Quellenpaket 19

Bearbeitet von Marco Daszinies

1 Getreidehandel und Monopolbestrebungen (1478)

1.1 Abschrift der Quelle: hanseatischem Urkundenbuch 10 Nr. 663

Unsen dinst mid vormoghe alles guden. Ersamen leven heren. So juw wol vordacht is, do gi van uns pandhuldige nehmen, dat gi uns seden bi alle unsen rechticheiden to latende unde dachten uns to vorbiddende to like unde to rechte, wo uns dat gheholden ward, dat vinden wii unde de unsen wol an jw, wente in voertiden neme gi onse schepe in der Elbe, nu hale gi ze ute unser havene, unde wii sin anders nich vormodende, man dat gi unse korne van unsen spikeren halen willen. Wii hebben juw huldighet vor heren unde vinden juw vor vigende, nadem dat gi uns dat unse nehmen laten ute unser havene, des ne scheen is bi dusser werld. Hadden wii sodanes van juw vermodet, wii wolden juwe sendebaden dar wol to vormocht hebben, se scholden uns neen gud mer ghenomen hebben. Alsus so wille gi uns nicht vor undersaten kennen unde wii juw doch gherne vor heren wolden kennen, man gi sin uns in allen unsen neringhen enthegen. Unse beer wille gi nicht an juwe stad steden , wii moten juwe beer bi dwange drincken, des wii doch wol tovrede weren, wo gi uns wolden gunnen unser neringe, dar wii mochten gheld werven, dar wii juwe beer mochten mede betalen. Man deme willen gi so nicht don, sunder gi vordervet arme lude, de juw vele gudes kornes tovoret hebben unde mochten lichte enen penning werven, dar se sik unde ere kindere mochten mede voeden unde juw doch nicht vorsleit, unde were wol vor de juwen, dat me sodane korne wech vorde, dar dat geld mochte ghelden, unde dat me juw denne gud versch unvorvalschet mochte bringen, dat unse leve here God noch gheven will, unde so bleve gi bi juwem worde, alse gi uns toseden, wan de gherste were nedden 7 mark, so mochten wii wol mede tor zee vare. Leven heren, dat gii hir wolden up trachten unde gheven uns sodane schepe unde korne wedder, also gi uns ghenommen hebben unde leten uns bi unser rechticheid, so moghen wii spreken, dat gi unse heren sin, unde willen juw dar ok wol vor kennen unde vormoden uns wol, efft nene privilegia hadden, so scholden gi dat noch mit rechte nouwe beschermen konen, dat me juw alle dat korne tovoren unde anders nemande. Wes juw hirane to sinne is, des begheren wii juwe schrifft[l]ige antworde bi dussem bode. Gode sund unde salich bevolen. Gheschreven under unser stad ingesegel des mandages vor Johannis anno etc. 78. Burgermestere unde radmanne tor Crempe, juwe leven undersate.


1.2 Zusammenfassung der Quelle

Der Brief ist eine Beschwere der Ratsleute und des Bürgermeisters von Krempe an die Stadt Hamburg. In der Zeit von 1465 bis 1485 war das Amt Steinburg, zu dem Krempe gehört hat, an Hamburg verpfändet worden. In dieser Zeit hat Hamburg dort landesherrliche Rechte wahrgenommen. Der erste Abschnitt des Briefes ist als Erinnerung an die Zusagen der Stadt Hamburg trotz der Pfändung zu verstehen, so heißt es in dem Brief „Wie Ihr wohl wißt als ihr von uns Pfandhuldigung nahmt, daß Ihr uns zusagtet, daß Ihr uns bei all unseren Gerechtigkeiten lassen würdet, und gedachtet uns zu schützen...“, um dann, die gegenwärtige Situation und die drohende Zukunft zu schildern. So wurde geschrieben „...wente in voertiden neme gi onse schepe in der Elbe, nu hale gi ze ute unser havene..“, was soviel bedeutet, wie „in früheren Zeiten nahmt Ihr uns unsere Schiffe auf der Elbe, nun holt Ihr sie aus unserem Hafen“ und in nächster Zukunft wird erwartet, „...man dat gi unse korne van unsen spikeren halen willen...“ dass das Getreide direkt aus den Speichern geholt wird. Weiter gibt es ein Verbot, dass ihr Bier nicht in Hamburg zugelassen ist, aber Hamburger Bier verkauft werden muss („Unse beer wille gi nicht an juwe stad steden, wii moten juwe beer bi dwange drincken, des wii doch wol tovrede weren...“). Aus dem Kontext mit dem Bier kommt die Frage zur Sprache womit denn das Bier aus Hamburg bezahlt werden soll, wenn ihnen jegliche Möglichkeiten genommen worden, um Profit zu machen. Im letzten Abschnitt des Briefes wird vorgeschlagen das Getreide dann von Hamburg aus dahin zu transportieren, wo die Preise besonders hoch sind, um dann frische und unverfälschte Ware nach Hamburg zu bringen. So steht in dem Brief geschrieben „...unde were wol vor de juwen, dat me sodane korne wech vorde, dar dat geld mochte ghelden, unde dat me juw denne gud versch unvorvalschet mochte bringen...“. Die strengen Auflagen der Stadt Hamburg können mit durchaus mit verfälschter Ware aus Krempe im Zusammenhang stehen, denn im Brief heißt es weiter „...und so bleibt ihr bei Eurem Wort, als Ihr uns zusagtet, wenn die Gerste unter 7 Mark sei [...] uns solche Schiffe und Getreide wiedergeben, wie Ihr es uns genommen habt und uns unsere Gerechtigkeit lasset...“. Es wird immer wieder betont, dass Hamburg „unsere Herren seid“ und das sie auch als solche anerkannt werden. Der Brief ist unter dem Siegel der Stadt Krempe geschrieben worden.


1.3 Übersetzte Quelle: hanseatisches Urkundenbuch 10 Nr.663

Unseren Dienst mit Entbietung alles Guten. Ehrsame, liebe Herren! Wie Ihr wohl wißt, als Ihr von uns Pfandhuldigung nahmt, daß Ihr uns zusagtet, daß Ihr uns bei all unseren Gerechtigkeiten lassen würdet, und gedachtet, uns zu schützen, wie es billigt und recht ist, wie uns das gehalten wird, das bemerken wir und die Unseren klar an Euch; denn in früheren Zeiten nahmt Ihr unsere Schiffe in der Elbe , nun holt Ihr sie aus unserem Hafem; und wir erwarten nichts anderes, als daß Ihr unser Getreide von unseren Speichern holen wollt. Wir haben Euch gehuldigt als Herren und finden Euch als Feinde, nachdem Ihr uns das Unsere habt nehmen lassen aus unserem Hafen, was in dieser Welt noch nicht geschehen ist. Wenn wir solches von Euch erwartet hätten, dann hätten wir Eure Sendboten wohl dazu gebracht, daß sie uns kein Gut mehr hätten nehmen sollen. Auf solche Weise wollt Ihr uns nicht als Untertanen anerkennen; aber Ihr seid uns in all unserem Nahrungserwerb entgegen. Unser Bier wollt Ihr nicht in Eurer Stadt zulassen; wir müssen Euer zwangsweise trinken; damit wären wir wohl zufrieden, wenn Ihr uns unseren Nahrungserwerb gönnen wolltet womit wir Geld verdienen können. Aber das wollt Ihr so nicht tun; sondern Ihr verderbt arme Leute, die Euch viel gutes Getreide zugeführt haben und die leicht einen Geldbetrag verdienen könnten, von dem sie sich und ihre Kinder ernähren könnten und [der] Euch doch nicht nützt; und es wäre gut für die Euren, wenn man solches Getreide [dorthin] wegführte, wo es Geld wert ist, und wenn man Euch dann frische und unverfälschte Ware bringen könnte, die unser lieber Herr Gott noch geben wird; und so bleibt ihr bei eurem Wort, als Ihr uns zusagtet, wenn die Gerste unter 7 Mark sei, so dürften wir wohl [da]mit zur See fahren. Liebe Herren, daß Ihr hierüber nachdenken wolltet und uns solche Schiffe und [solches] Getreide wiedergeben, wie Ihr es uns genommen habt; und uns bei unserer Gerechtigkeit lasset, so können wir sagen, daß Ihr unsere Herren seid, und wollen Euch auch als solche anerkennen; und [wir] argwöhnen, wenn wir keine Privilegien hätten, würdet Ihr doch noch rechtmäßig [und] genau Euren Schutz dahin wenden können, daß man Euch und niemandem sonst all das Getreide zuführe[n müsse]. Was Ihr hierin denkt, dessen begehren wir Eure schriftliche Antwort durch diesen Boten. Gott heil und selig befohlen. Geschrieben unter dem Siegel unserer Stadt [...]

Literatur

Naudé,Wilhelm. Deutsche städtische Getreidehandelspolitik vom 15-17. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung Stettins und Hamburgs, Leipzig 1889 ( Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen36 = Bd. 8, H. 5).

Tschentscher, Horst. Die Entstehung der Hamburgischen Elbhohiet (1189-1482). In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 43, 1956, S. 1-48.

Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim. Die Sozial- und Wirtschaftsstruktur scleswig-holtsteinischer Landesstädte zwischen 1500 und 1550, Neumünster 1980 ( Quellen und Forschungen zur Geschichte Sckleswig-Holsteins 76), bes. S. 132.


Rezess des wendischen Städtetages zur Islandfahrt (1482)

2.1 Zusammenfassung der Quelle

In dem Rezess wird die unterschiedliche Stellung zwischen Lübeck und Hamburg in Bezug auf die Islandfahrten deutlich. Im Rahmen des wendischen Städtebundes, zu dem neben Hamburg und Lübeck auch Köln und Danzig gehören. Es ist zwischen Lübeck und Hamburg zu Spannungen gekommen, die im Zuge dieses Rezesses durch verbot der Fahrten nach Island deutlich wurden. Die stärkere Ausrichtung Hamburgs auf den Nordseehandel und den neuen Absatzmarkt Island, besonders für Getreide, ist dem Handelskontor Bergen, daß damals von Lübeck beherscht wurde, ein Dorn im Auge. So hieß es in dem Rezess in Punkt 39, dass ebenfalls ein Schreiben der Kaufleute zu Bergen zu Islandfahrten Hamburgs verlesen wurde. Der Punkt 40 des Rezesses unterstreicht dieses Anliegen, den Handel Hamburgs mit Island zu unterbinden, indem die Älterleute ( Olderlude) ebenfalls Kritik an den Fahrten zum Ausdruck gebracht haben. So heißt es "...über die isländische Reise, daß sie sehr merklich dem Kaufmann zum Schaden und Nachteil sei...".


2.2 Übersetzung der Quelle: Hanserecesse III 1 Nr.365

„Zu wissen sei, daß indem Jahre unseres Herrn 1482, am Sonntag Misericordia Domini ( Der zweite Sonntag nach Ostern, im Jahre 1482 der 21. April) abends in Lübeck einiger wichtiger Sachen wegen die nachstehend aufgeführten Ratssendeboten der sechs wendischen Städte erschienen, welche am Montag danach um acht Uhr auf dem Rathaus in Gegenwart des ehrsamen Rates dortselbst sich versammelten, erstens von Hamburg [es folgen die Namen eines Bürgermeisters und eines Ratmannes], von Rostock [die Namen eines Bürgermeisters und eines Ratmannes ], von Stralsund [ der Name eines Ratmannes], von Wismar [die Namen eines Bürgermeisters und eines Ratmannes ], von Lüneburg [die Namen eines Bürgermeisters und eines Ratmannes].

1. Zuerst wurde das Schreiben verlesen, um welcher Sache willen die Ratsendeboten der vorgegangenen Städte schriftlich eingeladen [worden] waren. [...]

32. Am Mittwochmorgen [am 24. April] versammelten sich auf dem Rathaus die vorgenannten Herren Ratssendeboten. [...]

37. Am Nachmittag um zwei Uhr erschienen abermals die vorgenannten Ratssendeboten auf dem Rathaus.

38. Zu der selben Zeit wurde zuerst ein deutsches Transsumpt [die vollständige Abschrift eines Schriftstückes, die in ein anderes Schriftstück eingefügt worden ist; hier: eine vollständige mittelniederdeutsche Übersetzung] eines lateinischen Briefes gelesen, [der ] von den Reichsräten in Norwegen ausgesandt [war], man sollte nach Island segeln; wenn dort aber danach jemand festgenommen oder beraubt werde, sollte er ohne Hoffnung sein, seine Güter wiederzubekommen usw.

39. Ebenso wurde auch ein Brief des Kaufmanns [ des Hansekontors] zu Bergen wegen der selben Sache verlesen.

40. Desgleichen klagten auch die Älterleute [„Olderlude“] des Kaufmanns zu Bergen in Norwegen, die mit vielen Kaufleuten vor den Sendboten erschienen, sehr schwer über die isländische Reise, dass sie sehr merklich dem Kaufmann zum Schaden und Nachteil sei usw.

41. Darauf wurden Sendboten von Hamburg hinausgewiesen, damit die anderen Städte sich deswegen besprächen.

42. Nach der Besprechung wurde den Hamburgern gesagt, daß es den Städten nicht nach [ihrem] Willen sei, und sie begehren auch, dass die isländische Reise von den Hamburgern eingestellt werden solle, [gestanden] jedoch [zu], daß die beladenen Schiffe gegenwärtig [noch] dahin segeln könnten; dass die von Hamburg dies vor dem Rat bringen solle; dies wurde den Älterleuten und dem Kaufmann so mitgeteilt, dass man den Kaufmann auch auf solche Art schriftlich einladen werde.“

Literatur

Baasch, Ernst. Die Islandfahrt der Deutschen, Hamburg 1889.