Forschungsgeschichte und Forschungsstand

Michael Burleigh, Prussian society and the German Oder. An aristocratic corporation in crisis c. 1410-1466 (Cambridge studies in early modern history), Cambridge 1984, S. 70-110.

Die Kriege des Deutschen Ordens gegen Polen führten zu einer drastischen Reduzierung der Ordensfinanzen und zu einer Verschlechterung des Verhältnisses zu den Ständen. Nach 1410 musste der Orden 100.000 Schock böhmische Groschen an Polen zahlen, außerdem musste er die Söldner bezahlen, die sonst im Land plünderten. Dies tat bereits die polnische Armee, von deren Wirken in Preußen zahlreiche Gräueltaten überliefert sind. Durch das Plündern der Dörfer, das Verwüsten der Felder und das Töten der Einwohner verlor der Orden auch einen großen Teil seiner Einkünfte. Zu allem Überfluss gab es in den Jahren 1412, 1415 und 1416 auch noch Missernten. 1416 brach außerdem die Pest aus.

Um die Kontributionen bezahlen zu können erhob Heinrich von Plauen 1411 Steuern. Die Stände erklärten sich zu diesen bereit, legten ihm aber eine Liste mit 26 Beschwerden vor, in denen hauptsächlich Handels- und kommerzielle Angelegenheiten angesprochen wurden. Die Gebietiger des Ordens sollten nicht mehr Lizenzen zur Umgehung von Getreideexportembargos verkaufen dürfen, wenn ein verschuldeter Ordensbruder starb, sollten seine Gläubiger von dem verbleibenden Vermögen ausgezahlt werden, Gebietiger sollten ihr Getreide nicht mehr außerhalb der Märkte verkaufen dürfen, den Einwohnern sollte erlaubt werden Holz, Wolle und Getreide zu kaufen, wo immer sie wollten, das Mühlenmonopol sollte eingestellt werden und der Orden sollte sich nicht in die Wahl der Beamten einmischen. Der Hochmeister stimmte einigen dieser Forderungen zu, dennoch widersetzten sich Danzig und Thorn dem Zoll, weil sie für kurze Zeit unter dem polnischen König diverse Privilegien zugestanden bekommen hatten. Der Hochmeister ließ daraufhin Danzig abriegeln und führende Räte hinrichten. Als von Plauen 1413 erneut in den Krieg gegen Polen ziehen wollte, wurde er abgesetzt. Die Einwohner wollten keinen Krieg, ihre wirtschaftliche Situation war, besonders auf dem Land, zu schlecht.

Die Kriege von 1422 und 1431-1433 trugen ebenfalls dazu bei, dass sich das Verhältnis der Stände zum Orden verschlechterte. Der Krieg von 1422, der in dem Frieden von Melnosee endete, war u.a. auch aus organisatorischer Sicht äußerst schlecht für den Orden verlaufen. Innerhalb des Ordens konnte man sich nicht auf eine Kriegstaktik einigen. Die Kommunikation innerhalb des Ordens und mit den Einwohnern war schlecht, was dazu führte, dass Nachschübe an Proviant und Truppen nicht wie geplant eintrafen und verteilt wurden, die Bevölkerung nicht das tat, was man ihnen anriet und Untergebene nicht wussten, was sie zu tun hatten. 1433 wurde Preußen wiederum von den Polen und Hussiten verwüstet. Hochmeister und Marshall waren sich wieder uneins über die Taktik, so dass es wieder zu Konfusionen kam. Die Kriege waren desaströs für die Landbevölkerung und somit auch für die Finanzen des Ordens. Die Bevölkerung der Städte wollte ebenfalls keinen weiteren Krieg mehr und war bereit, dem Orden im Kriegsfalle die Gefolgschaft zu verweigern. Dies wurde auch 1453 deutlich, als eine Schrift zur Rechtfertigung des Preußischen Bundes herausgegeben wurde. Darin tauchen wiederholt die Beschwerden auf, dass die Bevölkerung unter den Kriegen zu leiden hatte, sowohl direkt durch Verlust von Leben und Besitz, als auch indirekt aufgrund der Steuern.

Ein weiterer Grund für die wachsenden Spannungen zwischen der Bevölkerung und dem Orden war das tagtägliche Verhalten der Gebietiger. Burleigh beschreibt hierzu als Beispiel das psychotische Verhalten des Johann Nothaft im Detail. Auch wenn es sich bei Nothaft um einen extremen Fall gehandelt zu haben scheint, werden in den Orsachen des bundes noch zahlreiche weitere Fälle genannt, in denen Gebietiger ihre Machtstellung auf unterschiedliche Art zum Leidwesen der Bevölkerung missbraucht haben sollen. Auch andere Quellen erwähnen solche Fälle. Theoretisch war es der Bevölkerung zwar möglich, sich mit Beschwerden über die Gebietiger an den Hochmeister zu wenden, praktisch sah es jedoch in den meisten Fällen so aus, dass die darauf folgenden Anordnungen des Hochmeisters ignoriert wurden und der betreffende Einwohner stattdessen bestraft wurde, wie etwa mit Gefängnis, einer hohen Geldstrafe, der Vertreibung von seinem Land oder sogar mit dem Tod. Wenn es um Vergehen der Bevölkerung untereinander ging, kam es auch vor, dass der Orden nicht zum Schutz und zum Recht der Geschädigten eintrat. Der von Burleigh aufgeführte, wenn auch in der Schwere isolierte, grausame Fall eines Einwohners namens Kirstan lässt die betreffenden Gebietiger des Ordens ebenfalls in einem negativen Licht erscheinen.

Der Orden hatte das Land ursprünglich nach Kulmer Recht an die Siedler vergeben. Dieses sah vor, dass sowohl Söhne als auch Töchter erben könnten und die Siedler im Austausch für niedrige Abgaben militärische Dienste leisten sollten. Nachdem der Orden aber dazu überging, seine Kriege mit Hilfe von Söldnern zu bestreiten, waren die alten Verhältnisse bzgl. der Landvergabe für ihn unvorteilhaft geworden. In der Folge versuchte der Orden, den Großgrund der Ritter aufzukaufen und direkt nach neuem Recht an die Bauern zu vergeben, ohne den Ritter als Mittelsmann. Auch den Aufkauf von ritterlichen Ländereien untereinander versuchte der Orden zu verhindern. Außerdem ließ der Orden das Erbrecht, nach welchem Landgüter neu vergeben wurden, ändern, so dass die Landgüter der Ritter, die nur Töchter hatten, an ihn fielen. Das neue Recht sah vor, dass die Bauern höhere Steuern zahlen sollten, allerdings ohne Militärdienst ableisten zu müssen. Dies führte zu wachsender Ablehnung der Ordensherrschaft durch die Ritter.

Um gegen das Problem der verminderten Bevölkerung vorzugehen, wurden die Arbeitsleistungen aus Ordenssicht optimiert, indem Höchstlöhne festgesetzt wurden und die Mobilität der Bevölkerung eingeschränkt wurde. Die Landbevölkerung musste exzessiv arbeiten, auch außerhalb ihrer Felder, wie etwa in den Wäldern für den Orden, wodurch sie Probleme bekamen, ihre Abgaben zu zahlen. Dieses oppressive Feudalsystem schürte den Unmut der Bevölkerung.

Streit mit der Bevölkerung hatte der Orden auch bezüglich der Fischereirechte. Nachdem die Bevölkerung sich über die ursprüngliche Anordnung, nur für den eigenen Tisch zu fischen, oftmals hinwegsetzte, versuchte der Orden die Fischereirechte einzuschränken, was auf den Widerstand der Bevölkerung stieß. Auch um die Mühlen gab es Streit. Das Recht, Mühlen zu errichten, lag beim Orden, was die Stadtbevölkerung aber nicht akzeptieren wollte. So haben beispielsweise die Bürger von Thorn 1453 einen Fluss umgeleitet, so dass er statt die Mühle des Ordens anzutreiben, ihre eigene antrieb. Die Metze wurde ebenfalls debattiert, besonders von den Danzigern, die dem Orden die doppelte Metze zugesagt hatten, nachdem er ihre Mühle nach einem Brand hatte wiederaufbauen lassen. 1453 war diese doppelte Metze immer noch in Kraft, sehr zum Ärger der Danziger.

Die Einführung von Zöllen trug ebenfalls zum Unmut der Bevölkerung gegen den Orden bei. Bei Labiau ließ der Orden einen Kanal anlegen. Jeder, der diesen nutzte, musste ab 1431 Zoll bezahlen, abhängig vom Warenwert. Beschwerden dagegen wurden 1442 und 1449 laut. 1389 erhoben die preußischen Städte mit Einverständnis des Hochmeisters und gegen den Willen der Hanse den Pfundzoll (der 1361 zum ersten Mal als hansischer Zoll erhoben worden war), weil die preußischen Städte dem Orden Geld schuldeten. 1403 wurde dem Orden dann ein Drittel der Einnahmen des Pfundzolls zugestanden, nachdem sich die Städte wiederum Geld vom Orden geliehen hatten. 1409 wurde der Pfundzoll erhöht, der Orden bekam jetzt zwei Drittel des Zolls. Unter Paul von Rusdorf profitierte nur noch der Orden von dem Pfundzoll. So wurde aus einer ursprünglich hansischen Abgabe ein Zoll des Ordens. Später gestand Konrad von Erlichshausen den Städten ihr Drittel wieder zu. Der für den Pfundzoll zuständige Beamte des Ordens durfte jede Kiste bzw. jedes Fass auf einem Schiff öffnen, welches ihm verdächtig erschien und den Inhalt konfiszieren. 1433 und 1440 beschwerten sich die Städte dann über die Belästigungen, die sie durch die den Pfundzoll eintreibenden Beamten erfuhren.

Der Orden nutzte auch seine Position als Landesherr, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, was von den Ständen wiederholt angeprangert wurde. So mussten seine Händler keinen Pfundzoll zahlen. Wenn ein Händler insolvent starb, war der Orden der erste, der seine Schulden von den Hinterbliebenen eintreiben durfte. Bei Exportembargos verkaufte der Orden individuelle Ausnahmelizenzen. Auf den Märkten nutzte der Orden sein Vorkaufsrecht, um Produkte billig aufzukaufen und sie anschließend teurer wieder zu verkaufen. 1408 beispielsweise wurde die Beschwerde laut, dass der Orden den Verkauf von Wolle erzwungen hatte, 1444 verkaufte der Orden Getreide außerhalb der städtischen Märkte.

Der Orden versuchte auch, die Rats- und Schöffenwahlen in seinem Sinne zu beeinflussen. Waren gewählte Personen ihm nicht genehm, ließ er neu wählen, um die Personen, von denen er sich die meiste Kooperation versprach, ins Amt zu hieven, was nicht immer gelang. Als Thorn und Danzig 1411 die Steuern verweigerten, ließ der Hochmeister viele der alten Räte gegen neue austauschen, in Danzig sogar zwei Bürgermeister und einen Ratsherren ermorden.