Quellenpaket 15

Bearbeitet von Lars Patzig


Verpfändung Harburgs an vier Hansestädte (1397)

Urkundenbuch der Stadt Lüneburg 3:

Urkundenbuch der Stadt Lüneburg 3, Nr. 1425.

Die Herzöge Bernhard und Heinrich von Braunschweig-Lüneburg schließen mit den Städten Lüneburg, Hamburg, Hannover und Lübeck 1397 einen Friedensvertrag ab. Zur Vertrauensstärkung zwischen den beiden Fürsten und den vier Städten übergeben/überweisen die Herzöge ihre Schlösser Harburg, Bleckede und Lüdershausen für 10 Jahre an die vier Städte. Nach zehn Jahren erhalten die Herzöge oder ihre Erben eine vertragliche Option zum Rückkauf der Schlösser.


Originaltextteil aus dem Urkundenbuch der Stadt Lüneburg 3, Nr. 1425

"We Bernd und Hinrie van godes gnaden hertoghen to Brunswig und to Luneborg bekennet openbare in dessem brave, dat we uns na rade unser prelaten und man und unses truwen rades uns ghensliken deger und altomale vor uns und unse erven nacomelinge vruntliken vordraghen und to ghrunde und to ende sonet hebbet mit unsen leven ghetruwen den borghermestern, radmannen und borgheren der stede Luneborg und Honovere und mit alle den, de des mit en hebbet, also dat alle krich unwille vordret und unlove, de twisschen uns to beydentsyden ghewesen sint und alle, dat dar van uppestan is, in welker wys edder stucken dat sy edder ghewesen hebbe bette an desse tyd, schullet vruntliken bylecht gherichtet und gesonet wesen to ewighen tyden [...] Und uppe dat we mit den vorsevenen unsen steden und eren vrunden guden gheloven maken und den sterken twisschen uns und en und ok in tokomenden tyden twedracht und unval mede vorwaren, so wise we muntliken und mit kraft desses breves unse slote Horborg, Luderdeshusen und Blekede mit allen eren tobehoringen an de stede Lubeke, Hamborg, Luneborg und Honover mit den jennen, de de slote inneholdet und mit erem ghelde, dat se darinne hebbet, also dat de vorscrevenen stede de vorbenomeden slote innehebben schullet to teyn jaren van ghift dessen breves und des mechtich wesen, dat se de sulven slote leddighen vor zodan gheld, alze dar nur inne vorbrevet is. Und de stede mochten vorbuwen in Horborg verhundert mark penninge, in Blekede twehundert mark penninge. Na den teyn jaren moghe we edder unse erven ofte nacomelinge de vorscrevenen slote leddighen vor zodan geld, dar se denne, alze vorscrevenen is, vore sint vorpflichtet. Und we schullet und willet den vorscrevenen steden de sulven slote mit allen oren tobehoringen und amptlude, de se dar uppe bynnen der sulven tyd hebbende werdet,truweliken vordeghedingen, wan se des van uns begheret, doch enschullet de vorbenomeden slote, den we den vorbenomeden steden to bewisinge gudes gheloven gheantwordet hebbet, densulven steden boven brukinge der slote und erer tobehoringe und boven gheld, alse vorscreven is, nenewys vorder vorpflichtet wesen van ieniger sake weghene ieghenwirdieh edder to komende to yenigher anderen behuff, men alze desse breff und ok de anderen breve, de we en uppe desulven slote vorseghelt hebben, inneholdet, darynne we en nu to tyden de slote vorpendet und to nenen andern stucken,de nicht uteducket en synt in dessen ieghenwardighen breve und ok in den andern unsen vorscrevenen breven. [...]"


Übersetzung des Originaltextteils

Aus: Quellen zur Geschichte Hamburgs, übers. Gerhard THEUERKAUF, in: Geschichte und Politik in der Schule 24, 2 (1988), 9, S. 31-33 [III].

Wir, die von Gottes Gnaden eingesetzten Herzöge Bernhard und Heinrich von Braunschweig und Lüneburg bekunden und offenbaren (1), "[...] dass wir uns nach Rat unser Prälaten und Mannen und unseres getreuen Rates gänzlich (2) für uns und unsere Erben und Nachfolger (3) freundlich vertragen und endgültig (4) verglichen haben mit unseren lieben Getreuen, den Bürgermeistern, Ratsmannen und Bürgern der Städte Lüneburg und Hannover und mit all denen, die das mit Ihnen halten (5), derart daß aller Streit (6), Unwillen, Verduß und Mißtrauen, die zwischen uns auf beiden Seiten gewesen sind, und alles, was daraus entstanden ist, welcher Art (7) das sei oder gewesen ist bis zur jetzigen Zeit, freundlich beigelegt, gerichtet und gesühnt sein sollen auf ewige Zeiten [...] Und damit wir mit den vorgeschriebenen unseren Städten und ihren Freunden guten Glauben begründen und den zwischen uns und ihnen stärken und auch in künftigen Zeiten Zwietracht und Unfall damit vermeiden, so überweisen wir mündlich und kraft dieser Urkunde (8) unsere Schlösser (9) Harburg, Lüdershausen (10) und Bleckede (11) mit all ihrem Zubehör an die Städte Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Hannover mit denjenigen, welche die Schlösser innehaben und mit ihrem Geld,das sie darin haben (12), derart, daß die vorgeschriebenen Städte die vorgenannten Schlösser auf zehn Jahre innehaben sollen von der Vergabe dieser Urkunde an und berechtigt sind, daß dieselben Schlösser zurückkaufen können für solches Geld, wie nun darin verbrieft ist (13). Und die Städte können in Harburg vierhundert Mark Pfennige verbauen, in Bleckede zweihundert Mark Pfennige und in Lüdershausen vierhundert Mark Pfennige. Nach den zehn Jahren können wir oder unsere Erben oder Nachfolger die vorgeschriebenen Schlösser zurückkaufen für solches Geld, für das sie dann, wie vorgeschrieben ist, verpfändet sind.Und wir sollen und wollen den vorgeschriebenen Städten dieselben Schlösser mit all ihrem Zubehör und [ihren] Amtleuten, die sie darauf innerhalb derselben Zeit haben werden, treu schützen, wenn sie das von uns begehren; doch sollten die vorgenannten Schlösser, die wir den vorgenannten Städten zum Beweis guten Glaubens überantwortet haben, denselben Städten über den Gebrauch der Schlösser und ihres Zubehörs und über das Geld (14) hinaus, wie vorgeschrieben ist, auf keine Weise weiter verpflichtet sein wegen irgendeiner gegenwärtigen oder künftigen Sache zu irgendeinem anderen Nutzen, als diese Urkunde und auch die anderen Urkunden, die wir ihnen über dieselben Schlösser versiegelt haben (15), enthalten , worin wir ihnen gegenwärtig die Schlösser verpfändet haben,und zu keinen anderen Zwecken, die nicht ausdrücklich genannt sind in dieser gegenwärtigen Urkunde und auch in den anderen unseren vorgeschriebenen Urkunden. [...]"


Anmerkungen

(1) "in dessem brave".

(2) "ghensliken deger und altomale".

(3) "nacomelinge".

(4) "to ghrunde und to ende".

(5) Bundesgenossen.

(6) "krich".

(7) "welker wys edder stucken".

(8) "dessen breves".

(9) Schloss = Burg.

(10) Lüdershausen: nördlich von Lüneburg (zwischen Brietlingen und Artlenburg), an der Neetze.

(11) Bleckede: links der Elbe oberhalb von Lauenburg und Boizenburg.

(12) Die Schlösser sind für Kredite, die den Landesherren gegeben worden sind, teilweise als Pfänder gesetzt.

(13) Die drei Schlösser wurden für 19200 Mark verpfändet; Urkundenbuch der Stadt Lüneburg 3, Nr 1425. - Regest: Dietrich Kausche, Regesten zur Geschichte des Harburger Raumes 1059-1527, Hamburg 1976 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg 12) Nr. 430.

(14) den Kaufpreis = Kredit.

(15) Vgl. Urkundenbuch der Stadt Lüneburg 3 - Regest: Dietrich Kausche, Regesten zur Geschichte des Harburger Raumes 1059-1527, Hamburg 1976 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg 12) Nr. 423-425, Nr. 426, Nr. 430, Nr.431-434, 436.


Fragen an die Quelle

1. Warum wurde Harburg verpfändet (Vorgeschichte/ Hintergründe)?

Ausgangspunkt für die Verpfändung Harburgs war die zunehmende Interessenverfolgung der Stadt Lüneburg in ihrem territorialen Umfeld. Lüneburg setzte Mitte des 14. Jahrhunderts in zunehmenden Maße Handelsprivilegien durch. Gleichsam legte die Stadt Lüneburg ein starkes Augenmerk auf die Stärkung des bürgerlichen Gemeinwesens als Ausgleich gegen die Willkür des Adels und der örtlichen Vögte. Die Lüneburger Interessen waren also mit den adligen Zielen nicht unbedingt gleichgerichtet. „Wie die Mehrzahl der Burgen pflegte auch Harburg um diese Zeit auf ein Jahr oder länger an adlige Dienstmannen verpfändet zu werden.“ Lüneburg hatte 1369 den ersten Versuch unternommen die Pfandherrschaft über Harburg zu erhalten. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Hansestädte danach trachteten, sich geeignete Plätze wie zum Beispiel die befestigte Harburg zu sichern um ihren Handel besser schützen zu können. Ferner brachen später „… Kämpfe um die Erbfolge im Land Lüneburg…“ aus, mithin kam es zu Konflikten und Kämpfen zwischen den von größeren Städten, wie beispielsweise Lübeck, unterstützenden Herzögen von Sachsen-Wittenberg und den Herzögen von Braunschweig. Die Harburg war den Anhängern der Herzöge von Braunschweig zugehörig. Da den Herzögen von Braunschweig die Lüneburger Bemühungen „ein Dorn im Auge war“, bereiteten sie einen Angriff auf Lüneburg vor. Aus Sorge um ihre Handelsverbindungen griffen die Städte Hannover, Hamburg und Lübeck an der Seite Lüneburgs in den Konflikt ein. Die Herzöge sahen bald ein, dass Ihnen der Sieg über Lüneburg nicht vergönnt war und schlossen 1396 mit Lüneburg, Hamburg, Hannover und Lübeck Frieden. Es ist anzunehmen, dass dies unter anderem auch vor einem finanziellen Hintergrund erfolgte. „Die gegenseitigen Beschwerden und Schadenersatzforderungen sollten vor einem Schiedsgericht verhandelt werden.“ Ein 1397 zustande gekommener Vergleich regelte die Verpfändung der Harburg an die vier verbündeten Städte, bis eine endgültige Regelung zur Begleichung von Schadenersatzforderungen gefunden werden konnte.


2. Welche Intentionen wurden mit der Urkunde verfolgt?

„Die Herzöge Bernd I. und Hinrich I. von Braunschweig schließen mit den Städten Lüneburg und Hannover und ihren Verbündeten einen Friedens- und Sühnevertrag …“ Gegenstand dieses Sühnevertrages war die Ausräumung von Feindseligkeiten und die Stärkung und Schaffung einer gegenseitigen Vertrauensbasis zwischen den Städten Lüneburg, Lübeck, Hamburg und Hannover auf der einen Seite und den Herzögen von Braunschweig auf der anderen Seite. Aus diesem Grund überwiesen die Herzöge von Braunschweig ihre Schlösser Harburg, Bleckede und Lüdershausen für zehn Jahre an die vier verbündeten Städte. Für den Fall dass es zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten Städten hinsichtlich der in der Urkunde festgelegten Nutzung der Schlösser kommen sollte, wurde als Schiedsrichter die Stadt Minden bestimmt.


3. Gibt es weitere nicht erwähnte Intentionen oder Vermutungen, die die Herzöge zu dieser Maßnahme veranlasst haben?

Es ist anzunehmen, dass die Urkunde vor einem finanziellen Hintergrund aufgesetzt wurde, da die Kämpfe mit den vier verbündeten Städten die Herzöge von Braunschweig finanziell stark belastet haben könnten. Gleichwohl waren die vier benannten Städte durch ihren Handel reich und einflussreich geworden, so dass die Herzöge möglichweise dem zunehmenden Einfluss der Städte Tribut zollen mussten; möglicherweise aber auch um ihre eigene Position nicht weiter zu untergraben.