Getreidehandel
Bearbeitet von Marco Daszinies
Einleitung
Inhalt dieser Arbeit ist der Getreidehandel im Zusammenhang mit der wachsenden Stadt darzustellen. Dabei geht es zunächst um den Handel im Allgemeinen und erst explizit im Zusammenhang mit der Elbe und dem Getreidehandel, wobei der Handel im Allgemeinen nicht komplett ausgeblendet werden kann. Aufgrund der günstigen Lage der Stadt und die (wahrscheinlich) schon seit ca. 1400 praktizierte Überwachung der Elbe, ist es Hamburg gelungen zu einem der größten Handelsmärkte für Getreide zu werden. Die Blütezeit des Getreidehandels ist von ca. 1650 bis einschließlich zu Beginn des 18. Jahrhunderts zurückzuführen. (1) Entscheidende Ereignisse für den Getreidehandel sind die zahlreichen Rezesse für den Getreidehandel und die Politik des Hamburger Rats.
Um die den Einfluss von Hamburg zu veranschaulichen ist der Unterpunkt Magdeburg bearbeitet worden. Daran soll deutlich werden, wie weit Hamburg Einfluss auf den Elbhandel ausgeübt hat.
Der Punkt Handel in Hamburg dokumentiert die Bemühungen zur Sicherung des eigenen Bedarfs bis hin zu einer komplexen Marktregelung im 16. Jahrhundert. Anhand der drei ersten Rezesse werden die Ursachen und Hintergründe aufgeführt, die zu den Rezessen geführt hatten.
Quellenlage und Forschungsstand
Die Quellenlage in Bezug auf die Elbsicherung ist nicht ausreichend, weil der Zeitpunkt der Elbsicherung und Stapelanmaßung nicht genau zu bestimmen sind. Einen Zusammenhang zu den Kämpfen gegen die Piraten und der verstärkten Elbsicherung und damit im weiteren Verlauf auch mit der Überwachung der Elbe und der Durchsetzung des Stapelrechts sind als sicher für die wachsende Stadt von Bedeutung gewesen. Ebenfalls als sicher sind die mit der wachsenden Stadt aufkommenden Konflikte zwischen der Sicherung der eigenen Bedürfnisse und der Profitgier der Händler. Der Handlungsbedarf wird durch die zahlreichen Rezesse mit immer strengeren Auflagen zum Getreidehandel dokumentiert. Der Verdacht des Schmuggelns von Waren steht ebenfalls im Raum, auch Mitglieder des Rats sollen daran beteiligt gewesen sein. Das Waren geschmuggelt wurden, ist mit Sicherheit zu bestätigen, so ist in der Nähe der heutigen Lombardsbrücke ein beliebter Treffpunkt für Schmugglergewesen.
Im weiteren zeitlichen Verlauf lassen sich immer mehr Quellen zu dem Thema finden. Dabei sind Briefe, Auszüge der Rezesse und Kämmereirechnungen als Beispiel zu nennen.
Entstehung/Anfänge des Handels
Die Städte und das selbstständige profitorientierte Handeln sind miteinander verbunden. So ist die Herausbildung von Städten auch gleichzeitig eine Voraussetzung für einen florierenden Handel. Die Herausbildung der Städte ist auf das 12. und 13. Jahrhundert zurückzuführen. Größere Städte waren wirtschaftlich selbstständig und konkurrierten mit anderen Städten. Der bisherige Austausch von Waren, ist mit den spätmittelalterlichen Handelsmetropolen Hamburg und Stettin überhaupt nicht zu vergleichen. Die Rede ist vielmehr von einem „geringen ländlichen Austausch“. Die bisher erwirtschafteten Überschüsse der Landbevölkerung wurden an die naheliegenden Klöster oder Gutsherren geliefert. (2)
Der Handel in Hamburg
Erste Anzeichen für die gestiegenen Ansprüche Hamburgs sind auf das Jahr 1279 zurückzuführen. In diesem Jahr beschwert sich Hamburg, weil Holländer ( aus Harderwyk) Getreide im Hamburger Umland aufgekauft haben. Aus Angst vor Teuerungen wurde der Kauf verboten. Das sind erste Ansprüche zur Stärkung des heimischen Getreidemarktes. Dennoch deutet nichts auf einen Handel hin, vielmehr geht es um die Sicherung der eigenen Bedürfnisse. (3)
Das wird durch die Marktregelungen deutlich. Zur Grundbedarfssicherung ist das Teilungsrecht eingeführt worden, was den ärmeren Menschen Einkäufe zu Festpreisen gesichert hat. Nur das nicht verkaufte Korn durfte, nachdem die Grundbedürfnisse der Bevölkerung gedeckt waren, an andere Händler gewinnbringend verkauft werden. (4)
Im Laufe der Zeit unterliegt der Handel immer konkreteren Bestimmungen, die den im 14. Jahrhundert florierenden Binnenhandel versucht zu unterbinden und das Getreide auf den heimischen Markt zu lenken. Im Gegensatz zu den einfach gehaltenen Bestimmungen geht aus dem Rezess von 1483 die gestiegene Komplexität des Handels hervor. Der Rezess ist die erste noch erhaltene Aufzeichnung und gibt Aufschluss über die Organisationsform des Getreidehandels. Darin heißt es „Wer von Außen Getreide & andere Esswaren in die Stadt bringt, soll, wenn er des Morgens früh damit anlangt, auf dem Markte seine Waren für den Hamburger Bürger im Kleinverkauf feilbieten, bis die Glocke 11 schlägt zu Mittag. Erst von der Zeit an darf auch der Vorhöker etwas an sich bringen zum Wiederverkauf. Kommt der Landmann mit seiner Ware am Nachmittag an, so soll er damit zu Markte stehen, und nur die Bürger mögen davon etwas kaufen, der Vorhöker nicht.“ (5) Ein Vorhöker ist das gleiche wie ein Kaufmann.
Weitere Artikel die den Handel in Hamburg betreffen beinhalten das nur an ausgewiesenen Plätzen Ware gekauft werden darf und die Tatsache, das die Getreideausfuhr in der Hand des Rates ist, obwohl in dem Rezess steht, dass der Rat mit einigen Bürgern Rücksprache halten muss, ob Getreide ausgeführt werden darf. Es hat eine Minderheit an Bürgern gegeben die den heimischen Handel stärken wollten und erst dann an eine Ausfuhr denken wollten. In Artikel 39 wird als ein weiterer Schritt zur besseren Überwachung ein Marktmeister erwähnt. Artikel 44 verbietet Privatleuten die Vorratshaltung.
Den gestiegenen und immer noch weiter steigenden Bestimmungen liegt eine eigentlich permanente Mangelversorgung zu Grunde. Das heißt, es bestand ständig Handlungsbedarf um für eine ausreichende Menge an Waren zu sorgen.. Dazu zählt auch die Interessen der Hamburger Händler zu unterbinden und den Export unter Strafe oder später sogar unter Todesstrafe zu stellen. Der Verdacht der heimlichen Getreideausfuhr ist das ganze 16. Jahrhundert über präsent. Ebenso, dass der Rat auch an der heimlichen Ausfuhr von Getreide beteiligt ist. Ein Indiz dafür ist der Rezess von 1548. Darin verspricht der Rat, sich von nun an verbindlich an die Hamburger Privilegien zu halten. Dazu gehört seit (6)
Mit dem Rezess von 1529 wird erneut der Mangelversorgung Rechnung getragen. So wurde angeordnet das von nun an stets die Hälfte des Getreides in Hamburg bleiben muss. Bei nicht Einhalten der Bestimmung durch falsche Mengenangaben oder zum Beispiel heimliche Ausfuhr, ging das gesamte Getreide in den Besitz der Stadt über. Diese Regelung blieb das ganze 16. Jahrhundert bestehen und wurde lediglich 1557 unter dm Begriff Kornordnung in eine systematische Form gebracht. Ergänzt wurde die Bestimmung für das oberländliche Getreide, dass vier Tage in Hamburg in kleinen Mengen und zum festgeschriebenen Preis verkauft wird. Die zweite Hälfte durfte an die Hamburger Bürger nach eigenen Preisvorstellungen verkauft werden. Dabei ist auch die Unterteilung in „unfreies Korn“ und „freies Korn“ entstanden. Das „freie Korn“ durfte auch weiter verschifft werden. Natürlich wurde das Korn wieder versteuert. Je Die Vorratshaltung ist ebenfalls in Indiz für den ausgebreiteten Kornhandel. Umso komplexer und größer der Kornhandel einer Stadt war, umso mehr wurde an Vorrat gelagert, um bei Bedarf zu verkaufen. Zu den Privilegierten zählten der Rat, Städtische Klöster, die Kirche, Kaufleute, wenn auch unter besonderen Bedingungen und Bäcker. Das ist bei Hamburg und Stettin, den größten Getreidehandelsmärkten der Fall gewesen. Während Bäckereien und Brauereien Vorrat haben mussten, hat die Stadt nun auch einen Vorrat von 30000 Scheffeln angelegt. Zur Einschätzung der Größenordnung lässt sich sagen, dass der jährliche Verbrauch pro Person bei ca. 5-6 Scheffeln gelegen haben soll. (7)
Abschließend geht es um Berufe, die mit dem Getreidehandel und den Bestimmungen in Zusammenhang stehen. Die Kornordnung von 1610 widmet sich dem Beamtentum und gibt so interessante Informationen über deren Aufgaben. (8)
Zu den Berufen gehören die unter Eid stehenden Messer, Träger, Verwalter und die 1610 zum ersten Mal erwähnten Korninspektoren. Diese haben die Aufgabe den Bäckereien und Brauereien mit dem vorgeschriebenen Vorrat zu versorgen. Die Verwalter, auch Kornherrn genannt, übernehmen die Leitung über die Messer und Träger. Es hat in Hamburg 48 Kornmesser in vier Quartieren mit jeweils zwölf Mann gegeben. Daraus folgt, dass nach Quartieren gearbeitet wurde. In der Praxis sieht es dann so aus, dass der jeweilige Verwalter die Messer zu den Kunden schickt. Bei Bedarf können weitere Messer und Träger aus anderen Quartieren zur Hilfe angefordert werden. Falls auch das nicht reichen sollte, ist der Verwalter authentisiert Person außerhalb der Zunft vor Ort zu vereidigen und einzusetzen.
Bei der Arbeitsweise der Messer ist darauf zu achten, dass die Abstreichung der Fässer „möglichst“ gleichmäßig befüllt sind. Die Arbeitszeiten beginnen um fünf Uhr morgens, dabei werden in der Regel Träger und Messer gemeinsam losgeschickt. Falls an dem Zielort niemand anzutreffen ist, haben sie nicht länger als 15 Minuten auf die Ware zu warten. Danach kehren sie umgehend zum Verwalter zurück.
Gearbeitet wird nach Tagessätzen und diese werden im Verwaltungsbüro angeschrieben. Falls den Trägern die Arbeit zu schwer fallen sollte, sollen sie sich bei dem Inspektor melden. Als Beamter des Kornhandels ist eigener Handel strengstens verboten. Sehr wahrscheinlich ist das als Schutzmaßnahme gegen Missbrauch eingeführt worden.
Rezess von 1557
Aus dem Rezess geht die gestiegene Komplexität hervor. Die Artikel Eins bis Zwölf beinhalten nur die Einteilung in „freies“ und „unfreies“ Korn und den dazugehörigen Bestimmungen/Verfahrensweisen und Strafen. Durch die Kornordnung von 1557 war eine treffliche Organisation des Getreidehandels erreicht, allerdings blieben die Probleme bestehen. Sie liegen in dem gesamten Aufbau der Handelsverfassung, der Strenge der Marktordnungen und in dem Stapel- und Fremdenrecht. Solange das bestehen blieb, verstummten auch die Beschwerden über Verletzung dieser Bestimmungen nicht. Gerade die Unterteilung in „freies“ und „unfreies“ Korn liegt aufgrund der schwer zu kontrollierenden Richtigkeit der angaben hohes kriminelles Potential.
Kornordnung durch einen ehrbaren Rath und der Burgerschaft bewilligt anno 1557 auff fastnachten. .(9)
(Nach einer Abschrift der Hamburger Kommerzbibliothek)
Artucul 1.
Welcher Kaufmann hir Korne die Elbe herunterbringet, der soll sicherstes tages bey den verordneten herrn und burgern, die darzu deputiert, angeben, wasf vor Korn, alsf weitzen undt rocken, undt wie vill esf sey, dass er innen hat, welches die Deputierten herren unnd burger neben des Kaufmansf Nahmen in ihr buch schreiben und anzeichen sollen,
2.
Von gemelten Korne soll man von der helffte nach der gewohnheit vor dem Rathhause den Kauff machen; dieselbige helffte, darüber der Kauff also gemacht ist, soll der Kaffmann unsern burgern und Niemandt andersf ihre notdurft und eines Jeden glgenheit nach verkauffen und die prame mit dem Korne vier tage langk bey den brucken und treppen leggen undt niemandt bey vasfen, scheffeln, halben und gantzen wispeln zu vorkauffen, wegern oder versagen, bey peen zehen Reichsthaler, so offt sothanes gefunden undt gespüret wirt, Da auch befunden, dasf einer hirinnendurch List eines ansehenlichen Gottespfennig oder sonsten durch geschenk undt gabe, wie es immer geschehen möchte, einig Korrn an sich braechte, andern burgern zum vorfange, sollen bede keuffer und verkeuffer desf Korrn verlustig sein, welches gemeltes straffgeldt den verordneten herrn undt burgern soll entrichtet und überantwortet werden. Nach Verlauff aber der vier markttage dass alsfdan noch unverkeufft, davon soll vorerst der jahrliche vorrah dieser guten Stadt gekaufft und vorsehen werden.
Freies und unfreies Korn
3.
Des soll ein jeder brauerhansf und wohlhabender burger, wie das jedes jahr mit Sommer und Winter geschehen soll, do offt Ein Erbar Rath zusehen lest, mit einem wispell Rockenoder mehl jederzeit versorget und vorsehen sein, dass Jahr durch und durch, so jemandt hierinnen seumig oder nachlessig befunden wurde, soll so offte ehr desf betreten wurde, zween thaler ohne gnade stroffe geben. Und diesen halben des Kornns soll dr verkeuffer zu verkauffen oder auffzutragen keine macht haben, sondern davon soll der vorrath dieser guten stadt folgender gestalt veorsorget und vorsehen werden
An Rocken
Dass gemeine gudt . . . 600 Wispell
Jede Carspel Kerck 100 Wispell,thun 400 Wispell
Die vorstehender der Gotteskadten . 100 Wispell
Die jungfrauen zu St. Johannes . 100 Wispell
St. Jürgen . . . . 100 Wispell
St. Gerdrutenn . . . 100 Wispell
______________
Summa des vorraths 1400Wispell Rocken
4.
Der andr halbe theill soll dem Kaufmann unsern burgern und keinen frombden, so theuer alsf er kann, zu verkauffen frey stehen, doch sollen diejenigen, so solches Korn kauffen, sich neben dem verkauffer bei den verordtenten herrenund burgern angeben und ihnen anzeigen wie viell sie das Kornns gekaufft, wo dasfelbige gepliben und solches zu buche bringen lasfen, desfen mugen unsere burgere, so den halben theill desf freyen Kornnsf gekaufft, solches Korn, wenn ihnendash bebliebet, wieder ausfschiffen oder andern verkauffen, die esf ausfschiffen mugen, Jedoch soll ihnen von den verordneten herrn und burgern, ehe sie den zehnten pfennig vor den rocken und den zwanzigsten pfennig vor den weitzen, welchen sie eingekauft haben, neben einen halben thaler vor jeder last entrichtet und vergenüget, kein frey zeichen geben oder zugestellet werden, das jemant hir widerhandelte oder etwas von dieses korn davor ehe der zehn- und zwanzigste pfennig neben den halben Thaler von jeder last recht bezahlet und treulich entrichtet oder sonst ander unfrey Korns, also mit ausfschiffen desfwegen angeben oder beclaget wurde, soll ehr sich mit seinen leiblichen undt bürgerlchen eide zu purgiren schuldig seyn, und da ehr darinnen schuldig befunden wurde,solch kons quitt undt vorlustig seyn, den Beckern aber soll efs frey stehen, soviel ein Jeder des begehret, jedoch dasf derselbige becker dasf darnach vorbacke und wieder unverbacken verkauffe. Thete einer hirwieder, der soll in straffe zwantzig Thaller ohne genadenn verfallen seyn.
In wieweit das „unfreie Korn“ zur Vorratshaltung genutzt wird und das Strafmaß am Beispiel einer Bäckerei, die bei Verstoß durch Weiterverkauf des zum Eigenbedarf erhaltenen Korns Geldstrafen zu zahlen hat
5.
Auch soll der verkauffer dasf freye Korn niemand vorkauffen oder lieven, ehe oder vor der Zeit, das der kauff vor dem Rathhausevon dem halben theill, dasf hie binnen bleiben soll, gemachet ist, bey straff zwantzig thaller,so offte einer darüber betreten wirt, welche straffgelder denn verordneten herrn undt burger auch sollen enrichtet und zugestellt werdenn.
Bestimmung das „freies Korn“ zwar nach eigen Preisvorstellungen verkauft werden darf, aber erst nach viertägigem Verkauf des „unfreien Korns“.
6.
Auch ist in sonderheit vor gut und nötig angesehen worden, dasf sich niemandt unsere bürger unterstehen sollen, solch frey Korn einigermafsen mit fronbder Leute gelder zu kauffen; so sich einer hierin vorgreffen und solchs thun würde, soll das Korn ohne alle genade vorlustig undt vorfallen sein. Würde auch einer von den verordneten herrn und burgern in diesem fall verdechtig gehalten, der mit frombder leute gelder sothanes Korn an sich brächte, soll sich mit seinem leiblichen und bürgerlicheneide zu purigen schuldig sein; und so ehr in der that schuldig befunden, alfs dann soll ehr hinfüro vor Keinen ehrlichen sondern vor einen meineidigen manne geachtet undt gehalten werden und soll also allefs, wafs ehr gekaufft, verfallen undt vorlustig seyn, mit dem binländischen Korne soll efs nicht anderst, den nach alter gewohnheit gehalten werden.
Strafen für die Bürger die das fälschlicherweise zu früh angebotene „freie Korn“ gekauft haben.
7.
Ein erbar Rath siehrt vor gut an, damit der gemeine mann zu jeder dennoch nach notdurft möge vorsehen sein, dafs defswegen dafs Jahr durch und durch iede Carspellkirche ihr bönne,worauf sie das Korn liegen haben, öffnen sollen und davon jeden noturffigen bey scheffel undt vafsen und nicht bey gantzen und halben wispeln verkauffen und auff jedes vafs Korn über zwo schilling gewinst über den einkauff nicht nehmen difs sollen die Carpellkirchen bey wochen halten, einer nach dem anderen, jedoch so vill sie davon verkauffen und abmefsen, dafs sie in stelle defselbigen soviell wiedrkauffen und auftragen lasfen sollen, damit sie zu der zeit, wan kein Korn dafs jahr mehr zu bringende z vormuten, dennoch mit 100 wispel Rocken vorrats, wie vor angezeigt, vorsehen sein mugen, Wafs nun ein jeder Carpellkirche von den 100 wispeln den winter über nicht kan verkauffen, dafs alefs soll ihnen ins vor Jahr zu verkauffende und zur sehewart zu schiffende frey nach gegeben werden, jedoch soll solches nicht geschehen, Efs sei den dafs ein jeder Karspell-kirche defs neyen Kornefs vorerst 100 Wispell zum vorrat wiedergekauft und aufftragen lafsen habe.Im gleichen falle soll efsauch mit anderen alfs mit dem vorrath des gemeinen gutes, Gotteskasten, St. Johannes, St. Jurgen und St.Gerdruten, so mit dem jährlichen vorrath zu kauffende beschweret, gehalten werden.
8.
Efs soll auch hiermit jedermänniglichen hinfuro allerhandt Korren, woher efs auch kumpt, auff den höven aufserhalb baumfs zu vorkauffende verboten seyn, bei verlust des Korrns.
[...]
10.
Ein ehrbarer Rath will sich nach gelegenheit haben vorbehalten, dafs sie jederzeit, darnach theuerung vorhanden, der gemeinen stadt zum besten die freye Aufsschiffung mügen von eine zeit vorbitten und damit inhalten.
11.
Es soll auch alhir innerhalb baums kein Korn hinfüro in di eschiffe geschiffet werden, bey vorlust des Korrnfs der schiffe.
12.
Auch sollenn diejenigen, so darzu verordnet, ehe die schiffe aufs dem baum legen, fleifsig besichtigen, wafs sie inne haben.
Die Bedeutung der Elbe für den Handel
Die Bedeutung der Elbe als Handelsroute ist für Hamburg der entscheidende Faktor, um an Einfluss zu gewinnen, dennoch ist der zeitliche Ablauf ein sehr langsamer.
Die Anfänge beziehen auf die Piratenkämpfe und die Friedenssicherung der Elbe auf die Anfänge des 15. Jahrhunderts. Zu der Zeit tauchen in den Kämmereirechnungen unter dem Punkt „ad diversas“ (10) Kosten für Schiffe auf, die auf Kämpfe gegen Piraten ( z. B. Vitalienbrüder und Störtebecker) zurückzuführen sind. Erst ab Ende der zwanziger Jahre scheinen, anhand der folgenden Kämmereirechnung, regelmäßige Kosten für Schiffe zur Elbsicherung entstanden zu sein. Die Rubrik „ad naves civitatis“, also die Kosten für die Friedenssicherung der Elbe, sind erstmals ca. 1410 in den Rechnungen zu finden.
Eintragungen der Kämmereirechnungen (11)
1398: 1. ad expedicionem liburnicontra piratas in mari orientali.
2. ad expedicionem navium contra pirateas Vittaliensis in Wysera.
1401: ad expediendum naves contra Hollandrenses.
1407: ad reyas ad mare contra piratas.
1408: ad omnes reysas contra piratas in Frisia.
1416: ad reyas domiorum (Titel): ... Johannes Wulf ad reisam suam ad mare contra Ditmarsos.
1417: ad reyas domiorum ad mare.
1419: ebenso.
1428: ad 1 (sic) expedicionem ad Albeam, (cuius)capitaneus erat dominus Johannes de Alverdingh, consul.
1429: ad Albeam.
1430: ad reyas super Albeam.
1432: 1. ad diversas parvas reyas ad Albeam.
2. ad diversas reyas ad Albeam.
1433: ad diversas reyas super Albeam
1430/60: ad expediciones versus Albeam in gwerra Hollandrinorum.
1461/75: 1. ad expediciones versus Albeam.
-
- ad respiciendum de ummevore.
- ad respiciendum de ummevore.
1480: ad expediciones ante Albeam contra comitem Oldenburgensem.
1481: 1. wie 1476/79.
- wie 1480.
Die Einträge der Kämmereirechnungen um das Jahr 1400 beziehen sich größtenteils auf Kämpfe gegen Piraten. Weitere Einträge der Kämmereirechnung aus den Jahren 1386/87, 1390 und 1393 resultieren ebenfalls aus solchen Kämpfen. In der Zeit hat es wohl schon die ersten Ansätze zur Sicherung der Elbe gegeben, bzw. die Sicherung der Elbe steht im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Piraten. Andere militärischen Auseinandersetzungen („expeditiones“), wie 1416 gegen Dithmarschen, haben ebenfalls zu einem gesteigerten Interesse an der Elbsicherung beigetragen. Aus den weiteren Rechnungen ist zu beobachten, dass die Sicherung der Elbe immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.
Aus der Sicherung der Elbe ist im Laufe des 15. Jahrhunderts eine Überwachung der Elbe geworden und damit ist eine Kontrolle zur Einhaltung des Stapelrechts entstanden. So haben die Schiffe, die zur Sicherung der Elbe eingesetzt wurden, gleichzeitig auch aufgepasst, dass der Hamburger Getreidestapel nicht umgangen wurde. (12) Die Umgehung, durch befahren der Südelbe, ist durch Pacht der in dem Hafen des Grafen zu Schauenberg und Holstein angelegten Schiffe, entgegen getreten. 1468 hat der Rat sich offiziell das Recht gesichert die Elbe zu beschützen, trotz zahlreicher Beschwerden. So beschwerten sich die Kremper (und auch Wilster) über das aggressive Vorgehen der Hamburger Schiffe bei der Durchsetzung des Stapelrechts. Ein Hamburger Kreuzer hat ein Schiff, welches aus der Stör in die Elbe segelte, zum Kentern gebracht. Und das nur weil Getreide an Bord vermutet wurde. An Bord, bzw. im Wasser ist, neben der Besatzung, nur Herzog Adolf von Gottorp entdeckt worden, der nach Antwerpen reisen wollte.(13)
Hamburg ist bei der Anwendung des Stapelrechts weiterhin rigoros vorgegangen. Zusätzlich zu den Schiffen wurde das Elbufer an einigen wenigen Stellen gesichert, um die Schifffahrt an den Nebenarmen der Elbe zu unterbinden und Piraten am Strand- und Seeraub zu hindern. (14) Die finanzielle Not von Christian I. (König von Dänemark) ist dem Rat sehr gelegen gekommen, denn dadurch konnte Hamburg das Amt Steinburg pfänden. Damit gehörte Hamburg das Ausfalltor für den holsteinischen Getreideexport. Die Pfändungsurkunde besagt, dass das Amt Steinburg in der Zeit von 1468 bis 1485 an Hamburg verpfändet wurde. Allerdings wurden Zugeständnisse gemacht. Zu der Kornausfuhr steht in der Pfändungsurkunde ...“dass nur mit Erlaubnis des hamburgischen Amtmannes Korn von der Störe verschifft werden dürfte, mit Ausnahme des von Rittersmäßigen selbst gebauten und verladenem“. Hamburg hat sich nicht daran gehalten, sondern rigoros versucht das Stapelrecht durchzusetzen. (15) Ein Beschwerdebrief, datiert am 22.06.1478, von dem holsteinischen Amt Steinburg an den Hamburger Rat dokumentiert dies. (16) Der erste Abschnitt des Briefes ist als Erinnerung an die Zusagen der Stadt Hamburg zu verstehen, so heißt es in dem Brief „Wie Ihr wohl wißt als ihr von uns Pfandhuldigung nahmt, daß Ihr uns zusagtet, daß Ihr uns bei all unseren Gerechtigkeiten lassen würdet, und gedachtet uns zu schützen...“, um dann, die gegenwärtige Situation und die drohende Zukunft zu schildern. So wurde geschrieben „...wente in voertiden neme gi onse schepe in der Elbe, nu hale gi ze ute unser havene..“, was soviel bedeutet, wie „in früheren Zeiten nahmt Ihr uns unsere Schiffe auf der Elbe, nun holt Ihr sie aus unserem Hafen“ und in nächster Zukunft wird erwartet, „...man dat gi unse korne van unsen spikeren halen willen...“ dass das Getreide direkt aus den Speichern geholt wird. Weiter gibt es ein Verbot, dass ihr Bier nicht in Hamburg zugelassen ist, aber Hamburger Bier verkauft werden muss („Unse beer wille gi nicht an juwe stad steden, wii moten juwe beer bi dwange drincken, des wii doch wol tovrede weren...“). Aus dem Kontext mit dem Bier kommt die Frage zur Sprache womit denn das Bier aus Hamburg bezahlt werden soll, wenn ihnen jegliche Möglichkeiten genommen worden, um Profit zu machen. Durch die Anwendung des Stapelrechts kontrolliert der Hamburger Rat das Ausfalltor für den holsteinischen Getreideexport. (17) Nach Ablauf der Pfändungszeit ist weiter versucht worden das Stapelrecht aufrecht zu halten. Erst durch dänische Kriegsschiffe hat der Rat davon abgesehen das Stapelrecht anzuwenden. Die Streitigkeiten zwischen Dänemark und Hamburg waren damit nicht aus der Welt. Bis zu dem Tod von König Christian im Jahr 1555 ist das auch noch so gewesen. (18)
Die Stapelanmaßung Hamburgs hat zu zahlreichen Auseinandersetzungen geführt, die sich, wie mit Steinburg, über einen längeren Zeitraum erstreckten. Im Laufe des 14.Jahrhunderts hat sich ein florierender Binnenhandel entwickelt, der mit dem Rezess von 1458 den selbstständigen oberelbischen Handel formal verbietet. Ähnlich ergeht es 1462 den unterelbischen Gebieten, die nun auch kein Getreide mit Umgehung von Hamburg in das Ausland verschiffen dürfen und damit keinen selbstständischen Handel betreiben dürfen.
Magdeburg
Während der Blütezeit des Getreidehandels, die für Hamburg von ca.1650 bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts gewesen ist, reichte das von Hamburg kontrollierte Gebiet von Magdeburg die Elbe abwärts bis zur Nordsee. Die Stadt Magdeburg konnte, ohne das daraus Nachteile entstanden, dazu gebracht werden alle Waren nach Hamburg zu bringen, obwohl sie selbst seit 1309 im Besitz des Stapelrechts waren. 1538 fügte Magdeburg sich der Bestimmung, dass nur die Hälfte des nach Hamburg gelieferten Getreides zur weiteren Ausfuhr bestimmt ist, die andre Hälfte wird auf dem Hamburger Markt zum Kauf angeboten. Zu Problemen ist es allerdings auch hier gekommen. Es kam zu Streitigkeiten zwischen Hamburg und Magdeburg weil das Dorf Derben das Stapelrecht von Magdeburg nicht anerkannte und selbst Getreide für den Hamburger Markt angeboten hat. Magdeburg konnte sich zwar gegen Derben durchsetzen, aber Hamburg kontrollierte die Elbe von Magdeburg an abwärts bis zur Nordsee. 1631 musste Magdeburg sich dem Rivalen geschlagen geben.(19)
Rezesse
Die Rezesse der Hansestadt sind wichtige Dokumente. Sie geben Aufschluss über den Handel, die Gemeinde, die Bürger und die Entwicklung der Stadt. Darüber hinaus geben sie Aufschluss über die Probleme, die durch den Rezess gelöst werden sollen. Im weiteren zeitlichen Verlauf ist die Rede von Kornordnungen. Daran wird die zunehmende Bedeutung des Getreidehandels und den damit verbundenen Problemen deutlich.
Der erste Rezess von 1410
Ausgangspunkt für die Unruhen in Hamburg war, neben dem neuen Lübecker Rat, die Verhaftung des Bürgers Heyno Brand. Die Verhaftung hat aufgrund eines Beschwerdebriefes Herzog Johanns III. von Sachsen-Lauenburg stattgefunden. Die Vorwürfe lauteten Verletzung des Geleits und grobe Beleidigung. Im Gegensatz zu anderen Unruhen (Handwerkerunruhen von 1375) sind es dieses Mal „offensichtlich gut begüterte Kaufleute“ die ihren Unmut Kund tun.(20) Trotz der baldigen Freilassung von Heyno Brand, wurde ein Ausschuss gewählt, der mit dem Rat in Verhandlung trat. Zu den Verhandlungspunkten zählten eigenmächtige Kriegserklärungen, willkürliche Verhaftungen, ungenügende Unterstützung der Bürger vor fremden Gerichten, unbewilligte Steuererhöhungen, Duldung bestechlicher Diener, nachlässige Beaufsichtigung des Braugewerbes und die Unterstützung des vertriebenen Lübecker Rates, der 1408 in Lüneburg und in Hamburg Zuflucht gesucht hat. Alle Punkte sind von dem Rat im Sinne des Bürgerausschusses in dem Rezess umgesetzt worden. Allerdings ist der Rezess aufgrund dem Druck der anderen Hansestädte im Herbst 1417 wieder aufgehoben worden.(21)
Der zweite Rezess von 1458
Die Bürgerunruhen von 1458 sind auf den Lüneburger Prälatenkrieg zurückzuführen. Der Lüneburger Rat hatte die auf der Saline begüterten Kirchen, Klöster und Geistlichen zur Senkung der Staatsschulden aufgefordert. Der Zusammenhang mit Hamburg sind die Verhandlungen über die Höhe der Verzinsung und Amortisation zur Senkung der Stadtschulden, denn als Vermittler der Lüneburger Angelegenheiten war auch der Hamburger Rat beteiligt. Dabei hat der Rat die hansischen Interessen vertreten und hat so, die auf Grund der Zahlungsaufforderung ohnehin unzufriedene Kirche, auch noch die betroffene Bürgerschaft in Hamburg weiter gegen den Rat aufgewiegelt. Im Herbst ist die Situation eskaliert und es wurde zunächst eine Massenversammlung in der St. Nikolai-Kirche einberufen. Dabei ging es selbstverständlich auch um die 1418 verlorenen Privilegien. Ebenfalls fanden Stimmen der Kaufleute, die nach England segelten, Gehör. Sie beschwerten sich bei dem Rat über unbürgerliche Schikanen. Allerdings erkannten sie ebenfalls, dass der weitere Einfluss der Hanse sich schädlich auf den Handel auswirken kann. Im weiteren Verlauf haben sie der Auseinandersetzung ihre Hilfe angeboten, dabei allerdings auf eine Verbriefung ihrer Zugeständnisse gepocht. Anhand des Schreibstiels der Artikel 29 und 30 des Rezesses von 1458 kann daraus abgeleitet werden, dass diese Artikel verfasst wurden als die aufgebrachte Gemeinde, und nicht der Rat, die tonangebende Partei gewesen ist. Der Rat musste allen Forderrungen nachgeben, konnte aber im Einzelfall ein paar Einschränkungen durchsetzen. Bei den bereits von 1410 bis 1417 errungenen Rechten wurde ergänzt, dass flüchtige oder vertriebene Ratspersonen anderer Städte nicht mit Hilfe städtischer Organe zurückzuführen sind, es sei denn und das ist neu, „auf Verlangen des Kaisers, des Landherren oder der Hanse“. Allgemein wurde ergänzt, dass der Rat Forderungen der Bürger abschwächen kann. Ebenfalls besteht ein generelles Versammlungsverbot der Bürger.(22) Das der Rezess mehr Mitsprache für die Gemeinde bedeutet ist nur bedingt wahr, die Kornausfuhr ist weiter in den Händen des Rates geblieben. Artikel 29 beinhaltet die Genehmigung, ob überhaupt Korn ausgeführt werden darf, einzig und allein in die Hände des städtischen Rates zu legen. Erstmals ist die Rede von einer Stapelanmaßung für Getreide. So heißt es wortwörtlich nach Artikel 30 des Rezesses „Korn, dass man aus den oberländischen Gegenden zur Abfuhr nach dem Ausland sende, dürfe nur die Elbe hinunterkommen und müsse Hamburg berühren [...] willkürliche Strafen behalte der Rat sich außerdem noch vor.“ Der bisher selbstständige Getreidehandel der Binnenstädte wird durch die Umsetzung der Artikel 29 und 30 zur Sicherung der eigenen Bedürfnisse deutlich erschwert. Der Auslöser für die Unruhen, die als Folge den zweiten Rezess hatte, ist die Kirche gewesen. Um weitere Schwierigkeiten zu vermeiden hat der Rat sich das Recht vorbehalten alle Briefe an die Kirchspiele ungeöffnet zu erhalten und im Beisein einer Bürgerabordnung zu öffnen und dann nach eigenem Ermessen zu erledigen. (23)
Artikel 29 und 30 des Rezesses von 1458
Reccesfus de Anno 1458. (24) Art. 29.Item Schall nemend föhren uhlt düße Stadt Korn andree güder, de de Raht hefft verbeden, edder verbedet, sunder vulbohrt des Rades, were idt dat idt jemand darent boven dede, so schölen de güder de so uth geföhret würden, tho der Stadt behoff verfallen weßen, dartho schall derjenige, de dat deit edder dohnleth dat betern mit tein mark sülvers, unde we dat meldet, de schall dar den teienden pennig affhebben.
Art.30.
Item were idt, dat jemand anders wie bylangs der Elve korn schepede, und darmede thor seewart in anderen Landen sgelde, deit dat ein börger edder inwohner dieser stadt, de schall hier nicht länger Börger edder inwahner wesfen, deit dat averst ein gast, de schall in unser Stadt hafen nicht mehr laden, och de Stürmanne und Schiplude, de dar also mede wesfen hebben, schall neen Schipper mehr föhren, men schall dat schip och nicht mehr schepen in unser Stadt haven, effte idt de Schipper wol Verkoffte, we dat brickt de schall dat beteren na wilkör des Rades so vaken he dat deit.
Der dritte Rezess von 1483
Die Situation im Jahr 1483 ist schlecht, die Rede ist von einer Mangelversorgung/Hungersnot. Obwohl das bisher willkürlich in Anspruch genommene Stapelrecht, aufgrund der Mangelversorgung und damit verbunden Teuerungen auf Anliegen des Hamburger Rates 1482 vom Kaiser offiziell bestätigt wurde, änderte nichts an der Situation. Angeblich sollen dabei auch Bestechungsgelder geflossen sein. (25) Eher ist das Gegenteil der Fall, denn die Interessen der einheimischen Geschäftsleute sind weiterhin an erster Stelle. Nicht nur die Gewinnsucht der Kaufmänner und die Hamburger Politik, die vermutlich ebenfalls von den Getreideexporten profitierte, (26) sind für die Preissteigerungen verantwortlich, auch wenn es so mehrheitlich von der Bevölkerung angenommen wurde. Zu den weiteren Problemen zählen Dürre- und Hitzezeiten im Sommer, Viehverluste in den Marschgebieten, durch Sturmfluten und strenge Winter. Diese Extrema waren über einen längeren Zeitraum zu beobachten gewesen und führten zu verhältnismäßig schlechten Ernten. Auch der Krieg zwischen dem Erzherzog Maximilian von Holland und König Ludwig XI. von Frankreich hatte Folgen für den Handel in Hamburg. Durch eine Handelssperre in Richtung Frankreich mussten die Niederländer viel mehr Waren aus Hamburg beziehen. Die Ursache der Teuerung ist also die Folge aller Einflüsse gewesen. Nicht nur die Gewinnsucht der Kaufmänner hat zu erheblichen Teuerungen geführt, wie es der Volksmund propagierte. Allerdings ist nicht genau festzustellen um wieviel die Preise angestiegen sind. Der damalige erste Bürgermeister, Dr. Hermann Langenbeck hat in der Zeit während der Unruhe Buch geführt. (27) Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass die Teuerung für Gerste-, Roggen- und Butterpreise in den Jahren 1481-83 auf das vier- bis fünffache über den Preisen des Jahres 1884 gelegen haben sollen. Aus den Lebensmitteleinkäufen des St. Georgs-Hospitals ist in derselben Zeit eine Preiserhöhung um das dreifache festzustellen und als wahrscheinlicher anzusehen. Die Aufzeichnungen des Bürgermeisters beziehen sich nur am Rande auf die Preissteigerung der Lebensmittel und sind auch deshalb eher als übertrieben zu bewerten, als die Rechnungen eines Krankenhauses. Für weitere genauere Angaben zu den Teuerungen fehlen die entsprechenden Angaben. (28) Obwohl es wahrscheinlich Absprachen zwischen Bürgerschaft und Politikern gegeben hat, sind Bürger auch an den Unruhen beteiligt gewesen. Mit stagnierendem Bierexport nach Holland hat der Rat versucht während der Teuerungen durch die Islandfahrten einen neuen Absatzmarkt zu erschließen. (29) Während in Hamburg nur eine Minderheit der Bürger gegen die Fahrten und für die Stärkung des städischen Marktes ist, ist der wendische Städtebund gegen die Fahrten der Hamburger. Aus dem Rezess des wendischen Städtetages von 21.04.1482 geht aus dem Unterpunkt 42. hervor, „...dass es den Städten nicht nach [ihrem] Willen sei, und sie begehren auch, dass die isländische Reise von den Hamburgern eingestellt werden solle, [gestanden] jedoch [zu], dass die beladenen Schiffe gegenwärtig [noch] dahin segeln könnten...“. (30) Die Visitation des Klosters Harvestehude, die im Herbst 1482 im Zuge neuer Reformen durchgeführt wurde, erregte ebenfalls die Gemüter der Bürger. In dem Kloster waren vorzugsweise Bürgertöchter, die es mit dem Armutsgelübdes nicht so genau genommen haben und sich diverser Annehmlichkeiten erfreuten. Nun standen die Verwandten ebenfalls gegen die Politik des Rates. (31)
Aus den Unruhen organisierte sich schließlich eine Opposition, die gegen den Rat der Stadt agierte. Zu der Zeit der Verhaftung ihres Wortführers, dem Brauer Hinrik van Lohe, weilte der erste Bürgermeister gerade bei einem wendischen Städtetag in Lübeck. Der zweite Bürgermeister, der umstrittene Johann Huge, hat nichts gegen die Unruhen unternommen, sondern sich nur versteckt. Der Inhaftierte wurde wieder freigelassen und bei einer Bürgerversammlung ist eine Rezessforderung beschlossen worden. Der Aufstand, der allgemein hin als Aufstand des einfachen Pöbel dargestellt wird ist in Wirklichkeit weit mehr gewesen. Die Opposition gegen den Rat war indessen viel breiter und umfasste Anhänger aller Schichten, wie Langenbeck, rückblickend sagte „in groter menge, der man sik nummervermodet hedde“. (32) Immer noch in Lübeck bei dem Städtetag, erfuhr er von den Umständen in Hamburg und verlegte kurzerhand die tagende Versammlung nach Hamburg und legte einen kurzfristig vorbereiteten Rezess vor. Die Situation eskalierte noch einmal. In der Nacht zum 24.06.1483 nach dem Johannistanz wurde das Rathaus gestürmt. Dadurch hat sich die Haltung der Bürgerschaft geändert und ihr Redensführer Hinrik von Lohe musste beobachten wie sich nun das Groß der Bürgerschaft hinter den Rat stellte und der nach Buxtehude geflohene Bürgermeister Langenbeck wieder zurückgerufen wurde. Mit der Mehrheit der Bürgerschaft im Rücken konnte der rehabilitierte Bürgermeister wieder für Ordnung sorgen und die Beteiligten zur Rechenschaft ziehen. Sie wurden angeklagt und zum Teil zum Tode verurteilt. Ihr Anführer blieb zunächst am Leben, weil er nicht aktiv an dem Aufruhr beteiligt war. Allerdings wurde er später aus einem anderen Grund doch zum Tode verurteilt, denn er hatte sich an einer schwangeren Frau vergangen. (33)
Nach den Unruhen ist es bei den Vereinbarung des kurzfristig vorbereiteten Rezesses geblieben. Dazu ist für den Frieden neben dm Rezess auch der Treueid von Bedeutung. Alle Aufständischen wurden Vereidigt, was so gut angekommen ist, dass von nun an jeder Bürger den Eid „in hast gefunden“ (34) schwören musste. Der Eid ist in den Rezess als Artikel 70 mit aufgenommen worden und blieb mit dem hamburgischen Bürgerrecht bis 1844 gültig. Die Vereinbarungen des Rezesses von 1483 beziehen sich zum Großteil auf die vorherigen Rezesse. Es wurden 23 Artikel genauso übernommen und acht Artikel abgeändert in den neuen Rezess aufgenommen. Diese beinhalten keine Freibriefe mehr für Kornverladungen und Verschiffungen(35), was ein generelles Exportverbot von Getreide sowie Regelungen zu den Ämter- und Marktverhältnissen. Das Strafmass bei Nichtachtung ist auf die Höchststrafe festgelegt worden.
Der Rezess ist als Vorläufer einer Verfassung zu verstehen und haben während des gesamten Spätmittelalters den inneren Frieden Hamburgs bewahrt. (36)
Handelsrouten
Umso mehr Stapelkämpfe Hamburg gewonnen hat, desto mehr Getreide war in der Stadt und umso weiter wurde damit auch Handel getrieben. Es wurde mit Skandinavien, Spanien, England, Holland und im Zuge der Hungersnot von 1595 erstmals auch nach Italien. Auch England gehört zu den Handelszielen der Hamburger Kaufleute, allerdings führte es jedes Mal zu Problemen.
Im Zuge eines angestrebten „exklusiv Vertrages“ mit England griff die Hanse ein und Hamburg musste das Bestreben beenden.(37)
Daraufhin versuchten die Hamburger Händler Getreide nach Spanien, an die Feinde der Engländer, zu verschiffen. Allerdings fingen Engländer diese Schiffe ab und hielten sie zunächst in England fest. Hamburg bemühte sich später erneut um einen Exklusivvertrag und die Rückkehr der Schiffe aus englischem Besitz, während Lübeck, die ebenfalls Schiffe verloren hatten, auf ein Handelsverbot mit England hinaus wollten. Hamburgs Plan ging am Anfang des 17. Jahrhunderts auch auf. 1611 und 1618 wurden sich die Hamburger mit den Engländern einig. Sie vereinbarten, dass englische Schiffe das Stapelrecht Hamburgs respektierten und möglichst nur Hamburg anzulaufen haben.
(Hamburger) Rechte
Marktrecht: Mit Erhalt des Rechtes ist es die erste Pflicht der städtischen Obrigkeit für die regelmäßige Versorgung mit Getreide zu sorgen. Dazu ist es erforderlich den Verkauf von Waren auf die Märkte der Städte zu ziehen
Durch ein Signal in Form einer Glocke, einer Fahne oder Kreuz wurde der Markt eröffnet.
Jeder Bürger soll so günstig wie möglich und ohne Zwischenhändler an Getreide kommen. Überbieten war verboten.
In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Marktrecht steht das Teilungsrecht.
Teilungsrecht: Ein reicher Bürger kauft viel Getreide. Es soll gelagert werden, es soll gewinnbringend, also zu einem höheren Preis, weiterverkauft werden. Das wird dem Händler verboten, wenn nicht genügend Getreide für alle auf dem Markt zu kaufen ist, dann wird das Getreide zum ursprünglichen Festpreis zur Deckung des Eigenbedarfes wieder verkauft.
Stapelrecht (oder Niederlagsrecht ): Um jede Stadt deren Handelspunkt/Häfen mehr als eine Meile betrugen, um anderweitigen Handel zu unterbinden und dazu vorbeikommende Schiffe zum „Markthalten“ zu zwingen. Markthalten bedeutet, dass die Schiffe anlegen müssen und ihre Waren dann auf dem jeweiligen Markt anzubieten haben. In Hamburg ist erstmals in dem Rezess von 1458 die Rede von der Stapelanmaßung, obwohl das Ziel nach mehr Kontrolle über die Handelswaren schon länger verfolgt wurde. Schon im 14. Jahrhundert strebte der Rat von Hamburg eine Handelspolitik an, welche die Ausfuhr der wichtigsten Güter (Getreide und Bier) kontrollieren sollte.(38) In der Zeit wird auch der Strafenzwang als eine Erweiterung des Zwang- und Bannrechtes eingeführt. Es werden Wege begünstigt, die in die Stadt führen. Ziel ist, den Radius immer weiter zu vergrößern, um mehr Korn auf dem heimischen Markt anbieten zu können.(39) Zu den weiteren Errungenschaften aus der Zeit des großen Getreidehandels, die nicht mehr unter dem, im Normalfall verliehen Recht zu verstehen sind sondern durch die Händler in Hamburg eingeführt wurden zählen das Wechselrecht von 1603, die Girobanken von 1619 und die allgemeine Ausbreitung des Frachtfuhrgewerbes. Alle diese Errungenschaften bieten Möglichkeiten weiterhin Handeln zu betreiben ohne das Stapelrecht in Anspruch zu nehmen.(40)
Getreidehandel im Wandel der Zeit
Trotz beständiger Probleme, wie die bereits angesprochenen Hungersnöte und das Schmuggeln von Getreide aufgrund der hohen Steuern und der Profitgier vieler Händler der wirtschaftliche Aufschwung weiter voran ging, weht nun ein anderer Wind.
Der 30 Jährige Krieg hat zu zahlreichen kleinen Territorien entlang der Elbe geführt. Dadurch sind die Elbzölle drastisch gestiegen, weil nun für das Befahren jedes einzelnen Gebietes Zoll gezahlt werden musste. Zollerpressungen sind ebenfalls an der Tagesordnung gewesen. Durch den Krieg ist der Zustand der Elbe ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden. Sandbänke, Überschwemmungen und Hindernisse zum Beispiel in Form von Baumstämmen erschwerten die Fahrt. Die hohen Fahrtkosten führten dazu, dass die Ware immer teurer wurde, um trotz Elbnutzung noch einen Gewinn zu erwirtschaften. Außerdem hat es unterschiedlich schwere Münzen seit dem Ende des Krieges gegeben, die unter dem Begriff Münzverwirrung alles noch unnötig erschwerten. Sicherlich auch durch die aktuellen Umstände setzte Christian von Dänemark den Handel mit Hamburg aus und wählte stattdessen Glücksstadt. Unabhängig davon ist, wie bereits geschrieben wurde, das Verhältnis von ihm zu Hamburg ein sehr schlechtes gewesen. Was auch erklärt, warum Dänemark 1664 versuchte, mit Zollfreiheit in Altona, Hamburg weiter Konkurrenz zu machen.(41) Halbherzige Versuche der Hamburger, den Elbhandel wieder zu beleben, scheiterten unter anderem wegen Magdeburg, das sich 1674 aus den Verhandlungen zur Wiederbelebung des Elbhandels ausklinkte, weil sie 1666 das Stapelrecht erneuert bekamen und man so den Zöllen der Elbuferstaaten entgegenzuwirken versuchte. Wie bereits geschrieben, musste Magdeburg sich auch den Hamburger Stapelschikanen unterordnen, was sie sicher nicht vergessen haben. Nach dem Treffen von 1711 stellte Friedrich Wilhelm I die Versuche zur Wiederbelebung des Elbverkehrs ein. Aufgrund der Umstände wurde in Hamburg gegen Ende des 17. Jahrhunderts beschlossen, dass es an der Zeit ist, wirklich zu handeln, allerdings nur ganz langsam. Erst 1713 wurden die Zölle in einzelnen Bereichen halbiert oder gedrittelt und wiederum erst 1748 gab es eine völlig freie Durchfahrt für Getreide. Das änderte nichts daran, dass der Getreideanbau sich insgesamt weiter in Richtung Osten verschoben hat, als Folge der zunehmenden industriellen Bevölkerung in Mitteldeutschland. (42) Ein Indiz für eine Handelsstadt, wie Hamburg sie war, ist die Größe des Getreidehandels. Industriestädte, wie Augsburg eine war, hatten praktisch keinen Getreidehandel.
Fußnoten
(1) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik.S.50.(2) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik.S.6ff.
(3) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 37.
(4) Siehe auch Hamburger Rechte Marktrecht.
(5) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 76.
(6) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 77.
(7) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S.20, 79f.
(8) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 85ff.
(9) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 124-128.
(10) Auch unter der Rubrik „ad diversas naves, ad usum lburni“ sind Einträge über die Kosten der Piratenbekämpfung gemacht worden.
(11) Tschentscher, Hamburgische Elbhoheit, 1956. S.31.
(12) Vgl. Tschentscher, Hamburgische Elbhoheit, 1956. S.32.
(13) Vgl. Naudé, Deutsche städtische Getreidepolitik.S.48
(14) Vgl. Tschentscher, Hamburger Elbhoheit,1956. S.29.
(15) Naudé Deutsche städtische Getreidepolitik. S.40.
(16)Hansisches Urkundenbuch 10, Nr 683.
(17) Vgl. Tschentscher, Hamburger Elbhoheit,1956. S.30.
(18) Vgl. Naudé Deutsche städtische Getreidepolitik. S.49.
(19) Vgl. Naudé Deutsche städtische Getreidepolitik. S.43, 50-52.
(20) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner.S.123.
(21) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.124-125.
(22) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.125-128
(23) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S.38-40.
(24) Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S.131
(25) Vgl. Naudé, Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 40-41.
(26) Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.130
(27) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.129
(28) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.129
(29) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.131
(30) Hanserezesse III 1,Nr. 365. (31) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.131
(32) Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.132.
(33) ebd. S.133. ßig(34) ebd. S.133. ßig(35) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S.42.
(36) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S.132.
(37) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, S.52f.
(38) Vgl. Joachim; Loose. Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. S171-173.
(39) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 15-17.
(40) Vgl. Naudé. Deutsche städtische Getreidepolitik. S. 57.
(41) ebd. S. 55ff. BR% (42)ebd. S.60.
Literaturangaben
NAUDÈ, Wilhelm. Deutsche städtische Getreidehandelspolitik vom 15. –17. Jahrhundert, mit besonderer Berücksichtigung Stettins und Hamburg, Leipzig 1889 (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen Bnd. 36).
JOACHIM, Werner; LOOSE, Hans-Dieter (Hg): Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Hamburg: Hoffmann und Campe 1991 ( Von den Anfängen bis zur Reichsgründung, Band 1).
TSCHENTSCHER, Horst. Die Entstehung der Hamburgischen Elbhoheit (1189-1482). In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 43, 1956;S.1-48.
Hansisches Urkundenbuch 10, Nr 683.
Hanserezesse III 1,Nr. 365.