Forschungsgeschichte und Forschungsstand

Karol Gorski, Die Anfänge der ständischen Vertretung der Ritterschaft im Ordensland Preußen im 15. Jahrhundert, in: Der Deutschordensstaat Preussen in der polnischen Geschichtsschreibung der Gegenwart, hg. U. Arnold, M. Biskup (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 30), Marburg 1982, S. 218-36. (Signatur: hil 589 3k 1 OST)

Die ersten Anfänge einer ständischen Vertretung im Ordensland gab es bereits im 13. Jahrhundert, als der Orden Versammlungen einberief, bei denen Vertreter der Stände anwesend waren. Auch Schöffengerichte wurden den Ständen überlassen. In der Kulmer Handfeste sind sie für die Städte erwähnt, Landschöffengerichte gab es vermutlich relativ früh in Pomesanien und Pomerellen, im Kulmerland wohl erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Im 15. Jahrhundert wurden auf den Gerichtstagen auch politische Angelegenheiten entschieden, wodurch diese „den Charakter von Ständeberatungen annahmen“ (225). Richter und Schöffen waren diejenigen aus der Ritterschaft, die bevorzugt zu den Ständetagen entsandt wurden, wobei diese oftmals gute Beziehungen zu dem Orden pflegten, was nicht zuletzt durch Bestechungen erreicht wurde.

Seit 1335 fanden vom Orden bewilligte Tagungen statt, an denen Vertreter der preußischen Hansestädte teilnahmen. Vertreter der Städte und ausgewählte Ritter partizipierten auch an der Gesetzgebung für das Land wie etwa 1380, 1394 und 1408. Vor der Niederlage von Tannenberg wurden die Stände zunehmend aktiver. Auf dem Huldigungstag von 1408 beschwerten sie sich über die Verletzungen des Kornausfuhrverbots, die Verlängerung von Gerichtsverfahren durch Berufung an den Hochmeister, hochmeisterliche Einmischung in Prozesse, das Vorkaufsrecht der Ordensbrüder, Probleme des Fischereirechts und die Getreidemahlgebühren. Dies waren allerdings noch keine politischen Forderungen, sondern lediglich Beschwerden, die vom Orden nicht umgesetzt werden mussten, wodurch die Schwäche der Stände deutlich wird. Die Städte selbst wurden seit 1233 von Räten regiert, die der Orden oftmals durch Bestechung oder Druck zu beeinflussen suchte. Nach der Niederlage bei Tannenberg, als der Orden auf die finanzielle Unterstützung der Städte angewiesen war, trat dies noch deutlicher hervor. Dafür nahm der Orden auf Grund von Personalmangel seltener an den Landgerichten teil, wodurch deren freie Meinungsäußerung gefördert wurde.

Nach 1408, als dem Orden zum ersten Mal Forderungen von dem Huldigungstag unterbreitet wurden, wurden diese Forderungen in den folgenden Jahren oftmals wiederholt. Nach der Schlacht von Tannenberg wurde Heinrich von Plauen Hochmeister. Er betrieb eine rücksichtslose Politik der Repressionen gegenüber denjenigen, die sich für Polen aussprachen. Den Rat Thorns löste er auf und in Danzig ließ er zwei Bürgermeister und ein Ratsmitglied hinrichten. Zur selben Zeit aber bildete er einen Landesrat von 32 Ritter und 16 Bürgern, der eine erste berufene Ständevertretung in Preußen darstellte. Diese überdauerte das Ende der Herrschaft von von Plauen 1413 nicht, der vorher noch hohe Steuern durchgesetzt hatte. Dem neuen Hochmeister wurden wiederum Forderungen von den Ständen vorgelegt. Sie verlangen Frieden und Sicherheit, das Vorgehen gegen Gesetzeswidrigkeiten und die Verhinderung von willkürlichen Gewaltakten des Hochmeisters. Sie forderten Änderungen in der Rechtssprechung und die Abschaffung des Pfundzolls sowie weitere Wirtschaftsangelegenheiten. Mit den Forderungen nach Immunität der Abgeordneten auf den Tagungen, der Bestätigung von Privilegien und der Aufnahme von ausschließlich Einheimischen zum Dienst als Hochmeister stellten die Stände zum ersten Mal auch politische Forderungen. Von den 25 Forderungen akzeptierte der Hochmeister 15, allerdings ohne schriftliche Bestätigung. Der Erfolg war also geringer Natur, der Amtsmissbrauch ging weiter, was aus den wiederholten Klagen danach deutlich wird. Paul von Rusdorf, der 1422 gewählt wurde, übernahm die Artikel von 1414, bestätigte sie allerdings auch nicht schriftlich und erfüllte keine der Forderungen. 1423 führte er beispielsweise den Pfundzoll wieder ein, der 1421 abgeschafft worden war, außerdem traf er Entscheidungen Krieg, Frieden und Außenpolitik betreffend ohne die Einbeziehung der Stände. 1425 leitete er jedoch eine Untersuchung ein, die sich mit dem Amtsmissbrauch beschäftigen sollte und versuchte anschließend 1427, den Orden zu reformieren. 1430 forderten die Städte, dass der Hochmeisterrat wieder eingeführt werden sollte, mit Beteiligung der Stände. Dieser sollte auch bei Klagen gegen Ordensbeamte als oberstes Gericht fungieren. 1433 und 1434 tagte er zweimal, ohne ein Urteil zu verkünden. Der Orden war nicht bereit, seine geistlichen Brüder von einem weltlichen Ständegericht verurteilen zu lassen. Von 1411 bis 1432 zeigten die Stände keine nennenswerten Erfolge gegen den Amtsmissbrauch.

Ab 1430 drang eine neue Generation an die Spitze der Stände vor, die in Opposition zu dem Orden trat. 1433 erzwang sie einen Waffenstillstand mit Polen und als der Orden diesen 1435 brechen wollte, sprachen die Stände sogar davon, sich einen neuen Hochmeister zu suchen. Alle Einschüchterungsversuche seitens des Ordens scheiterten, so dass er Orden erneut einen Waffenstillstand mit Polen unterzeichnen musste. Die Stände waren der Ansicht, dass sie im Falle eines ungerechten Krieges nicht zum Gehorsam verpflichtet waren. Außerdem erstarkte ab 1435 in ganz Europa ein Widerstand gegen Amtsmissbrauch. Daher ist die Gründung des Preußischen Bundes 1440 keine einmalige Erscheinung in Europa zu der Zeit. Passiven Widerstand gegen den Orden hatte es auch vorher schon gegeben, wie etwa 1420, als sich die Thorner geweigert hatten, beim Löschen der brennenden Ordensburg zu helfen, aber erst seit ca. 1432 entstand bei den Ständen das Bewusstsein dafür, eine Repräsentation des Landes und somit mitverantwortlich zu sein. Dies stützte sich auf die wirtschaftliche Entwicklung und den wachsenden Wohlstand, der es erlaubte, sich mit öffentlichen Angelegenheiten auseinander zu setzen, ohne das Wohlergehen der Familie zu gefährden. Dies liegt darin begründet, dass die Ritterschaft in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts von dem Kornexport profitierte und dass die Händler und Handwerker dann auch bei den Bauern und nicht mehr nur bei den Rittern einen Absatzmarkt fanden.

Der Rat der Städte bestimmte, welche Personen er als Abgeordnete zu den Ständeversammlungen schickte. Die Abgeordneten der Ritter wurden auf einer Tagung gewählt, woran nicht nur die Schöffen beteiligt waren. Anschließend wurden die Vertreter mit Weisungen und Forderungen ausgestattet, die es ihnen erlaubten, auf Ständeversammlungen für ihren Herkunftsort zu entscheiden. „Auf diese Weise bildete sich in Preußen, und sicherlich auch in anderen Ländern, die communitas nobilium“. (236)