PrUB, JS 421

© Jürgen Sarnowsky, Hamburg (1999-2009)


1454 Februar 4. Thorn.
{Regest}
Aufsage der Huldigung durch Ritterschaft und Städte der Preußischen Bundes an den Hochmeister Ludwig von Erlichhausen unter folgender Begründung:
1. Bruch des Huldigungsversprechens durch Versagen der Rechtsschutzes, insbesondere eines jährlichen "Richttages",
2. Verletzung der Herrschaftspflicht durch Verunglimpfungen seitens der Bevollmächtigten des Hochmeisters in dem Rechtsschutzes, insbesondere eines jährlichen "Richttages",
3. Gewaltsame Angriffe auf Leib und Leben der ständischen Untertanen, insbesondere durch den Überfall auf die Bundesgesandtschaft zum Kaiser und seinen Mordanschlag gegen Hans von Baisen,
4. Ablehnung des Schutzes bündischer Kaufleute im Ausland (gegen den König von Dänemark).

{Überlieferung}
OBA 12780, zwei Exemplare [B = olim LXXIXa 74; C = olim LXXXIX 175]; D = OF 17, fol. 319; E = OF 326, fol. 2v-3.
Deutsche Übersetzung: F = olim StA Königsberg, Mscr. A 58 Fol., fol. 64-65; G = inseriert in der Jüng. HM.Chron. cap. 455.

{Drucklegungen}
Aus B  und C (unter Heranziehung der älteren Drucke):  Erich Weise, Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, Bd. 2: 1438-1467, Marburg 1955, Nr. 288, S. 114-16.
Weitere Drucklegungen: Runau, Historia der 13jähr. Kriegs, S. 11-13 Lit. F 2; Schütz, Hist. rer. Pruss. (1592) Bl. 208´, (1599) Bl. 195, lat. (1769) S. 344 f. = Müller, Reichstagstheatrum unter Friedrich V. Tom. I 460 f. = Lünig, Spicilegium eccl. I 2 Cap. III 20 Nr. 37; Hennenberger, Landtafel S. 271; Dogiel, Cod. dipl. Poloniae IV 145. Nr. 106, "ex arch. Zaluski"; lat. v. Baczko, Gesch. Preußens, III 429, Beil. XXII, n. Runau; Malinowski, Dzieje Kor. Polskiej, ed. Wapowski III 203, pol. Übers.;  Cramer, Gesch. d. Lande Lauenburg und Bütow II 59 Nr. 54.

{Regesten}
JH I 12780; Danilowicz, Skarbiec II 197, Nr. 1914, Reg.; Scriptores rerum Prussicarum V 138, n. Jüng. HM.Chron., niederländisch; vgl. S. 37; Toeppen, Ständetage, IV 300, Nr. 172; Lewicki, Index, S. 334, Nr. 2887; Górski, Zwiazek Pruski S. 145 Nr. VI; poln. Übers. S.28 Nr. VI.

{Literatur}
Erklärung des Laurentius Blumenau von E. 1454-A.1455, OBA a. Fol.A Bl.89-92, zu (1458?), gedr. Toeppen, Ständetage IV 453, über die Unrechtmässigkeit der Aufsage. Amtliche Darstellung des Ordens im alten Fol. A = OF 17a Bl. 174, über Aushändigung der Aufsage und Anteil des Hans von Baisen, gedr. Scr. rer. Pruss III 662 Note 1. Laurentius Blumenau, Historia de Ordine, hrsg. Scr. rer. Pruss. IV 65 f., allgemeine Betrachtungen über den Abfall der Preußen. 1. Fort. Ält. HM.Chron., hrsg. Scr. rer. Pruss. III 661. Gesch. weg. eines Bundes cap. 26, hrsg. scr. rer. Pruss. V 138, mit falschem Dat. zu Feb. 13 und willkürlichen Abänderungen. Sigism. v. Rositz, Chron., hrsg. scr. rer. Pruss. III 431. Schütz, Hist. rer. Pruss. (1592) Bl. 209-209´, (1599) Bl. 195´;lat. (1769) S. 344 f., über die Zustellung am 6. feb. J.P.Titius, Oratio secularis, Prussia seculum, sublata Cruciferorum tyrannide, libertatis sub augustissimis Polonie regibus tertiumordiente (Danzig 1654), Ausz. in: Acta Borussica II (1731) 157-202, Neudruck 1754. (G. Lengnich) Abfall der Preußen von den Creutz-Herren, in:Poln.Bibiliothek II (1719) 239-316. J.A.Kries, Memorica secularis diei, quo ante hos 300 annos Prussia, excusso tyrannidis Cruciferorum jugo in liberatem sese vindicatum ivit (Thorn 1754). G.Wernsdorff, Jubelrede, welche zum Andenken des für nunmehro 300 Jahren erfolgten Abfalls der Provinz Preußen von dem Teutschen Orden (Danzig 1754); Neudruck, Posen 1872, S.24. v.V.(aczko), Über die eigentliche Ursache der preußischen Bundes, Abfalls und des dreizehnjährigen Krieges, in: Preuß. magazin II (1783) 158-165; Die geheimen Obern der preußischen Bundes, in: Annalen des Kgr. Preußen IV 88-92; Gesch. Preußens III 603, 430. v. Kotzebue, Preußens ält. Gesch. IV 146, 320. Voigt, Gesch.d. Eidechsen-Gesellschaft S.154; Gesch. Marienburgs S.402; Gesch. Preußens VIII 359 f.  J.E.Wernicke, Gesch.Thorns I (1842) 203.  Cramer, Gesch. der Lande Lauenburg und Bütow I 150.  v. Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen, in: Preuß.Jahrb. X (1862) 140. Wichert, Die politischen Stände Preußens,in: Altpr.Mschr. V (1868) 241.  G.Lohmeyer, Über den Abfall des preußischen Bundes vom Orden,in: Progr. d.d Realschule St.Johann (Danzig 1871) S.21  Perlbach in: Altpr. Mschr. X (1873) 566-578. v. Ranke, Zwölf Bücher preuß. Gesch. (1874 116. Toeppen, Ständetage IV 378. Caro, gesch. Polens V I S.22-28. Blumhoff, Beitr.z.Gesch.d.westpr. Stände,in Zeitschr. Westpr. Gesch. Ver. XXXIV (1894) 28.  Simson, gesch. der Stadt Danzig I 233.  Krollmann, Polit.Gesch.S. 145, über die Gründe S.159. Rudolf Grieser, Hans von Baysen, ein Staatsmann aus der Zeit des Niederganges der Ordensherrschaft in Preußen, in: Deutschland und der Osten IV (1936) 91 f.   Schumacher, gesch. Ost- und Westpr. S. 126.  Carstenn, Geschichte der Hansestadt Elbing S. 241, Inhaltsangabe.  Górski, Zwiazek Pruski i poddanie sie Prus Polsce (Poznan 1949) S. XLVII-LXX, tendenziös und fehlerhaft. A. Vetulani, Wladztwo Polski w Prusiech Zakonnych i Ksiazecych (1454-1657. Wybór zródel (Wróclaw 1953) S. XII-XVI (Opór stanów Pruskich przeciw Zakoniwi i poddanie sie Polsce), desgleichen.  E.Weise, die staatsrechtlichen Grundlagen des zweiten Thorner Friedens, in: Zeitschr. für Ostforschung III (1954) 10-14. M. Biskup, Do genezy inkorporacji Prus, in: Studja Pomorskie = Przeglad Zachodni X Nr. 7/8 (1954) S.293-306, für die Beurteilung der innerpolnischen Verhältnisse wertvoll.   W. Hejnosz, Prawnopanstwowy stosunek Prus do Korony w swietlie aktu inkorporacyjnego z r. 1454,ebda. S.307-330; versucht,überholte Irrtümer zu verteidigen ; vgl. die Besprechung von E. Weise in: Ztschr. f. Ostforschg. IV (1955) 294-298.  E. Weise, Das Widerstandsrecht im Ordenslande Preußen und das mittelalterliche Europa = Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung Heft 6 (1955) S. 190-225.

Aufsage und Kriegsbeginn waren schon 7 Monate früher, in der kritischen Zeit nach der Aufhebung der Bundesgesandtschaft in Mähren am 15. Juni 1453 auf der Tagfahrt zu Graudenz vom 27.-30. Juni erwogen worden, wie der Ktr. zu Schlochau am 9. Juli an den HM. berichtete, wobei er auf einen Plan der Bündner hinwies, Erzherzog Albrecht von Östereich, dem Bruder des Kaisers, das Land Preußen "einzugeben" (Ausf.OBA a. LXXVIIIa 127, mit Beförderungsvermerk: tag nach ane allis seumen, und dem Zusatz: wer unserm homeister liebe wil thun, der fördere disen briff, Reg. Toeppen, Ständetage III 682 Nr. 426, Joachim, Reg. zum OBA I 2 S. 792 Nr. 12 180).  Ungewarnt war der Orden nicht.  Auch die eingehende Begründung der Aufsage, offensichtlich zur Verbreitung bestimmt, ist schon vor dem 4. Feb. vorbereitet worden.; sie findet sich an 2 Stellen im OBA a. LXXXIIa 59, zu (1454 Jan.), inhaltlich dieselben Klagen aufzählend, textlich aber abweichen abgefaßt, mit Unterstreichungen und Randbemerkungen, und ebda. a. Var. 149, zu (1454), mit der Aufschr.: Copia der beclagunge der lande und stete obir den orden in vielen boßen sachen, gedr. Bonk, Urbk. zur Gesch. Allensteins I 109 Nr. 50, n.Var. 149, Joachim, Reg. zum OBA I 2 S.831 Nr. 12766 und S.872 Nr. 13376.

Inhaltliche Erläuterung
Rechtlich hat diese einseitige Willenserklärung eine Lösung des Untertanenverhältnisses zunächst nicht begründen können. Die notwendige entsprechende Entlassung durch den Orden erfolgte - gezwungenermaßen - erst 1466 im II. Thrner Frieden, Art.3(5), und auch nur für die Abgetrennten Gebiete. Daß die Entlassung nachträglich als notwendig erachtet und verlangt wurde, beweist deutlich die Schwäche der rechtlichen und moralischen Stellung des Bundes. Ohne die Entlassung fehlt aber auch jede Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit der Inkorporation Preußens durch den Kg. von polen.
Die Literaturangaben gelten allgemein für die Frage des Abfalls und werden bei den folgenden Urkunden z.T. nicht mehr mit aufgeführt.
Eine fast gleichlautende Aufsage erhielt der HM. am 21.Feb. von "Rittern und Knechten der Gebiete Balga, Brandenburg und Samland sowie des ganzen Hinterlandes" (asf. OBA a. LXXIXa 39, jedoch nur mit den Siegeln des Balgaer Landrichters Caspar Glabune und des Ritters Zacharias [Sparwin?], nach einem Rückvermerk auf dem Umschlag vermutlich durch Stibor v. Baisen mittels Drohungen erwirkt und nur durch einen privaten Boten dem Orden in die Hände gespielt. Gedr. Toeppen, Ständetage IV 345 Nr. 222, Joachim Reg. zum OBA I 2 S.836 Nr.12849; vgl. a.1. Forts. Ält. HM.Chron. in Scr.III 665 f.). Ebenfalls in großem zeitlichem Abstande von der ersten Aufsage, am 25. Feb., empfing auch Bisch. Franz von Ermland von Ritterschaft und Städten seines Bistums eine entsprechende Erklärung (gedr. Toeppen IV 354 Nr. 235).

{Diplomatische Erörterung des Stücks}
OBA a. LXXIXa 74 (B) und LXXXIX 175 (C) sind zwei gleichzeitige Abschriften; OF 17b Bl. 319 (D) ist eine Abschrift von 1573; OF 326 Bl. 2´-3 (E) ist eine Abschrift des 19. Jahrhunderts.



Dem erwirdigen herren, hern Ludwigen von Erlichshusen, homeister Deutsches ordens, mit aller ersamkeit unsere dinste, alse es itczunt gewant ist, [zuvor] a).

Erwirdiger here homeister!

1. Nach euwer erwelunge zcum homeister fordert ir holdunge von uns, do wir uns williglichen zcu goben, so ferre euwer erwirdikeit uns allen bei gleiche und rechte [wolte lassen] a) und uns jerlichen eine [gemeine] a) tagfart halden wordet, und do zcu richten gewlt und unrecht. Das wir, dieweile ir unser herre seith gewest, gefordert haben gar czu viel molden, es kunde uns nih gescheen, und habet uns des geschenen dinges nih wolt beistehen, [wiewohl wir] b) uff sulch zcusagen sein euwer manne wurden und haben doruf euwer wirdigkeit geholdiget.

2. Ouch so hat uns euwer wirdigkeit gelobet zcu halden vor euwer lieben getruwen, so hat uns euwer wirdikeit lassen schenden, lestern, uneren, meineide und vorretnisse c) zcugelegt und geczogen, uns vor eigen gesprochen, unsere d) veter und vorfaren getruwe dinste, dem orden gethan, nicht habet wolt zcustehen, und d) lesterliche schriffte von uns [keysern]e), konigen, fursten, herren, gemeinheiten [und] e) steten obergeben habt und hulffe, radt und beistanndt an fursten und hern widder uns suchet und gesucht habet. Und das ist geschehendurch euwere gebittiger und euwere sendeboten, die das durch euwere credencien und machtbrieffe getan habenf).

3. Ouch ir uns geleidigt habt an unsern gerichteng), leben, eren, guttern, wirdikeiten wider euweres ordens zcu Preußenh) brieffe und segele aller gebittiger und amptleute, und ouch euwere getruwen manne, alse hern Hans und Gabrielen von Baysen i), fremden leuten dirloubet mit euweren gebiettigern und amptleuten zcu fahen, stocken, schatczen, berouben und am leben unsicherheit k).

4. Ouch so haben wir von euwer wirdikeit, [für]nemliche), der kouffman, keine beschirmunge, hulffe noch rath mocht haben, beide zcu lande und zcu wasser.

Umbe viele gewalt und unrecht, uns von euch und euwerm [orden]e) gescheen, sagen wir.. ritterschaft und .. stete des bundes in Preußen euwer wirdikeit holdigunge uff und alle pflicht von der holdunge wegen und wellen durch dese unsere uffsagunge deses brieffes uns und alle pflicht von beistendig sein, an unsern eren ken euwer wirdikeit und euwern orden vorwardet sein und wellen uns gewalts, unrechts und eigenthums irweren mit der hulffe Gotis.

Geben zcu Thorun, under des edlen und strengen hern Hans von Baisen, ritters, ingesigel und der stadt Thorun secret, der wir alle hirczu gebruchen, am montage nach Purificacionis Marie, im etc. [14]54 jare.

Lannd und stete volmechtige retel) des bundes in Preußen und irem) beileger, uff dese czeit zcu Torun versamelt.



Textkritische Anmerkungen

a) ergänzt von den Drucken bei Runau Schütz und v. Baczko, die wohl auf die Ausfertigung zurückgehen.

b) nach den Drucken statt und Bund C.

c) vorreetnisse B vorrethniße C.

d) statt unsere veter - und haben die Drucke: so doch unsere väter und vorfahren dem orden je und allewege getreue dienste gethan haben. Diß aber alles nicht angesehen, habet ihr.

e) ergänzt nach den Drucken bei Runau, Schütz und v. Baczko, die wohl auf die Ausfertigung zurückgehen.

f) habt B , C.

g) geruchten B, gerochten C.

h) Preussen B

i) Bayßen C.

k) an leibes und gutes sicherheit Drucke.

l) über der Zeile von gl. Hd. B.

m) irer B, C.


Zitieren dieser Edition: (1) virtuell: URL (http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/Urkundenbuch/pub/js/js421.htm) und Datum der Einsichtnahme; (2) im Druck: PrUB, JS 421 (1454 Februar 4. Thorn.)
Bearbeitungsstand: Text eingegeben (Gordon Schwedt, 30.1.2002) – Datum überprüft () – Text mit PrUB oder sonst Druck kollationiert (Gordon Schwedt, 30.1.2002) – Text mit Or. kollationiert () – äußere Merkmale beschrieben ()
 
 
Datum der Erstanlage: Mittwoch, 30. Januar 2002 – Letzte Änderung: 8. Februar 2002 von Jürgen Sarnowsky

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