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Gebietiger

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bde. [in 32 Teilbänden]. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960. -- Quellenverzeichnis 1971.
GEBIETIGER, m. ältere nebenform zu gebieter (s. 2).

21:07 15.06.2008s der deutsche name für comtur war (s. komtur), das man mit commendator vermengte; auch gebiet als gebietsgewalt und bezirk ist im ordenslande früh, vielleicht zuerst entwickelt:

und dô in disen swêrin (schwerer lage) mit sînen gebîtegêrin der meistir sus betrûbit sa? ... JEROSCHIN 133a,

wechselnd mit comentûr, cometûr, comtûr z. b. 131 ff., d. h. dem ein commende übergeben, anbefohlen ist, die deutsch gebît hiesz; der meister und seine gebîtegêr auch in WIGANDS VON MARBURG reimchr. vom ordenslande, s. Germ. 12, 200 fg.; also bat sie der her homeister .. das si im welten eine zit geben .. uf das er mechte sine gebietiger beschicken (zur beratung). scr. rer. pruss. 4, 163; das der heiligen kirchen rechte von den gebietigern und deren anwalden gehindert werden. WAISSEL chron. 1539 161a; der hochmeister mit sechs gebietigern. HIPPEL 11, 410; im orden war zwischen dem hochmeister und gebietigern fast beständig zank. 422. auch im Johanniterorden: meister unde gepietger des huses sant Anthonies zu Gronnenberg. LENNEP landsiedelrecht, cod. prob. s. 52, vom j. 1490; meister und gemeine gebietiger. meklenb. jahrb. 9, 278, vom j. 1553. nd. gebedeger SCH. u. L. 2, 18b, z. b.: en gebedeger des ordens S. Johannis baptisten von Rodys. Lüb. chr. 2, 416.

2) es erscheint auch daneben einmal gebieter, anderseits bietiger (ADELUNG), z. b.:

und dô der meistir irkande (erfuhr) und mit im dî gebîtêr dise manicvaldin mêr. JEROSCHIN 133b.

ebenso mnd. bêder, wie bêden für hochd. gebieten: broder H. v. W., meister und ein ghemeine beeder (d. h. die gebieter insgesamt, s. sp. 1290 c) des ordens S. Johanneses. Braunschw. urk. I, 59, 25, SCH. u. L. 1, 169a, wie bêdeger das. für das seltnere

Bd. 4, Sp. 1767

gebêdeger, vgl. FRISCH 1, 95c ghemeine biedeger. ein gebietigen als erweiterung von gebieten ist nicht verzeichnet, doch wahrscheinlich; vgl. befehligen, befehliger, wo die erweiterung doch in befelch als eigentlicher form von befehl ihren anlasz hat. s. auch gebietig.

3) einzeln auch in allgemeinem sinne für gebieter: wir haben mehr gebitiger und vorsteher, als kirchen, mehr hauptleute als soldaten. BUTSCHKY kanz. 824; es kam der zorn der Juno, wie sie an Aeolus bittweise sich wendet und dem gebietiger von wind und sturm die schönste ihrer nymphen verspricht, wenn er der Troer schiffe verderben wolle. SCHEFFEL Ekkeh. 84 (95).


Die Stadt Kulm (Chelmo)

Auf dem rechten Hochufer der Weichsel an wichtigem, vorher bereits besiedeltem (masov. Burg?) Flußübergang wurde K. vom Dt. Orden 1232 gegr., erhielt am 18. Dez. 1233 das am Magdeburger Stadtrecht orientierte Privileg (Kulmer Handfeste), das in gleicher Weise auch für das weichselaufwärts gelegene Thorn galt. Auf Grund der Bedeutung dieses (Siedlungs-)Rechtes wurde das zwölfköpfige Schöffenkollegium von K. zur Auslegungsinstanz; K., einer der wichtigsten Stützpunkte des Ordens bei der zunächst der Weichsel folgenden Erschließung Preußens, spielte deshalb später ztw. die inoffizielle Rolle einer Hauptstadt des Preußenlandes. Neben Thorn hatte es die erste Münzstätte. Die vom Dt. Orden 1233 ausgestattete Pfarrkirche St. Marien wurde Anfang des 14. Jh als got. dreischiffiger Hallenbau in Stein errichtet. Der Orden hatte mit der Gründung am äußersten SW-Hang der Stadt das Ordenshaus mit Wehrturm angelegt, beide Gebäude wurden später in das K.er Zisterzienserinnenkl. einbezogen. 1228-38 ließ sich der Dominikanerorden in Preußen nieder, der wenig später die Kirche St. Peter und Paul errichtete. 1258 folgte das Franziskanerkl. Das Rathaus wurde inmitten eines weiträumigen Marktplatzes errichtet. Im Laufe des 14. Jh. wurde die Stadt mit einer steinernen, mit 30 Türmen bewehrten Stadtmauer umgeben. Die 1397 von Papst Urban IV. auf Wunsch des Dt. Ordens gewährte Errichtung einer Univ. nach Bologneser Vorbild kam wegen der polit. und krieger. Verhältnisse des frühen 15. Jh. über Planung und rechtl. Grundlegung nicht hinaus. Vor den Mauern der Handelsstadt entstanden Siedlungen, deren Rechtscharakter als Vorstädte mit vorwiegend einheim. Bevölkerung nicht völlig erwiesen ist. Mitte des 15. Jh. wird die Gesamtbevölkerung auf ca. 15000 Einw. geschätzt. Der Wohlstand der Stadt, der sich in den baul. Anlagen spiegelt, beruhte auf (Fern-)Handel und Weichselschiffahrt. Zeugnis der Handelstätigkeit ist das um 1400 entstandene engl. Packhaus am Markt (1779 abgebrochen), neben dem es ein holl. und ein dän. gab. K.s Bedeutung kam auch darin zum Ausdruck, daß ztw. die K.er Bürgermeister, unter diesen namentl. Ertmar v. Herken, allein die Interessen der Preuß. Städte auf den Hansetagen vertraten. Durch den Aufstieg Danzigs zur wirtschaftl. bedeutendsten preuß. Stadt stagnierte der seegerichtete Handel K.s. 1437 verließ K. die Hanse. Im dreizehnjährigen Städtekrieg ab 1453 wurde K.s Wohlstand zerrüttet; es verlor die Bedeutung als Oberhof für die preuß. Gerichtszüge. Im Ständekrieg (1453-66) eroberte der Söldnerführer Bernhard v. Zinnenberg das ordenstreue K. 1458 und richtete dort sowie im weiteren Pfandbesitz Althaus (Burg K.-Althaus 1232) und Strasburg eine bis 1478 währende eigene Herrschaft ein. Nach einem rechtl. Schwebezustand gelangte 1479 K. an die Krone Polen, 1505 durch Schenkung an den Bf. v. K. Während der wirren Zeitläufte wurde die Einw.schaft dezimiert. Sie konnte nach 1466 auch nicht als Bürgerschaft auf den städt. Hofstellen wieder aufgefüllt werden. Von der ztw. bedeutenden Rolle K.s, das dem Landstrich rechts zw. Thorn und Graudenz den Namen "Kulmer Land" gab, zeugen die sieben Stadtbücher - für eine Stadt dieser Größenordnung im O eine reiche Überlieferung.

K. hatte seit dem ausgehenden 14. Jh. außer den vorstädt. Siedlungen von der Stadtanlage weichselabwärts (ca. 15 km) ein ausgedehntes Stadtgebiet mit einer Reihe von Stadtdörfern, wie Neuendorf, Venedy, Koln, Podegest, Lunau, Gogelin, Steinweg und Schöneich, die dem Schöffenkollegium vor den Mauern unterstanden.

Lexikon des Mittelalters, Verlag J.B. Metzler, Vol. 5, Col. 1562-1563


Kulmer Handfeste (Dez. 1232)

In der Kulmer Handfeste gewährte der Orden den Bürgern von Kulm und Thorn das Recht auf freie Wahl von Richtern, die allerdings dem Orden und der Gemeinde unterstehen sollten, und die niedere Gerichtsbarkeit mit einem Anteil von einem Drittel an den Gerichtsbußen. Beide Städte erhielten ein umfangreiches Landgebiet und eine großzügige Ausstattung für ihre Pfarreien; außerdem wurde ihnen das Magdeburger Recht mit günstigeren Sätzen für die Bußgelder übertragen. Kulm sollte dafür - vielleicht in Anknüpfung an die zentrale Funktion der alten Kulmer Burg - als Haupstadt fungieren. d.h. seine Ratsherren sollten Anfragen zur städitschen Gerichtsbarkeit beantworten und Zweifel klären.

Weitere Bestimmungen der Kulmer Handfeste regelten die Ausübung von Harrschaftsrechten, insbesondere Fährabgaben, Boden- und Wasserrechte sowie Erbfolgefragen und die Kriegsdienstverpflichtungen, Abgaben und Dienste der Besitzer von Landgütern. Der Orden versprach, ihm zugefallene Häuser in den Städten nur so zu nutzen wie die anderen Bürger, übernahm die flämische Hufe (16 ha) als Maßeinheit für den Grundbesitz und befreite das Land von Zollzahlungen. Zudem wurde festgelegt, dass nur ein << eine Münze, die Kulmer, im Land umlaufen soll und dass die Pfennige aus reinem und lauterem Silber gerpägt werden solle >> (Kisch, Forschungen 2, 123). Deutlich günstiger als im Westen waren auch die << Wechselkurse >> beim Umtausch von alten in neue Münzen bei einer relativ seltenen, auf alle zehn Jahre beschränkten Erneuerung der Prägung.

Der allgemeine Anspruch der verliehenen Rechte ließ die Kulmer Handfeste zur Grundlage für das Kulmer Recht werden, das bald für alle vom Orden gegründeten Siedlungen verbindlich wurde. Ausnahmen bilden nur die an der Küste gelegenen Städte Elbing und Braunsberg, die beine Lübisches Recht erhielten."

Sarnowsky, Jürgen: der Deutsche Orden. München 2007 S.38 f.


Des Bistum Kulm

Das Bm. K. mit dem Sprengel zw. Weichsel, Drewenz und Ossa wurde 1243 neben den drei anderen Diöz. des Deutschordenslandes (Pomesanien, Ermland, Samland) durch den päpstl. Legaten Wilhelm v. Modena errichtet. Der erste Bf. Heidenreich (1245ff.) gründete 1251 das Domkapitel als Augustiner-Chorherren-Stift, das bei der Kathedralkirche in Kulmsee residierte, während der Bf. später in der Regel als Sitz Löbau vorzog. 1264 wurden Bm. und Kapitel dem Dt. Orden inkorporiert, allerdings behielt sich die Kurie das Provisionsrecht vor, von dem sie im 14. und 15. Jh. Gebrauch machte. 1245/55 wurde das Bm. in die Kirchenprov. Livland/Riga eingegliedert (bis 1466). Nach dem Zweiten ?Thorner Frieden gehörte K. als Säkularbm., dessen Bf.e der poln. Kg. unter Wegfall des Wahlrechtes des Domkapitels einsetzte, zur Kirchenprov. Gnesen.

C.A. Lückerath _ Lexikon des Mittelalters, Verlag J.B. Metzler, Vol. 5, Col. 1563-1564.


Ordensstruktur

1. Hochmeister
2. Deutschmeister
3. Livländischer Meister
4. Großgebietiger
4.1. Großkomtur
4.2. Oberster Marschall (Königsberg)
4.3. Oberster Spittler (Elbing)
4.4. Oberster Trappier (Christburg)
4.5. Tressler
5. Komture
6. Vögte, Pfleger
7. Waldmeister, Fischmeister, Mühlmeister
8. Pfundmeister, Mündemeister, Großschäffer
9. Hauskomtur, Hausämter


Pfundzoll in Preußen

Ursprünglich von der Hanse 1361 eingeführter Zoll auf Waren und Schiffe, nach 1395 in Preußen durch die Städte erhoben und allmählich in die Kontrolle des Ordens gekommen. Seit 1403 amtierte in Danzig ein Pfundmeister des Ordens, der den Zoll (später) zusammen mit einem Mündemeister und Ratsherren der preußischen Städte einzog. 1403-1409 erhielt der Orden ein Drittel der Einkünfte, 1411-1421 zwei Drittel, 1423-1440 die gesamten Einnahmen, seit 1443 wieder zwei Drittel. Die Erhebung des Pfundzolls führte so immer wieder zu Konflikten zwischen dem Orden und den preußischen Städten, aber auch zwischen Preußen und den anderen Hansestädten.


Preußischer Bund

Ständischer Zusammenschluss im Ordensland Preußen, der Städte und Ritterschaft zur Wahrung ihrer Privilegien vereinte, gegründet am 13. März 1440 auf der Tagfahrt zu Marienwerder. Die ständischen Forderungen nach einem Richttag, Wahrung der ständischen Rechte und Einfluss auf die Außenpolitik des Deutschen Ordens wurden auf zahlreichen weiteren Ständetagen vorgebracht. Die Bemühungen des Ordens um eine Auflösung des P.B. setzten spätestens 1446 ein. Nach dem Verbot des Bundes durch Kaiser Friedrich III. im Dezember 1453 kam es zum Aufstand der Stände gegen den Orden, die sich am 4. Februar 1454 vom Orden lossagten. Mit dem Ständekrieg verlor der P.B. seine Bedeutung, einer seiner führenden Vertreter, Hans von Baysen, wurde erster Gubernator des Königlichen Preußen. Lit. Biskup, Der Preußische Bund


Die Stadt Thorn

Stadt an einer verkehrsgünstigen Stelle am rechten Ufer der unteren Weichsel, bereits seit dem 8. Jh. besiedelt. Als der Deutsche Orden 1231 die Weichsel überschritt, errichtete er seine befestigte Niederlassung zuerst an einem anderen, 6 km stromaufwärts gelegenen Platz (das spätere Dorf Alt-Thorn). Mit der Kulmer Handfeste wurden am 28. Dez. 1233 auch die Rechtsverhältnisse der neu gegründeten Stadt Thorn geregelt, die 1236 an die heutige Stelle verlegt wurde, wo man anfangs nur direkt am Fluß siedelte. 1251 wurde die Handfeste erneuert, etwas gleichzeitig dehnte sich die Siedlung nach Norden aus, die Deutschordensburg wurde im So der Stadtanlage am Weichselufer errichtet. 1264 gründete der Deutsche Orden ebenfalls nach Kulmer Recht eine Neustadt, die sich an die Ostseite von Altstadt und Burg anlehnte. Thorns Lage an einer wichtigen Wasserstraße und an der Grenze zu Polen begünstigte seine Entwicklung zum Hauptstützpunkt und Versorgungszentrum des Deutschen Ordens. Thorn wurde zur Drehscheibe im Warenverkehr (Kupfer, Wachs, Asche, Pech, Felle und Häute, Quecksilber, Eisen und flämische Tuche) zwischen seinem polnisch-slovakisch-ruthenischen Hinterland sowie Deutschland, Skandinavien, England, Flandern und den Niederlanden. Schon am Ende des 13. Jh. antraten die Kaufleute Thorns in der Hanse auf. Vertreter Thorns erschienen 1347 in der Satzung des brügger Kontors als Alderleute. Thorns repräsentierte ebenso wie Elbing die preußischen Hansestädte und war Mitglied der Kölner Konföderation, dem gegen Dänemark gerichteten Kriegsbündnis. Doch in den folgenden Jahren dominierte Danzig. Gleichzeitig entwickelte sich Thorn zu einem lokalen Marktort und Handwerkszentrum. Die städtische Oberschicht setzte sich aus westfälischen, rheinländischen und schlesischen Einwanderern zusammen. Die unteren Bevölkerungsschichten stammten überwiegend aus dem Umland. Am Anfang des 15. Jh. hatte Thorn einschließlich der Vorstädte ca. 11 000 Einwohner. 1403 verlieh der Deutsche Orden das Stapelrecht als Schutzmaßnahme gegen die Konkurrenz der polnischen Städte. In der ersten hälfte des 15. Jh., waren Getreide und Holz für den Export von Bedeutung. Negativ wirkten sich die Kriege des Deutschen Ordens mit Polen (1409-35) auf den Handel Thorns mit dem Hinterland aus. Nach dem 1. Thorner Frieden spielte die Stadt eine wichtige Rolle in der Ständeopposition gegen den Deutschen Orden. Hier hatte der 1453 3 einberufene heimliche Rat des Preußischen Bundes seinen Sitz, und der Aufstand gegen die Ordensherrschaft begann mit der Erstürmung der Thorner Ordensburg (6. Feb. 1454), die nach der Eroberung abgerissen wurde. Nach der Einverleibung der Neustadt in die Altstadt am 8. März erhielt Thorn eine einheitliche Verwaltung, die Neustadt behielt nur das Schöffengericht. Thorn huldigte am 28. März 1454 dem polnischen König Kasimir IV und erhielt Privilegien (1454, 1457), die unter anderem die Zerstörung der konkurrierenden Stadt Neissau auf dem gegenüberliegenden Weichselufer versprachen. Der mit dem 2. Thorner Frieden 1466 endete der Dreizehnjährige krieg schwächte Thorn finanziell und wirtschaftlich.

(Z.H. Nowak Thorn in LexMA? 8 732f.)


Der Zungenstreit im Deutschen Orden

In den geistlichen Ritterorden ist grundsätzlich zwischen Herkunfts- und Einsatzgebieten zu unterscheiden. Die Brüder aus verschiedenen Herkunftsregionen fanden sich mindestens zeitweilig in eigenen Interessengruppen zusammen. Ausgehend von Versuchen des Hochmeisters Heinrich von Plauen, seinen Einfluss im livländischen Ordenszweig über die Berufung der Landmeister zu stärken, bildeten sich dort die Parteien der Rheinländer und der Westfalen. In Preußen führten die Spannungen zwischen Hochmeister, Deutschmeister und livländischem Meister um 1440 zur Bildung einer "oberdeutschen" und einer "rheinischen" oder "niederdeutschen" Zunge, die aber nach dem Ende des "Aufstands" der Konvente kaum noch eine Rolle spielten.