Forschungsgeschichte und Forschungsstand

Marian Biskup, Der preußische Bund 1440-1454 – Genesis, Struktur, Tätigkeit und Bedeutung in der Geschichte Preußens und Polens, in: Bürgertum – Handelskapital – Städtebünde, hg. K. Fritze, E. Müller-Mertens, J. Schildhauer (Hansische Studien, 3), Weimar 1975, S. 210-29. (Signatur: hil 742 1c 20 REG)

In den Regionen Mitteleuropas begann schon im 14. Jh. die Herausbildung einer Ständeverwaltung, die Einfluss auf die Landesverwaltung nahm, nicht jedoch in Preußen. 1408 näherten sich die preußischen Stände zum ersten Mal an, als sie sich auf der Huldigungsfahrt Ulrichs von Jungingen gemeinsam darüber beschwerten, dass die Ordensbrüder Willkür bei den Fragen des Fischfangs, des Handels und bei Rechtsangelegenheiten walten ließen. Nach der Niederlage bei Tannenbert/Grunwald 1410 brauchte der Orden die finanzielle Hilfe der Stände. Aus diesem Grund berief er ab 1411 zum ersten Mal Ständetage ein, wobei beispielsweise der Danziger Rat mit Gewalt zum Gehorsam gezwungen wurde. 1413 demonstrierten die Stände erstmalig ihren wachsenden Einfluss auf die Außenpolitik, als sie einem Kriegszug gegen die Polen ihre Unterstützung verweigerten. Die außenpolitische Bedeutung der Stände wurde 1422 im Frieden von Melnosee rechtlich festgehalten, in welchem sie dazu bestimmt wurden, die Einhaltung des Friedens zu kontrollieren. Im Krieg gegen die Polen 1431-1435 machten die Stände dann erneut von ihrem Widerstandsrecht Gebrauch, wodurch der Deutsche Orden zum Frieden von Brzesc Kujawski gezwungen wurde.

Die Stände nahmen aber auch auf die Gesetzgebung und auf Steuerfragen Einfluss. Sie forderten 1430, dass ihre Vertreter einen Rat bilden sollten, der über wichtige Entscheidungen mitbeschließen sollte. Dieser Vorschlag wurde vom Hochmeister nicht akzeptiert. Stattdessen wurde versprochen, jährliche Richttage unter Beteiligung der Stände durchzuführen. Dies fand nur kurzzeitig statt. Abgeschafft wurden sie vermutlich auf Grund des Widerstandes der Ordensbrüder, die sich vor einem geistlichen und nicht vor einem weltlichen Gericht verantworten wollten. Die Bestrebungen der beiden Stände Adel (Ritter und Knechte) und Städte hatten sich im Laufe der Zeit verdeutlicht. „Der Adel [...] trachtete nach Sicherung eines realen Anteils an der Landesverwaltung und nach materiellem Nutzen. Die großen Städte dagegen wollten sich Freiheiten in den Handelsbeziehungen, vor allem gegenüber der Ordenskonkurrenz in Handel und Handwerk, sowie in inneren Angelegenheiten, vor allem in Rechtsfragen, ohne Beeinflussung durch Ordensbeamte sichern.“ (S. 214) Da diese Forderungen aber die Vormachtstellung des Ordens bedrohte, war er dazu nicht bereit.

Die Haltung des Ordens gegenüber den Ständen war durch wachsende Feindseligkeit geprägt, weil die Stände ihm den Gehorsam in den Kriegen gegen die Polen verweigert hatten. Der Orden stellte jetzt die Besitzrechte der Ritter nach dem für diese günstigen Kulmer Recht in Frage, scheiterte aber an deren Widerstand. In der Folge wurden nun Landgüter nach polnischem und Magdeburger Recht vergeben, welches den Ordensbrüdern erlaubte, nach dem Tod der männlichen Nachkommen, das Land an sich zu bringen, zum Nachteil der weiblichen Nachkommen. Gegenüber den großen Städten begünstigte der Orden seit 1410 nichtzünftige Handwerker, außerdem benachteiligte er die städtischen Kaufleute, indem er „willkürliche Ausfuhrverbote für Getreide in die Ostseeländer“ (215) erließ und sich Exporterlaubnisse bezahlen ließ. Auch die Einführung des Pfundgeldes stieß 1423 auf die Ablehnung der Stände. Des Weiteren war die Rechtsprechung in ihren Augen unzulänglich. Appellationen an den Hochmeister erklärten die Beamten des Ordens für ungültig oder unterschlugen sie einfach. Als Folge davon, auch weil Paul von Rusdorf weiterhin eine unnachgiebige Politik gegenüber den Ständen betrieb, beschlossen die Stände 1438, sich gegenseitig zu unterstützen. 1440 wurde auf dem Ständetag in Elbingen, der vom Hochmeister verboten worden war, die Bildung des Bundes beschlossen, mit dem Ziel, die Mitglieder vor ungerechter Willkür des Ordens zu schützen und im Notfall, Gegenaktionen ins Leben zu rufen. Der Hochmeister musste dies akzeptieren, weil er sich zu dieser Zeit auf Grund ordensinterner Auseinandersetzungen in einer schwachen Position befand und die Stände ihm zugesichert hatten, ihn zu unterstützen. Der Bund selbst bestand nur aus Mitgliedern des „herrschenden Kaufmannspatriziats“ (218) sowie den mittleren und großen Grundbesitzern. Unedel geborene Menschen wurden nicht als Mitglieder aufgenommen. Folglich vertrat der Bund auch nur die Interessen der „besitzenden Klassen“ (218). Dennoch sei der Bund im Rahmen eines spätmittelalterlichen Ständestaates, so Biskup, völlig repräsentativ und von der gesamten Gesellschaft Preußens anerkannt worden.

Der Bund legte von jetzt an nur noch den Treueid gegenüber den einzelnen Hochmeistern ab, nicht mehr gegenüber dem ganzen Orden. Auch die Einführung eines Richttages wurde angestrebt, misslang aber, weil der Orden nicht bereit war zuzulassen, dass geistliche Brüder vor ein weltliches Gericht gestellt werden sollten. Über die immer wiederkehrende Erhebung des Pfundzolls ab 1441 gab es ebenfalls Streit. Aber auch innerhalb des Bundes herrschten gegensätzliche Interessen. Die großen Städte wollten 1444, dass niederländische Kaufleute keinen direkten Kontakt mit dem getreideliefernden Adel haben durften. Der Adel hingegen verlangte die Einführung eines freien Markttages. Proteste des Adels rief ebenfalls die Sperrung der Häfen durch die Städte für auszuführendes Getreide hervor. 1448 klagten Repräsentanten des Adels die großen Städte vor dem Hochmeister an, dass diese den Adel und die kleineren Städte benachteiligen würden.

Nachdem 1450 Ludwig von Erlichshausen zum neuen Hochmeister gewählt worden war und die konservativsten Würdenträger an die Macht kamen, folgte die Eskalation. Die Würdenträger wollten, dass die Stände von der Mitherrschaft ausgeschlossen werden sollten. 1450-1451 kam der päpstliche Legat Bischof Ludwig von Silves nach Preußen und versuchte, mit der Androhung schwerer kirchlicher Strafen, den Bund zur Auflösung zu bringen, da er dem Kirchenrecht widerspräche. 1452 wurde der Fall dann vor den Kaiser gebracht, 1453 verhandelt und endete mit dem Verbot des Bundes. In der Folge tat sich der Bund mit dem polnischen König zusammen und zog gegen den Orden in den Krieg.