Forschungsgeschichte und Forschungsstand

Erich Maschke, Die Schäffer und Lieger des Deutschen Ordens in Preußen, in: Domus Hospitalis Theutonicorum. Europäische Verbindungslinien der Deutschordensgeschichte. Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1931-1963, hg. K. Wieser, U. Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 10), Bonn-Godesberg 1970, S. 69-103.

Klöster haben von jeher Handel mit ihren Überschüssen betrieben. Auch die Ritterorden handelten, am Anfang um sich im heiligen Land mit den benötigten Dingen zu versorgen. 1294 werden zum ersten Mal Güter des Deutschen Ordens aus Preußen im Ausland erwähnt, nämlich in Kopenhagen. Durch das prosperierende Ordensland im 14. Jahrhundert und durch den Beitritt der preußischen Städte in die Hanse wurde der Orden, so Maschke, „zum größten Fernhändler des hansischen Wirtschaftsbereiches“ (S. 72). Die Handelsorganisation des Ordens bildete sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts heraus und war zum Zeitpunkt der ältesten überlieferten Handelsabrechnungen 1356/57 bereits voll entwickelt. Hierbei wurde nicht immer nur eingekauft, um lediglich den Bedarf der Brüder zu decken. Der Handel des Ordens wurde von Großschäffern, Schäffern, Liegern bzw. Dienern und Wirten betrieben.

Im Orden hat es zu Anfang noch keine Beamten für den Handel gegeben. Erst in den Gesetzen Werner von Orselns (1324-30) werden die Schäffer erwähnt. Schäffer waren Beamten eines Konventshauses, die für die Versorgung des Konvents mit allem Notwendigen und den Verkauf von Überschüssen zuständig waren. In Marienburg und Königsberg gab es Großschäffer, die durch ihre größere Bedeutung für den Außenhandel des Ordens eine hervorgehobenere Stellung bekleideten als andere Schäffer. Der Großschäffer von Königsberg war für den Bersteinexport zuständig, auf welchen der Orden ein Monopol hatte. Der Großschäffer von Marienburg exportierte das Getreide des Ordens. „So bestand für den Exporthandel nach Westen eine weitgehende Arbeitsteilung, während beide Großschäffer die gleichen Waren, besonders Tuche, aus dem Westen importierten“ (76). Schäffer durften, wie auch die Fischmeister, kaufen und verkaufen, ohne einer besonderen Genehmigung zu bedürfen. Einige der Großschäffer, welche der Deutsche Orden einsetzte, stammten ursprünglich aus dem städtischen Patriziat und waren oftmals auch schon vorher handelstechnisch für den Deutschen Orden tätig gewesen. Dass diese Männer in den Orden aufgenommen wurden und in den Posten eines Großschäffers aufstiegen, spricht nach 1410 dafür, dass der Hochmeister damit einen „Ausgleich zwischen der Ordensherrschaft und den unter dem Eindruck der Niederlage von Tannenberg 1410 abgefallenen Ständen zu schaffen suchte.“ (81) Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass der Orden in diesem Zusammenhang den entsprechenden Patriziern/Brüdern alte Schulden erließ. Aber auch vor 1410 gab es bereits Großschäffer aus dem städtischen Patriziat.

Aufschlussreich ist der Fall des Großschäffers Hans Reppin. Auf Grund von Betrügereien seines Liegers (Erklärung des Begriffs erfolgt weiter unten) begab sich der Großschäffer 1445 nach Brügge, wo er an Stelle des flüchtigen Liegers verhaftet wurde. Erst zwei Jahre später wurde er freigelassen. Auf Grund seiner Sonderstellung als Geistlicher aber durfte er nicht nach weltlichem Schuldrecht verurteilt werden. Diese Episode „ist aufschlußreich für die Sonderstellung des Ordens als eines kaufmännischen Unternehmers. Wie er sich als Landesherr Preußens durch seine wirtschaftspolitischen Verordnungen einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz der preußischen Kaufleute sicherte, so konnten seine Großschäffer sich als Angehörige einer geistlichen Körperschaft dem strengen Schuldrecht jener zeit vor einem weltlichen Gericht entziehen, während sie an allen Privilegien der weltlichen Kaufleute teilzuhaben suchten.“ (84)

Aus dem städtischen Patriziat traten im Vergleich zum ländlichen Adel viele Personen in den Orden ein und bekleideten Ämter. Dies war ihnen jedoch nur als Sarjantenbrüdern, als sogenannte Graumänntler, möglich. Sie konnten Hausämter im Orden bekleiden, aber in der Hierarchie nicht weiter aufsteigen. Dies war nur Ritterbrüdern vorbehalten. Der Orden war also bereit, Mitglieder der städtischen Oberschicht zu integrieren und diese stellten ihre kaufmännische Erfahrung, die sie meistens bereits als Lieger für den Orden erworben und unter Beweis gestellt hatten, dem Orden zur Verfügung.

Die Großschäffer reisten auch umher, führten Verhandlungen und schlossen Verträge ab, weshalb sie des Lesens und Schreibens mächtig zu sein hatten. Des Weiteren gehörte neben dem Außenhandel auch die Reederei in ihr Betätigungsfeld sowie gewerbliche Unternehmen, Darlehens- und Immobiliengeschäfte, die oftmals durch Schuldner in ihren Aufgabenbereich vielen. Die Großschäffer gehörten meistens dem niederen Adel an, bevorzugt aus den Regionen, in denen der Orden stärker begütert war und den größeren Anteil seines Nachwuchses bekam.

Der Orden intensivierte seine Verbindungen zu den preußischen Städten, indem seine Lieger, Diener und Wirte aus den Städten stammten. Lieger waren in den wichtigen Zentren des Handels stationiert und tätigten dort Handel für den Orden. Diener sorgten für die Auslandsreisen zwecks Handels und waren oftmals mit den Liegern identisch. Da die Lieger und Diener meistens den preußisch-hansischen Kaufmannsschichten entstammten, konnte der Orden durch sie von den hansischen Rechten auch dort profitieren, etwa in Nowgorod, wo dem Orden die hansischen Privilegien verweigert wurden. Selbst bis in die 30er Jahre des 15. Jahrhunderts hatte beispielsweise der Marienburger Großschäffer Lieger bzw. Diener in England und Schottland, obwohl die Blütezeit des Ordenshandels vorbei war. Wirte hingegen waren in kleineren Städten ansässig und hatten einen eingeschränkten Geschäftsbereich.

Die Kaufleute bekamen von dem Orden zahlreiche Anreize, für ihn tätig zu werden. Die Lieger bekamen meistens eine jährliche Bezahlung, wodurch sie die Position eines Faktors einnahmen und sich als Kommissionäre betätigten. Die Großschäffer gingen gleichberechtigte Partnerschaften mit ihnen ein und beteiligten sie zu gleichen Teilen an Gewinn und Verlust. Des Weiteren erhielten sie von den Großschäffern zinslose Darlehen und der Orden handelte mit ihnen, wenn sie auf eigene Rechnung Waren kauften und verkauften. Dass oftmals mehrere Mitglieder einer Familie, auch generationenübergreifend, für den Orden tätig waren, verdeutlicht, dass die Arbeit für den Orden ein lohnenswertes Geschäft darstellte.

„Die kaufmännische Betätigung von Männern der führenden bürgerlichen Schicht des Preußenlandes im Eigenhandel des Ordens hatte gewiß auch eine politische Bedeutung. sie schuf eine Fülle von persönlichen Beziehungen im Bereiche der Wirtschaft, insbesondere des Fernhandels, der diesem Bürgertum höchst vertraut war, zu dem aber auch der Orden trotz der ganz anderen Herkunft seiner Ritterbrüder einen Zugang gefunden hatte.“ (101) Die Lieger und Diener „hatten gewiß nicht die Vorstellung, daß sie damit sich selbst oder dem Handel ihrer Städte eine bedrohliche Konkurrenz machten“ (100). Proteste gegenüber dem Ordenshandel, wie sie besonders nach der Schlacht von Tannenberg vermehrt auftreten, richteten sich folglich nicht gegen den Ordenshandel als solchen, sondern dagegen, dass der Orden seine Stellung als Landesherr ausnutzte, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Die Beschwerden richteten sich im weiteren Verlauf auch gegen die Großschäffer, die nach Meinung der Städte eine Getreidehandelspolitik betrieben, die nur noch für den Orden von Vorteil war.

Die Gewinne und Umsätze des Ordens hatten seit der Niederlage 1410 stark abgenommen. 1451 wird zum letzten Mal ein Großschäffer erwähnt. Im Krieg gingen dann die preußischen Städte, in denen der Orden Lieger hatte, für diesen verloren.

Zu Beginn des Ordenshandels hatte der Orden mit Mitgliedern der städtischen Oberschicht zum beiderseitigen Vorteil zusammengearbeitet. Nahmen die guten Beziehungen teilweise schon zum Ende des 14. Jahrhunderts ab, wurden sie nach der Niederlage bei Tannenberg 1410 wohl nach und nach zerstört. Nach Maschkes Meinung empfanden die Städte, deren Handel selbst unter der Depression litt, den Handel des Ordens als Konkurrenz und beklagten vor allem die Wettbewerbsverzerrung, die sich der Orden durch die Ausnutzung seiner Stellung als Landesherr verschaffte. Dies sei für den Abfall der Städte mitverantwortlich gewesen.