Forschungsgeschichte und Forschungsstand

Roman Czaja, Der Handel des Deutschen Ordens und der preußischen Städte – Wirtschaft zwischen Zusammenarbeit und Rivalität, in: Ritterorden und Region – politische, soziale und wirtschaftliche Verbindungen im Mittelalter, hg. Z. H. Nowak (Ordines militares. Colloquia Torunensia Historica, 8), Torun 1995, S. 111-23. (Signatur: hil 563 3a 1)

Die Meinung in der Forschung war bis zum Anfang der 90er Jahre, dass „die kaufmännische Tätigkeit als ein Teil der Wirtschaftspolitik des Deutschen Ordens einer der wichtigsten Ursachen für den Zusammenbruch des Ordensstaates war“ (S. 111). Dann zeigte Sarnowsky auf, dass die Städte den Handel der Großschäffer nicht als Konkurrenz betrachtet haben. [Jürgen Sarnowsky, Die Wirtschaftsführung des Deutschen Orden in Preußen (1382-1454), masch. Habil., Berlin, 1992, 328.]

Beim Handel des Deutschen Ordens lassen sich zwei unterschiedliche Elemente unterscheiden. Zum einen gab es die Handelstätigkeit der Großschäffer in Marienburg und Königsberg und zum anderen die der Komture und Fischmeister. Durch seine Stellung als Landesherr und durch den Handel der Großstädte wurde der Orden in den hansischen Wirtschaftsraum eingebunden. Der Handel der Städte und des Ordens waren hierbei durchaus voneinander abhängig. Beim Deutschen Orden trieben nicht nur die Großschäffer Innen- und Außenhandel, auch die lokalen Beamten waren daran im Laufe des 15. Jh. immer stärker interessiert und betrieben den Handel oftmals auch auf eigene Rechnung. Nach 1410 verfiel der Handel der Großschäffer, wodurch der Handel der lokalen Amtsträger an Bedeutung gewann. Während des 14. Jh. hatte der Handel der Großschäffer noch eine wichtige Rolle gespielt, wobei der Orden mit den städtischen Händlern kooperierte. „Nach Berechnungen von J. Sarnowsky betrug der Anteil der preußischen Städte am Binnenhandel der Großschäffer zu Beginn des 15. Jh. 50%“ [Sarnowsky, Wirtschaftsführung Tab. 6.15.a, 6.15.b.] (113). „Insgesamt [...] war der Anteil der Städte am Handelsumsatz der Großschäffer größer als derjenige der Großschäffer am Umsatz der Städte.“ (114) Die Beamten des Ordens waren vor 1410 auch die wichtigsten Kreditgeber der Städte, außerdem wurde eng mit den Bewohnern der Städte zusammengearbeitet. So pflegten zwischen 1400 und 1404 beispielsweise 9% der Thorner Bürger wirtschaftliche Beziehungen zum Deutschen Orden. Durch den Handel der Großschäffer konnten der Handel der Städte und ihre wirtschaftliche Lage folglich nicht negativ beeinflusst worden sein. Im Gegenteil, die Bürger, die mit den Großschäffern handelten, bekamen ihre Waren auf Kredit, den sie erst nach dem Weiterverkauf der Waren zurückzahlen mussten. Die Beschwerden der Städte richteten sich daher nicht gegen den Großhandel sondern gegen den Kleinhandel, wie etwa Nürnberger und holländische Kaufleute, die direkte mit den lokalen Märkten handelten ohne die Vermittlung der Städte. Wenn sich die Städte über den Orden beschwerten, wie es 1410 der Fall war, dann war der Grund dafür das Vorrecht der Gebietiger bei der Schuldenforderung und deren Pfundzollbefreiung. Da die Großschäffer aber alle Geschäfte auf Kreditbasis abwickelten, war das Vorrecht der Schuldenforderung für sie aber auch besonders wichtig. Diese Beschwerden nahmen ab 1400 zu, was darauf hinweist, dass sich die wirtschaftliche Lage der Städte verschlechterte. Nach 1410 taucht die Beschwerde über das Vorrecht nur noch einmal 1425 auf. Die Klage über die Pfundzollbefreiung der Ordensgebietiger erscheint zum ersten Mal für den Städtetag 1388 in den Quellen und taucht anschließend von 1396-1409 jährlich auf. Die Zollbefreiung, der Zoll betrug 0,3-1,6% des Warenwertes, konnte aber keine große Preisermäßigung und damit keinen entscheidenden Vorteil der Gebietiger nach sich ziehen. Die Beschwerden der Bürger richten sich folglich nicht gegen den Handel der Großschäffer. Sie beklagten lediglich die Ausnutzung der Macht des Ordens im wirtschaftlichen Sektor und die privilegierte Position, besonders die der Diener der Großschäffer, die aus dem Bürgertum kamen.

Dies ändert sich radikal in den Jahren von 1410-1440. Die Exportwaren wurden knapp, die Bedeutung der Großschäffer nahm ab, die der anderen Ordensbeamten dafür zu. In den 20er und 30er Jahren nahmen die Beschwerden bzgl. des Getreidehandelsverbotes zu. Hierbei ging es nicht um das in knappen Zeiten nötige Exportverbot selbst, im Gegenteil, oftmals wurde es sogar von den Ständen gefordert, sondern darum, dass Amtsträger willkürlich Exporterlaubnisse erließen und sich diese teilweise auch noch bezahlen ließen. Außerdem wollten die Amtsträger möglichst viel Getreide exportieren, so dass sie die Lastkarren in ihre Ordensburgen zwangen und so den freien Getreidehandel auf den Märkten unterbanden. Auch über die Anwendung des Vorkaufs von Ordensseite beschwerten sich die Stände. Hatten die Großschäffer vor 1410 noch für einen fairen und organisierten Handel gesorgt, war dies nach 1410 durch die anderen Beamten nicht mehr gegeben. Auch wenn die Schäden durch den Ordenshandel nicht so groß waren, wie es die Häufigkeit der Beschwerden vermuten lässt, war auf Grund der Krise die Handelskonkurrenz wohl stärker als zuvor. In dieser Zeit waren auch Beschwerden über andere Handelskonkurrenten häufig, wie etwa die Kaufleute aus England, Holland oder Nürnberg. Die Danziger beispielsweise beschwerten sich gar nicht über den Ordenshandel, sondern profitierten sogar von ihm, weil die Waren des Ordens durch den Hafen Danzigs und Danziger Kaufleute nach Westen gebracht wurden.

Es lässt sich zusammenfassen, dass die Behauptung, dass der Handel des Deutschen Ordens der Hauptgrund für den Aufstand der Stände gegen den Orden gewesen wäre, nicht richtig ist. „Die vom Hochmeister 1441/1442 durch Preußen geschickten Visitatoren haben den Handel der lokalen Amtsträger sogar als schädlich und schändlich für den Deutschen Orden bezeichnet.“ (119). Grund für die wirtschaftliche Krise waren ungünstige Veränderungen im Ostseeraum, besonders der Preisverfall von Getreide und die Konkurrenz durch Kaufleute aus Holland, England und Nürnberg. Die Proteste der Stände richteten sich nicht gegen den Ordenshandel an sich, sondern gegen die Methoden der Amtsträger, die ihre Machtstellung zu Ungunsten der Stände ausnutzten. „Für das Volk waren die komplizierten wirtschaftlichen Verflechtungen im Ostseehandel nur schwer zu durchschauen, während die Gewaltmittel der Ordensritter offener zu Tage traten und daher leichter zur Erklärung der wirtschaftlichen Misere herangezogen werden konnten.“ (119)