Quellenpaket 16

Bearbeitet von Britta Kohlenmann


Verfolgung von Seeräubern (1420)

Die folgende Quelle ist einer Lübecker Chronik, der Rufus-Chronik, genauer gesagt dem zweiten Teil der Chronik entnommen, der Ereignisse zwischen 1395 und 1430 schildert. Die Rufus-Chronik geht auf eine nicht erhaltene lateinische Fassung der Chronik des Lübecker Dominikaners Hermann Korner zurück.

Übersetzung der Quelle

"Auch geschah es um dieselbe Zeit [das heißt: im Jahre 1420] daß die Vitalienbrüder vor Hamburg in der Elbe Schiffe nahmen, die mit Bier und anderem Gut beladen waren, und das Gut verkauften teils bei den Othmarschern, teils, wo sie es konnten. Auch brachten sie davon viel auf das Schloß zu Schwabstedt, das zu der Zeit Hartwig Brede von des Herzogs von Schleswig wegen innehatte. Als dies die Bürger von Hamburg vernahmen, bereiteten sie sehr schnell Schiffe zu, die wohl bemannt waren, und folgten den Feinden bis vor das Schloß. Dadurch wurden die Seeräuber sehr erschreckt. Sie liefen nach hinten weg aus der Burg und kamen zu einem Wald. Als Herzog Heinrich von Schleswig dies vernahm, daß viel [Raub-]Gut nach Schwabstedt gekommen war, wurde er außerordentlich zornig und sandte dem Hauptmann des Schlosses Boten und und forderte von ihm das Gut der Hamburger, daß ihnen genommen worden war: wenn er es nicht zurückgeb, solle es ihn das Leben kosten. Dafür entschuldigte sich Hartwig sehr vor seinem Herrn und sprach: 'Herr, laßt das Schloß durchsuchen, und wenn ihr von dem Gut für einen Pfennig findet, will ich mein Leben verwirkt haben.' Da sandte der Fürst die Seinen mit den Hamburgern auf das Haus und ließ Haussuchung halten. Da fanden sie viel von dem Gut, das ihnen zu der selben Zeit genommen worden war. Da wollte der Herr den Hauptmann hängen lassen; aber die von Hamburg verhinderten es und erbaten ihm sein Leben; aber er mußte schwören, auf ewige Zeiten das Land zu verlassen."

Quelle übersetzt nach: Rufus-Chronik, 2. Teil (Die Chroniken der deutschen Städte 28 = Lübeck 3, Leipzig 1902), hrsg. von Karl Koppmann, cap. 1336, S. 131f.


Rezess zum Handel (1458)

Rezesse wurden als schriftliche Vereinbarungen wischen Stadtrat und Bürgerschaft festgehalten. Die folgenden drei Artikel des insgesamt 33 Artikel umfassenden Rezesses von 1458 lassen erkennen, dass Getreide als besonders wichtige Handelsware erschien. Es spielte nicht nur zur Selbstversorgung der Stadt und als Rohstoff für Exportbier eine wichtige Rolle, sondern auch als Ware eines profitbringenden Zwischenhandels. Der Auszug des Rezesses verdeutlicht einige Schwierigkeiten des Handels, die sich in Hamburg ergaben, außerdem wurden hiermit auch Handelsrechte von Gästen eingeschränkt. Rezesse fanden jeweils im Anschluss an Aufstände - so 1410, 1458 und 1483 - statt.

Vom Rezess 1458 liegen insegesamt 28 Handschriften vor.

Quelle (Original)

"29. Item schal nemand uth desser stad voren korne edder andere gudere, de de raed heft vorboden edder vorbedet, sunder vulbord des rades. Were, dat id iemand dar emboven dede, so scholen de gudere, de so uthghevored worden, to der stad behoeff vorvallen wezen; dar to schal degenne, de dat doet edder doen leth, dat betheren mid teyn marken sulvers, unde we dat meldet, de schal dar den teynden penningh af hebben.

30. Item, weret, dat jjemand anderswor bilanges der Elve korne schepede unde darmede to der seeward in andere lande zeghelde, doet dat eyn borger edder inwoner desser stad, de schal hyr nicht lengk borgher edder inwoner wesen. Doet dat over eyn gast, de schal in unser stad havene nicht meer laden. unse borghere scholen ene oek in anderen havenen nicht mehr laden. Ok de sturmanne unde schiplude, de dar also mede wesen hebben, schal neen schipher mer voren. Men schal oek dat schip nicht meer schepen in unser stad havene, oft id de schipper wol vorkofte. We dat brikt, de schal dat beteren na willekore das rades, so vakene he dat doet.

31. Item, so wol hyr van buten in veyle bringet ghose, andfoghelle, honre, botteren, eygere edder andere sodane etelware, komet de des morgen mit sodaner ware, so schal he darmede apembare to markede staen, wente dat de clocken elven sleid to middaghe, unde vor der tyd schal neen vorhoker edder vorhokersche kopen, dat zee vort vorkopen willen. Queme eyn over namiddage mid sadaner etelware unde darmede to markede stunde, so scholen de oek nene vorhoken edder vorhokerschen kopen, mer andere unse borghere scholen unde moghen de kopen des avendes. Konde he oek darmede nicht to markede staen, so schal he des anderen morgens, went dat de clocke elven sleit, darmede to markede staen unde eer der tyd de nenen vorhoken vorkopen."

Übersetzung der Quelle

"29. Niemand soll aus dieser StadtGetreide? oder andere Güter führen, die der Rat [auszuführen] verboten hat oder verbietet, ohne Zustimmung des Rates.Wenn jjemand es darüber hinaus täte, so sollen die Güter, die auf diese Weise ausgeführt worden sind, zum Nutzen der Stadt verfallen sein; außerdem soll derjjenige, der das tut oder tun läßt, das mit zehn Mark Silber bessern, und wer das meldet, der soll davon den zehnten Pfennig haben.

30. Wenn jemand anderswo entlangder Elbe Getreide verschifft und damit seewärts in andere Länder segelte, wenn das ein Bürger oder Einwohner dieser Stadt tut, der soll hier nicht länger Bürger oder Einwohner sein. Wenn das aber ein Gast tut, der soll im Hafen unserer Stadt nicht mehr laden. Unsere Bürger sollen ihn auch in anderen Häfen nicht mehr beladen. Auch die Steuermänner und Schiffsleute, die auf solche Art dabei gewesen sind, soll kein Schiffsherr mehr beschäftigen. Aber es soll auch das Schiff nicht mehr in den Hafen unserer Stadt fahren, selbst wenn es der Schiffsherr verkaaufte. Wer dies bricht, der soll es nach dem Ermessen des Rates bessern, sooft er es tut.

31. Wer hier von außerhalb feilbietet Gänse, Enten, Hühner, Butter, Eier und andere solche Eßware, wenn er morgens mit solcher Ware kommt, so soll er damit öffentlich auf dem Markte stehen, bis die Uhr elf Uhr zu Mittag schlägt, und vor dieser Zeit soll kein Höker oder keine Hökerin kaufen, was sie weiter verkaufen wollen. Wenn einer aber nachmittags mit solcher Eßware kommt und damit auf dem Markt steht, so sollen die auch keine Höker oder Hökerinnen kaufen, sondern andere unserer Bürger sollen und können die abends kaufen. Wenn er auch damit nicht auf dem Markt stehen kann, so soll er am anderen Morgen, bis die Uhr elf schlägt, damit auf dem Markt stehen und vor dieser Zeit sie an keinen Höker verkaufen."

Quelle übersetzt nach: : Hans Feldtmann: Der zweite Rezeß vom Jahre 1458, in: Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte 27, 1926, S. 141-196, hier Seite 161f.


Kommentare zu den einzelnen Artikeln

Zu Artikel 29 Zu den verbotenen Gütern in Hamburg zählten Korn, Malz, Mehl, Hopfen etc. und anfangs auch Bier. Um eine ausreichende und günstige Versorgung der eigenen Bürger sicher zu stellen, wurden der Zwischenhandel und Warenaufkauf durch Fremde in der Stadt und ein zusätzliches Ausfuhrverbot auf gewisse wichtige Grundnahrungsmittel als gängiges Mittel in der Lebensmittelpolitik eingesetzt. Hans Feldtmann bezeichnet diesen Artikel als Zugeständnis an die erregten Massen. Sowohl die weniger gut situierten Bürger als auch die, die Arbeiter beschäftigen und ernähren mussten, beobachteten seit einiger Zeit den aufblühenden Getreidehandel mit Sorge. Durch den 29. Artikel bekommt nun der Rat das alleinige Ausfuhr. Erst der Rezess 1483 lässt die Gemeinde wieder an der Lebensmittelpolitik partizipieren.

Zu Artikel 30 Mit diesem Artikel wird das Verbot für Einwohner und Bürger, elbisches Korn nicht direkt seewärts auszuführen, auch auf Fremde übertragen. Dies bedeutet, dass die Hamburger ein allgemeines Stapelrecht für an den Elbufern verfrachtetes Getreide für sich beanspruchten. 1460 kam es zwischen den Holländern und den Hambugrern zu Auseinadersetzungen, weil die Hamburger ein von Freiburg seewärts segelndes holländisches Weizenschiff beschlagnahmten und sich auf ihr Elbkornstapelrecht beriefen.