati vestre servire parati
sumus; sed quid commisimus, quod tanta obsidione a vobis conclusi sumus?
Civitatem istam hactenus ex munificentia domini nostri Heinrici ducis possidemus,
quam etiam ad honorem Dei et robur christianitatis in loco hoc horroris
et vaste solitudinis edificavimus, in qua ut speramus nunc habitatio Dei,
sed prius per errorem gentilitatis sedes Sathane fuit. Hanc igitur
in manus vestras non trademus, sed eius libertatem viribus et armis,
quantum possumus, constantissime tuebimur. Hoc tamen rogamus apud magnificentiam
vestram, ut data occasione pacis, eamus ad dominum nostrum ducem, percunctaturi
ab eo, quid sit faciendum, qualiter vel nobis vel civitati nostre
in presenti necessitate sit consulendum. Qui si liberationem nobis promiserit,
iustum est, ut civitatem ei servemus; sin autem, quod placitum est in oculis
vestris faciemus. Quod si facere nolueritis, sciatis, omnes nos pro
defensione civitatis nostre magis optare honeste mori, quam fidei violatores
inhoneste vivere."
Episcopus ergo veniens ad imperatorem hec diligentissime peroravit.
Monuit etiam imperatorem, ut memor consanguinitatis et servitii, quod
sepius ei dux magnifice exhibuerat, patientiam haberet in nepotem suum ducem.
Imperator vero, gaudens de adventu domni episcopi, quia pro fama bone opinionis
eum diligebat et libenter audiebat, sic ait ad ipsum: Multum quidem gaudemus
de adventu vestro, episcoporum amantissime, et admodum gratum habemus
vestro frui adspectu simul et colloquio. Sed quod cives vestri arrogantiam
verborum nobis offerunt et quod civitatem nostram ultro nobis non aperiunt,
credimus, quod nec vobis, nec alicui, qui sane mentis esse dinoscitur, iustum
videatur. Fatemur quidem, hanc largitate nostre munificentie quandoque
nepotis nostri fuisse; sed ex quo ille propter suam contumaciam decreto omnium
principum publicam proscriptionem meruit, iustissime hec nostro possidetur
titulo, cum etiam quivis pontificum sua receperit, que idem stabili tenuerat
beneficio. Et nunc quidem valet manus nostra eis reddere, quod meruerunt.
Sed quia nos censura iustitie omnibus magis patientiam exhibere oportet
quam vindictam, ecce in hoc etiam eis consentimus, ut, sicut postulant,
eant ad dominum suum et cum eo de statu suo conferant, unum scientes, si
in redeundo civitatem nobis non aperuerint, graviorem de hac mora sentient
ultionem. Quod autem dicitis, ut patientiam habeamus nepotis nostri ducis,
sciatis, quod mira patientia et multa clementia erga illum semper usi
fuimus. Unde in superbiam elatus, gratiam quam invenerat in vacuum
recepit, immo nec ipsam Dei gratiam circa se exuberantem, ut debuit,
recognovit. Quapropter sciatis eum a Deo humiliatum, quia tam prepotentis
viri deiectio non nostre virtutis est operatio, sed magis Dei omnipotentis
dispensatio.
Episcopus ergo reversus in civitatem, civibus que audierat nunciavit. Qui
sine mora, accepto conductu, abierunt Stadium, ubi erat dux. Imperator vero
considerans invaletudinem episcopi, quia crebris accendebatur febribus,
quibus etiam usque in finem laborabat, misit ad eum physicum suum, ut
potionibus suis debilitati eius corporis subveniret. Post aliquot autem
dies burgenses reversi cum Gunzelino comite, ex precepto ducis civitatem
in manu eius tradiderunt. Verum priusquam ei civitatem aperuissent,
exierunt ad eum rogantes, ut libertatem civitatis, quam a duce prius traditam
habuerant, obtinerent et iustitias, quas in privilegiis scriptas habebant,
secundum iura Sosatie et terminos quos in pascuis, silvis, fluviis possederant
ipsius auctoritate et munificentia possiderent. Imperator vero annuit petitioni
eorum et non solum ista confirmavit, verum etiam quicquid a duce de
theloneo ad stipendia canonicorum in Lubeka vel in Racesburg deputatum fuerat
ratum iudicavit; comiti autem Adolfo edietatem tributorum totius civitatis
de theloneis, de molendinis, de trapezetis in beneficio dedit, tum quia multum
imperio servierat, tum quia propter ipsum ad tempus exulaverat. Et ita ingrediens
civitatem magnifice susceptus est cum hymnis et laudibus Dei, tripudiante
clero et omni populo. Abbas autem monasterii sancte Dei genitricis Marie
sanctique Iohannis ewangeliste, veniens in presentiam ipsius, suscepit de
manu eius curtes quas in civitate habebat et agros quosdam in campo eiusdem
civitatis, mediante domno Heinrico episcopo, qui easdem curtes et agros denariis
suis emerat et beate Dei genitrici Marie sanctoque Ioanni ewangeliste in eodem
monasterio optulerat.