Quellenpaket 21

Bearbeitet von Stephan Michaelsen

Stadtrecht (1497)

Quelle "Das Stadtrecht und seine Glossierung (1497/um 1506)" - Zusammenfassung

Zusammenfassung der Quelle:

Die uns vorliegende Quelle ist der erste Artikel des Stadtrechts von Hamburg, öffentlich gemacht im Jahre 1506. Dieser Artikel betrifft die Rechtschaffenheit einzelner Teilnehmer des Hamburger Stadtrats. Falls die Anklage der Geldschuld einen Mann des Stadtrats trifft, so obliegt es dem Bürgermeister, diese Anklage zu Wort zu bringen. Falls er dieses nicht tut, muss der Bürgermeister dem Kläger vier Schilling zahlen. Bringt er die Anklage an den Angeklagten vor, so muss sich der Angeklagte binnen einer Frist von maximal drei Aufrufen rechtfertigen. Bei keiner Rechtfertigung oder bei einer bestätigten Anklage, muss der Angeklagte eine gewisse Geldsumme entrichten.


Quelle im Originaltext

Vorbemerkung:

Das sogenannte Hamburger Stadtrecht von 1497, bekannt vor allem durch seine Bilderhandschrift, bietet eine um 1506 entstandene Überarbeitete Fassung des Stadtrechts von 1301. Auch der unten wiedergegebene Text aus dem "Stadtrecht von 1497" stammt überwiegend aus der Fassung von 1301. Neu ist die Überschrift des Buches A, die zum erstenmal den Ausdruck "höchste Obrigkeit" auf den Hamburger Stadtrat [1] bezieht, und die beigefügte Glosse, die Beziehungen zur Hamburger Rechtspraxis, zum Sachsenspiegel und zum gelehrten (römisch kanonischen) Recht herstellt. Die Redaktion des Stadtrechts und die Abfassung der Glosse sind überwigend von dem Hamburger Bürgermeister Dr. Hermann Langenbeck [2] vorgenomen worden.

a) Das Stadtrecht, Buch A, Artikel 1

"A) Von der Einsetzung der höchsten Obrigkeit der Stadt Hamburg [1]. In dem Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes tun der Rat und die Wittigsten [3] von Hamburg zu wissen all denjenigen, die jetzt hier sind und noch geboren werden: daß sie sich geeinigt haben und Recht gesetzt, wie hiernach geschrieben steht. [...] Und daß man in den Rat rechtschaffene Männer wählen soll, wie sie in dieser Stadt angesessen sind, die des Rates würdig sind. [...] Kommt aber irgendein Mann auf das [Rat]Haus, der einen Ratsmann anklagt, der in dem Jahr im Rat ist [4], wegen einer Geldschuld, dem Ratsmann soll der Bürgermeister gebieten, aufzustehen, und dem Manne Recht [5] zuteil werden lassen auf dem [Rat]Haus, und anderswo nirgends. Bekennt er ihm die Geld[schuld], so soll man über ihn richten, wie es recht ist; und bezahlt er binnen der Frist nicht, soll er doppelt bessern [6], das soll man ihm nicht erlassen. Wenn aber der Bürgermeister aus Freundschaft oder wegen der Verwandtschaft den Ratsmann schonen will und ihm nicht gebieten will, aufzustehen, so soll der Kläger den Bürgermeister bei seinem Eide bitten, daß er dem Ratsmann gebiete, aufzustehen und eine Antwort zu geben. Wenn der Bürgermeister das nicht tun will, das soll er dem Kläger mit vier Schillingen büßen; das Geld soll man für den Bau [7] des Stadt anlegen. Wenn aber der Ratsmann das Gebot des Bürgermeister verschmäht, wenn er ihm gebietet, aufzustehen, so soll er ihm dreimal gebieten, aufzustehen; wenn er das dritte Gebot versitzt, das soll er dem Bürgermeister mit acht Schillingen büßen, jedem Ratsmann mit vier Schillingen und dem Kläger mit vier Schillingen; das soll man ihm nicht erlassen; das Geld soll man zum Nutzen der Stadt anlegen."

b) Glosse zu Buch A, Artikel 1 des Stadtrechts:

"Nachdem nun der Fürst und der Herr des Landes, nach Ausweis des Privilegs, die Obrigkeit und Gerichtsgewalt in peinlichen und bürgerlichen Sachen dem Rat verliehen und bestätigt hat [8], weil denn alle Macht kommt und verliehen wird von Gott, [in dessen Namen] man schwört und verpflichtet ist, Recht zu tun, so ist es auch nötig, daß solche mit sorgsamer Klugheit wohl gebraucht werde. Weswegen der Rat von Hamburg mit Mitwissen der Wittigsten ihrer Bürger durch viele Streitsachen und Gebrechen bewogen [worden ist], am Vortrag [des Festes] Allerheiligen im Jahre 1497 [9] [...] dieses nachfolgend geschriebene Stadtrecht fleißig zu erläutern und das weiterhin nach Erfordernis und Nutzen zu refomieren und zu verbessern, was dann begonnen wurde am Vortrag St. Katahrine im Jahre 1497 [19].

Anmerkungen:

[1] Vgl. den römischen Begriff "summe imperium".

[2] Zu ihm vgl. oben Text Nr. 10.

[3] die "Weisesten" (lat. "sapientes"): eine die Bürgerschaft repräsentierende Gruppe, seit dem 15. Jahrhundert die Kirchgeschworenen (lat. "iurati").

[4] Der Rat bestand aus zwei Hälften, dem altern und dem neuen Rat, von denen eine, der neue Rat, für ein Jahr amtierte. An der Vorentscheidung, ob die jährliche Ratswahl stattfinden solle, waren der alte und der neue Rat beteiligt; Hamburger Stadt von 1497, A9.

[5] "recht" hat die Doppelbedeutung "Recht" und "Gericht".

[6] bessern = Buße zahlen.

[7] Baumaßnahmen der Stadt, zum Beispiel Reparatur der Stadtbefestigung oder anderer öffentlicher Bauten.

[8] Köreprivileg der Grafen von Holstein von 1292; siehe oben Abt. II, Text Nr. 9. [9] am 30. Oktober 1497.

[10] am 24. November 1497. Zur Entstehungszeit des sogenannten Stadtrechts von 1497 siehe oben Vorbemerkung.

Quelle übersetzt nach: Lappenberg (Hrsg., Die ältesten Stadt-, Schiff- und Landrechte Hamburgs (wie oben zu Text Nr. 2) S. 181 f.; auch in: Die Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, erläutert v. Heinrich Reincke, neu hrsg. v. Jürgen Bolland, Hamburg 1968, S. 41 f.

Quelle übertragen von: Stephan Michaelsen


Zeugnis des lübischen Rats über die Kompetenzen des Hamburger Rats (um 1340)

Quelle "Zeugnis der Ratmannen zu Lübeck über die Stadtverfassung, 1340 Sept. 1." - Zusammenfassung

Zusammenfassung der Quelle:

Die Absätze betreffen die Handlungsräume der Bürgermeister und erweitert die der Gemeinde und der Stadt Hamburg (später ebenso die Stadt Lübeck sowie benachbarte Städte). Die Bürgermeister der Stadt Hamburg dürfen z.b. keine "Geschäfte von einigem Gewicht" [siehe Absatz(3)] alleine beschließen, da diese sonst nicht rechtskräftig sind. Bei großen Geschäften müssen die Bürgermeister die Ratsmannen sowie den Rat der Handwerkskammer befragen und die Mehrheit der Stadt einholen [siehe Absatz (4) und (5)]. Die Bürgermeister dürfen nur Entscheidungenin einem Rahmen treffen, welcher zuvor von den Ratsmannen vorgegeben wurde. Andernfalls sind die Entscheidungen nichtig [siehe Absatz (6) und (7)].


Quelle im Originaltext

Alle, die diesen Brief einsehen werden, sollen wissen, daß wir, Ratsmannen der Stadtgemeinde zu Lübeck, hiermit folgendes öffentlich bezeugen:

(1) Seit 10, 20, 30, 40, 50 und 60 Jahren, es sei mehr oder weniger, und seit einer Zeit und in einem Zeitraum, an dessen Gegenteil oder Anfang sich kein Mensch mehr erinnert, sowie auch nach alter und bis jetzt friedlich beachteter Gewohnheit ist Folgendes bis jetzt in dieser Stadt zu Hamburg beachtet worden und wird beachtet:

(2) Wann und sooft es der genannten Stadt und Gemeinde zu Hamburg oblag, Geschäfte von einigem Gewicht zu erledigen, war und ist es unbedingt notwendig.

(3) daß die derzeitigen Bürgermeister der Stadt, wenn die Erledigung solcher Geschäfte wirksam werden und bleiben sollte, die anderen Ratmannen der genannten Stadt ausdrücklich hierzu hinzuziehen und die Geschäfte nach deren Beschluß und ausdrücklichem Befehl erledigen; andernfalls war und ist die Erledigung nichtig.

(4) Ferner: Sooft und wenn es der genannten Stadt und Gemeinde zu Hamburg oblag, etwelche beschwerliche und große Geschäfte zu erledigen, etwa solche über ein Recht dieser Stadt und Gemeinde, das ihr schädlich sein oder ihr Recht oder ihren Zustand auf irgendeine Weise berühren könnte, oder ähnliches, war und ist es unbedingt notwendig,

(5) daß die Bürgermeister und Ratmannen zu Hamburg, wenn die Erledigung derartiger Geschäfte Rechtskraft gewinnen sollte, hierzu ausdrücklich den Rat und die Zustimmung der Meister der Handwerksämter und der Meinheit der genannten Stadt erheischten und erhielten und mit deren Rat und Zustimmung dieser Geschäfte erledigen.

(6) Auch bestehen das Amt, die Prärogative und die Vollmacht der Bürgermeister von Hamburg ledigliche darin, dasjenige zu erledigen, was ihnen zum Nutzen der Stadt und ihres Rechtes zur Erledigung aufgetragen wird von den Ratmannen der genannten Stadt, gemäß Beschluß und Entscheidung dieser Ratmannen in Dingen, für die sie zuständig sind.

(7) Und wenn die jezeitigen Bürgermeister irgendetwas diesen Aufträgen zuwider veruschen würden, so erlangte und erlant das keinerlei Rechtskraft.

(8) Und so ist es gemeinlich sowohl in diesen unseren Zeiten als auch während der oben genannten Zeiten gehalten und bedacht worden und wird es gehalten und bedacht sowohl in der genannten Stadt als auch in unserer oben gedachten Städtegemeinde und in den ringsum benachbarten Stadtgemeinden und Städten.

(9) Zum Zeugnis dessen ist das Siegel unserer Stadtgemeinde an diesen Brief gehängt worden. Gegeben im Jahre des Herrn 1340, Am ersten Tage des Monats September.

Anmerkung:

Die Urkunde betrifft zunächst nur die Stadt Hamburg (Absatz 1), am Ende jedoch erstreckt die Urkunde ihr Zeugnis auch auf die Stadt Lübeck und die benachbarten Städte (Absatz 8). DIe Urkunde liegt uns ferner nur als Einzelschriftstück vor, so dass wir nichts darüber erfahren, warum und für wen die Ratmannen zu Lübeck sie ausgefertigt haben.

Quelle übertragen von: Stephan Michaelsen