Forschungsgeschichte und Forschungsstand

Sven Ekdahl, Danzig und der deutsche Orden 1410. Die Ausschreitungen gegen die Ordenssöldner, in: Danzig in acht Jahrhunderten, hg. B. Jähnig, P. Letkemann (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens, 23), Münster 1985, S. 121-150. (Signatur: hil 271.8 dan 1c/1 REG)

"Die schweren Ausschreitungen gegen die Söldner des Deutschen Ordens in Danzig gehören zu den vielen unvorhergesehenen Ereignissen im Ordensland Preußen nach der verlorenen Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410." (121) In der Forschung wurde bisher davon ausgegangen, dass es in Danzig schon länger Tendenzen gegen den Orden gegeben hatte und erst nach der verlorenen Schlacht von Tannenberg zum Ausbruch kamen. Die Söldner wären hierbei unschuldige Opfer gewesen. Die hierzu analysierten Quellen waren bis dato drei Klagen des Ordens gegen die Stadt Danzig, zwei davon aus dem Jahre 1411 und ein sog. Zeugenbericht aus dem Jahre 1453, der im Zuge der Streitigkeiten um den preußischen Bund dem Kaiser vorgelegt worden war. Ekdahl untersucht diesen Vorfall erneut, im Lichte neu hinzugekommener Quellen.

Die Söldner wurden nicht, wie angenommen beim Eintreffen in der Stadt angegriffen, sondern beim Verlassen. Dies trug sich vermutlich im August 1410 zu. Die erste Anklage gegen Danzig ist in einem Schreiben des Hochmeisters an Lübeck 1411 überliefert. Dies geschah zu einer Zeit, als der Orden Steuer erheben musste, um die Reparationen nach der verlorenen Schlacht bezahlen zu können, welchen sich Danzig aber verweigerte. Als Konsequenz ließ der Hochmeister die Stadt von Wasser- und Landverkehr abriegeln und den Stapel nach Elbing verlegen. Um einem Eingreifen zu Gunsten Danzigs von Seiten anderer Hansestädte entgegenzuwirken, schrieb der Hochmeister besagten Brief. Die endgültige Unterwerfung Danzigs erfolgte nach der Ermordung der Bürgermeister und eines Ratsherren durch den Danziger Ordenskomtur. Der Hochmeister Heinrich von Plauen verteidigte diese Tat und verfasste 1411 eine Zusammenstellung von ordensseitigen Beschwerden gegen die Stadt Danzig, worin auch der Angriff auf die Söldner Erwähnung findet. In beiden Quellen werden Stadt und Bevölkerung als Ganzes angeklagt und der Eindruck erweckt, dass dies auf Veranlassung des Danziger Rates geschah. Der Zeugenbericht von 1453, der im Zuge der Verhandlung über den Preußischen Bund vor dem Kaiser selbigem vorgelegt wurde, um diesem Beweismaterial für die notwendige Auflösung des Bundes zuzuführen, steht an erster der in einem Folianten vorgebrachten Klagen des Ordens gegen die Stände. "Offenbar schien das Thema den Ordensjuristen propagandistisch so wertvoll, daß sie sich nicht mit den kurzgefaßten Klagen von 1411 begnügen wollten, sondern sich die Mühe gemacht hatten, vier Jahrzehnte nach den Ereignissen einen Augenzeugen ausfindig zu machen." (124) Dieser gehörte einer bekannten Danziger Familie an. Er berichtet, dass der Rat der Danziger eingriff, um die Söldner zu retten und anschließend Vereinbarungen mit den Söldnern traf. Dies erzählt er aber sehr vorsichtig, weil eine zu positive Darstellung des Rates gegen die Interessen des Ordens gegangen wäre. Das Schicksal der Söldner wird hingegen ausführlich beschrieben. Er spricht sie auch dem Vorwurf der Plünderung frei. Angeblich hätten sie "im Land nicht mal so viel geraubt, wie ein Huhn wert sei" (125). Auf diese Weise hat es der Zeuge vermieden, direkt zu eventuellen Plünderungen Stellung zu nehmen, was Ordensinteressen hätte verletzen können. Der Ablauf soll so gewesen sein, dass als die Söldner die Stadt verlassen mussten, weil die Danziger ihre Stadt dem polnischen König übergeben wollten, ein Geschrei aufkam, dass die Söldner plünderten. Daraufhin wurde die Ratsglocke geläutet, es kam zu einem Tumult unter den Bürgern und die Söldner, denen die Bürger habhaft werden konnten, wurden getötet, bis der Rat den Söldnern zur Hilfe kam. Die Söldner wandten sich an den Orden zwecks Entschädigung. Sogar noch im Jahre 1437 wurde ein Brief von Kaiser Sigmund an den Orden geschickt, in dem dem Orden nahe gelegt wurde, endlich einen getreuen Söldner des Kaisers zu entschädigen. 1420 wandte sich der Hochmeister Michael Küchmeister an die Danziger, Reparationen für einen Söldner betreffend, und bekam von den Danzigern eine freundliche Antwort. Dies lag daran, dass Küchmeister 1413 den alten Danziger Rat, der vorher abgesetzt worden war, wieder eingesetzt hatte und ihm diese daher zu Dank verpflichtet waren. "Zu den Leidtragenden bei dieser "friedlichen Koexistenz" gehörten die während der Ausschreitungen in Danzig 1410 geschädigten Söldner, denn sie wurden mit ihren Forderungen sowohl vom Danziger Rat aus auch vom Orden abgewiesen." (130)

In dem erwähnten Brief des Danziger Rates an den Hochmeister wird der Vorfall so geschildert, dass die von Tannenberg zurückkehrenden Söldner auf ihrem Weg nach Danzig bei den Bauern geplündert hätten. Als sie anschließend Danzig verlassen wollten, habe ein Bauer sein Pferd wieder erkannt, und als die Söldner die Herausgabe verweigerten, sei es zu dem Tumult gekommen, in den auch Städter auf Seiten der Bauern eingegriffen hätten. Der Rat selbst habe, sofort als er von dem Vorfall erfuhr, zum Schutze der Söldner eingegriffen, wobei tatsächlich offensichtlich geplünderte Besitztümer in den Reihen der Söldner vorgefunden wurden. Man habe die Söldner anschließend entschädigt (wenn man bedenkt, dass allein ein Söldnerführer Pferde und Besitz im Wert von über 500 Gulden verlor, ist eine Entschädigung von insgesamt 200 Gulden auf alle Söldner verteilt nicht gerade üppig) und die Anführer des Aufstandes hinrichten lassen.

Im Vergleich zu dem Zeugenbericht von 1453 wird in dem Schreiben des Danziger Rates hier die Mitschuld der Söldner betont, auch soll sich das Geschehen vor den Stadtmauern abgespielt haben und nicht innerhalb, außerdem ist von verwundeten Söldner nicht die Rede. Damit versucht der Rat, die Beteiligung der Danziger an den Ausschreitungen möglichst gering zu halten. Der Zeugenbericht erwähnt auch nicht, dass der Bauer sein Pferd wieder erkannt haben wolle, was dem Orden, der die Schuld den Danzigern geben wollte, nicht zum Vorteil gereicht hätte. Ekdahl geht davon aus, dass sich weder die Plünderungen der Söldner, noch das Erschlagen von Söldnern innerhalb der Stadtmauern bezweifeln lässt. Auch der Eingriff des Rates zu Gunsten der Söldner, die Entschädigungen, die Wiedergabe des noch vorhandenen Besitzes und das Hinrichten der Anführer der Aufständischen haben sich seiner Meinung nach so zugetragen. Des Weiteren geht er davon aus, dass der Danziger Rat die Söldner zum Verlassen der Stadt zwang. Nach 1410 wollte sich Danzig Jagiello unterstellen. Ein Söldnerkontingent des Ordens hätte für den Rat eine Gefahr bedeutet, zumal kurz danach auch versucht wurde, den Komtur von Danzig zur Übergabe der Ordensburg zu bewegen. Nach Ekdahl werden die Söldner, vor allem die verwundeten, darauf mit Wut und Enttäuschung reagiert und aus Trotz geplündert haben. Beim Auszug der Söldner mag innerhalb der Bevölkerung zudem auch eine "verborgene Ordensfeindlichkeit [...] unter dem Eindruck der politischen Neuorientierung des Rates zum Tragen gekommen sein" (133). Das Leuten der Ratsglocke spricht dafür, dass nicht der Pöbel für die Ausschreitungen verantwortlich war. Unterstrichen wird dies auch dadurch, dass bewaffnete Bürger aus der Altstadt mit eingriffen. Unklar ist, warum der Rat erst zum Angriff auf die Söldner aufforderte und anschließend zur Rettung eilte. Die Hinrichtung der sechs Aufständischen, diese kamen vermutlich nicht aus den oberen Schichten, sollte zur Entlastung des Rates dienen.

Während der Danziger Rat zu Zeiten Michael Küchmeisters vom Deutschen Orden noch als unschuldig bezeichnet wurde, wurde in der Anklage seitens des Ordens 1453 vor dem Kaiser dem Rat die alleinige Schuld an den Ausschreitungen gegeben. "Die Beziehungen zu Danzig waren auf einem Tiefpunkt angelangt, der Kriegsausbruch 1454 stand vor der Tür." (136)