PrUB, DH 162
© Dieter Heckmann, Werder / Berlin (2003)
[Antwort des Hochmeisters auf die von Ludwig Grassow, dem Sekretär des livländischen Meisters, vorgetragene Botschaft] und Anschuldigungen Herman Soyes durch den Meister: Abschlagung der Bitte, den Öseler Dekan Johann Wetberg dem Erzbischof von Riga zu überstellen wegen Wetbergs Festnahme auf dem Gebiet des Bischofs von [Pomesanien]; aufgrund der beabsichtigten Vermittlung im Streit zwischen dem livländischen Meister und Hermann Soye durch den Hochmeister Weigerung des Hochmeisters, Soye an den Meister auszuliefern; Anrufung des dänischen Königs durch Soye, um sein Recht durchzusetzen; Absicht Soyes, Hans von Rosen zu entführen und heimlich außer Landes zu schaffen; unerlaubtes Verlassen des Landes.
{Überlieferung}
C = Geheimes Staatsarchiv PK, XX. HA Hist. StA Königsberg, OF 36, S. 252-259.
{Drucklegungen}
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{Diplomatische Erörterung des Stücks}
Kopialbucheintrag.
Der hochwirdigst, hochgebornn furst, mein gnedigster herr(a) hie entgegn hatt sich mitsambt seiner genaden gebiettigern und andern seiner furstlichen genaden rethen uff ewr anbrengen bedacht. Und befind mein gnedigster herr anfengklich, das meinem gnedigen herren, dem meister, auch euch, gantz unvorborgen ist, wie herr Johan Widbrecht (1), dechait zu Osel(2) , desgleichen der rietter Herman Soye(3), in meins g[nedig]st(en) hern handt komen, auch wie sie entwichen und wider erobert sindt. Nu will meinem g[nedig]st(en) hern inn kainem wegk zunlich sein, den dechait, wie ir gebetten, seinem obersten richter als dem ertzbischoff von Riga(4) zu uberanthworten, dieweil derselbig dechait itzund in ainem anderm bisthumb verhafft. Welche obrigkeit daruff der dechait nydergeworffen meinem gnedigen hern, dem bischoff von Riessenberg(5), [S. 253] zugehorig, der dan solchen dechait auff bethe meinem gnedigen herren inn verwarung zu haben zugelassen. Des sich auch mein gnediger herr vor ainem notarien bewilligt haben, ine [!] denn dechait, so ymants zu ime zu sprechen hab, meinem gnedigen hern, dem bischoff zu Riessenberg, widerumb zu ubersenden. Zum andern, Herman Soie, rietter, belangent, uber welchen ir ann statt und von wegen meins g(nedigen) hern, des meisters, rechtens beget, will meinem gnedigen hernn solchs zu diessem mall auch nicht getzimen noch geburen. Dieweil mein gnedigster herr, ain oberster regierender furst diess loblichen ordenns, und herr Herman Soye meinem gnedigst(en) herrn zuvorderst alss woll alss meinem gnedigen herrn, dem meister, verwandt und underthenig, ist mein gnedigster herr hier(i)nn beedechtlich, die sache und verhandlung den rietter betreffent mitsambt ewrnn rats wissen und willen anstatt meins gnedigen herrn, des meisters, in der gut furzunem(m)en, mittel und weg sich zu befleissigenn, damit diesse zwitracht und widerwill zwischen meinem gnedigen herren, dem meister, den landen Leifflandt(6) auffgehebt, alzo das hinfur dieser und anderer sachen halben, so sich hirauss erfolgen mocht, gentzlich abgeschnitten und hinfur nicht mer eraugen dorfftenn.
[S. 254] Zum drietten der brieff halben, so sie bey ine gehabt. Derselbigen hatt mein gnedigster herr ains tayls, wo ir nu genaigt, die sachen gutlich beyzulegen, will sich mein gnediger herr darinn unvorweisslich halten. Wo aber nit, sonder uf (b) ewr verharrenn kan mein gnedigster herr euch die zu diessem mall zu besichtigen nicht folgen lassen. Diess megt ir alzo im besten meinem gnedigen hern, dem meister, und den landen Leifflandt zu guth gescheen vermerken, dan wo es mein gnedigster herr zu diesser zeit mitsambt seiner furstlichen gnaden gebiettiger und rethen besser west, wer mein gnedigster herr gantz und gar urbuttig, dasjhenig zu thonn und furzunemen, so meinem gnedigen hern, dem meister, und den landen Leifflandt zu guttem raichen mocht (etc.).
Diesse nachfolgende artickell beschuldigt der hochwir(dige) herr meyster zw Leyfflandt, Tewtzschs ordens, Hermen Soye, rietter:
Ins erst beclagt sich sein hochwirdigkeit der verschreybung, die Hermen Soie seiner hochwir[digkei]t und nicht auss redlicher ursach an den hochwirdigsten etc. hern meister sellige loblicher gedechtnis geticht und gethann hatt.
[S. 255] Zum andern zweier brive, einer von koniglicher wirde zu Dennemarckten(7) ausgegangen, der ander von den hewptlewten zur sehewart an Hermen Soye geschrieben. Darinn seine hochw[irdig]e g[nade] vermerckt der schrefftlichen beclagung zcu keinem recht komen kondt und das im land und lewt genomen uber das, gleit und enthalt in ko[nigliche]r wirde landen zu haben begeren gewessen ist, ein sulchs alles auss bassem furnemen - wie zu bedencken - gescheen.
Zum drietten in gegenwerttigkeit des chompturs zu Reuel(8), Teutzsch ordens, vornemen lassen hern Hanss von Rossen (9), rietter, auss unserm rechten und ordens herlickeiten veintlichen entfuren und in fremde herschafft brengen wolde.
Zum vierden mall beclagt sich seine hochw[irdig]e g[nade], wie sein g[nade] muntlich und schrifftlich bericht worden ist, Hermen Soye, ritter, im willen zu sein, sich mith 8 ader 10 pferden uffzurusten, mit frevell auss Leiffland zu ziehn, seiner hochw[irdigkeit] und dem orden zu nachteil, bey vorgemelter ko[niglicher] wirde etc. sambt andern hern und fursten, zu keinem recht komen kundt, beclagt, leib und guth, was im gescheen were daran setzen und ziehn wolde.
Uff funffte, als Hermen Soye in burger handt genomen wart, alzo bescheidlich, das die burger, wan er geeyschet wurde einstellen solten und seine sone nirgent zu vorschicken zur zeit er sich diesser [S. 256] auspruche entledigt. Uber das sein etzlich seine sones und seiner haussfrawen vrundere an ko[nigliche] w[irde] zu Dennemarckten gezogen, aldar den hochw[irdige]n herrn meister zu Leiffland uber die wilkhure gantz beschwerlich verfolgt und beclagt.
Uber das ist Hermen Soye nach Derpte(10) gezogen, von dem erwirdigen bischof gleit begertt. Uff das kan der hochw[irdigs]t[e] herr meister mithsambt seinen herrn und rethen nicht anders dan - wye berurt - irkennen, so sich Hermen Soye vormeint, aller auspruch unschuldig zu sein, was im gleyt zu begeren vonnoten gewest were.
Och hatt er gesprochen, er achte ader fragte uff ewr hochwirdigste f[urstliche] g[nade] und den hern meister zu Leiffland nichts, und zu etzlichen gesprochen, wolten sie im trewe sein und heleffen einer dem andern ane zweyfell, so zu verschaffen, wir hern der lande wurden.
Furder vergangen jar hatt Hermen Soye vor vier gebiettigern uffenbar gesprochen, er her Hanss von Rossen gernne in seinen eigen rath hett. Wolte der hochw[irdigs]t[e] herr meister gernne bericht sein, wie er das uffnemen und versteen mecht.
Uff angegebene beschuldigung der brive und beclagung Hermen Soye uber den herrn meister zu Leiffland ist zu genner zeit Hermen Soye anthworth gewesen, im were van den briven nichts bewust, besunder es Peter Bucks(11) geticht und handlung, welchs anders ist nach zubringen durch zwen brive von ko[niglicher] wirde zu Dennemarckten abgefertiget.
[S. 257] Item uff den artickell, sich anders rechtens zu gebrauchn, haben die wirdigen und achtbarn hern mitsambt 12 gutten mannes, ein abspruch wie volgent gethan: Nach dem Hermen Soye das gewonlich und befestigt recht wacht hette und sunder noth willen wissen des meisters zu Leiffland gemeiner ritterschafft und gantzen lande zu gebrauchen abgeschlagen, erkentten, das Hermen Soie das hogste vorbort hette etc.
Item in dießem abspruche sey ein yder gewarnth, er sey edell ader unedell, arm(m) ader reich, aussn auch ynnen radts, wur ainer alzo gefunden, wurde der unser recht entfromden wolte offen voramdern, dergleichen der unserm hoichwirdigen g[nedigen] h[errn] meister unzimlich vorholde(c), den sall manrichten an das hogste.
Vonn wegen des hoichwirdigen, unsers gnedigen herrn meisters wollen wir auff gnedigliche zulossunghe e[uerer] f[urstlichen] g[nade] hern Hermen Soye ausprechn [!] und alß fulmechtigen uns beclagen.
Zum irstenn: dieweil sich Herr Hermen umb diessen vorigen articken(n) und puncten mith freyen willen und wol bedachten muthe, bey leib und guth diesser handlunghe nicht offnen, zu repetirennd vorschriben und versigelth hath. Derhalben wir herrn Hermen ansprechen und uns alss fulmechtigen von wegen unß(er)s g[nedigen] h[errn] beclagen [S. 258] herr Hermen diesse verschreibunghe gebrochen unnd auch nicht gehalten hatt, inndem er anzeigt inn seinen schrifften, ime honne und gewalt gescheen sey. Dorumb wir verhoffen, herr Hermen in dievorigen pene nach seinem aigen wilkuer, dar kayn recht entkegen gefallen sey.
Zum andern hot herr Hermen seinen knecht an denn burgermeister zu Lemßell(12) geschickt und nach laut diesser zeugniße werben loßen. Was hirauß hett mugen entsteen, szo es gott nicht veranderth hett(d), zu bedencken, worauff herauß geczogen ist.
Zum drietten beklagen uns etc., wie der techait vonn Osell, herr Johann Widbrecht, und herr Hermen Soye mith iren knechten sich durch unwontliche wegen heimlich auss dem lande begeben und nach den haben Soneburg, Osell(13), und Kaurlandt(14) ernstlich und fleissigk gefragt. Der man, der sie hoth sollen furn, dieweil sie alzo weithlofflich gefragt, hoth hen diess sich zu understende gewegerth. Dor neher herr Hermen ine geschlagen und derhalben der man entwichen. Hirnach haben sie ainen andern geheurth, der fir alzo sie auff dem schieffe und wasser warenn, ann ko[nigliche] w[irden] zu Dennemarckten bringen solte. Und als sich der schipffer in der offen sehe nicht verwest, auch nicht dorzu geschickt geweßen seyn sie alzo senfflich mith den knechtn langs Caurlandt gesiegelt, dorffer und krug [S. 259], weme sie zugehorenn und wie sie genompth waren, klerlich angetzeichent. Hiruß unser g[nediger] h[err] meister mit seinenn gebiettigern sampt rethen und rietterschafft nicht haben khunnen irmessen, seiner g[naden], dem orden ader lande zu Leifflannde etzwes guds zugemeßen ist geweßen, alß wir dießen vorigen artickell ainem ydernn recht furstendig(en) grundlich zu bedencken und(e) zurkennen geben.
Sie haben sich inn Kaurlandt loßenn vernehmen und sunderlich dieße wort gesprochen: "Ir wolt unns itz kheynn bier verkauffen. Szo wir wider khommen soll, das hauß im feuer steenn".
Es hatt auch herr Hermen vor etzlicher zeidt an den erw[irdige]n in got vater herr Johann der kirchenn zu Osell(15) bischoff gefunnen, ine in Dennemarckten zu khomen verhelffen und gleiten wolt. Was Herr Hermen hirzu vor ursach heth, ist woll abzunehmen, dieweil keynem eynwoner der recht handlen will, dieß lande geschloßen sein.
Was auß dießenn allen und itzlichen den armen landen zu Leifflande hett mugen entsteen, geben wir zu bedencken.
Textkritische Anmerkungen
(a) Es folgt gestr. herr.
(b) Über der Zeile.
(c) Aus vorholge korr.
(d) Aus stett korr.
(e) Gestr. z davor.
Inhaltliche Anmerkungen
(1) Johann Wetberg, Dekan von Ösel (1506-1516,+um 1532).
(2) Ösel, estländische Insel.
(3) Hermann Soye, estländischer Vasall (*vor 1467-+1516).
(4) Riga.
(5) Riesenburg, ö Marienwerder.
(6) Livland.
(7) Dänemark.
(8) Reval.
(9) Hans von Rosen, erzstiftischer und estländischer Vasall.
(10) Dorpat.
(11) Peter Buck.
(12) Lemsal, nö Riga.
(13) Sonneburg auf Ösel.
(14) Kurland.
(15) Johannes Orges, Bischof von Ösel (1491-+1515).
Zitieren dieser Edition: (1) virtuell: URL (http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/Urkundenbuch/pub/dh/dh162.htm) und Datum der Einsichtnahme; (2) im Druck: PrUB, DH 162 ([1514 Juli. Königsberg])
Bearbeitungsstand: Text eingegeben (D. Heckmann, 15.-16.9.2003) – Datum überprüft () – Text mit PrUB oder sonst Druck kollationiert () – Text mit Or. kollationiert () – äußere Merkmale beschrieben ()
Datum der Erstanlage: Dienstag, 16. September 2003 — Letzte Änderung: 16. September 2003 von Dieter Heckmann
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