Beschreibung des Projekts

In den Archiven mit Beständen zur mittelalterlichen Geschichte des Deutschen Ordens, so insbesondere in der XX. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (dem historischen Staatsarchiv Königsberg) in Berlin, findet sich reiches Material. Etliche Stücke sind bereits in Aufsätzen gedruckt, die in Zeitschriften oder in Sammelbänden erschienen sind, ohne dass sich dies immer leicht mit herkömmlichen Mitteln erschließen ließe; und Vieles ist bisher überhaupt noch nicht erschlossen, ohne dass eine Edition absehbar ist. Das seit 1882 erscheinende gedruckte Preußische Urkundenbuch, dessen letzter Teilband des 6. Bandes inzwischen erschienen ist, deckt bisher nur die Zeit bis 1372 ab, vielfach nur in der Form des „Vollregests“. Die Fortsetzung bis 1382 wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen. In Hamburg wird deshalb seit 1999 eine auf Veröffentlichungen und ungedruckten Stücken aufbauende Sammlung von Regesten und Volltexten angelegt, die eine virtuellen Fortsetzung des Preußischen Urkundenbuchs darstellt.

Das virtuelle Preußische Urkundenbuch ist ein Projekt, das - anders als gedruckte bzw. von ihnen abgeleitete online-Editionen mittelalterlicher Quellen - (vorerst) keinen endgültigen Stand bietet, sondern schon die ersten Ergebnisse der Quellenarbeit den Interessierten zur Verfügung stellt. Dies hat zwar den Nachteil, dass sich die Textgrundlagen noch ändern können, doch stehen die erarbeiteten Informationen schon unmittelbar für die Nutzer bereit. Das virtuelle Preußische Urkundenbuch enthält deshalb Stücke in sehr unterschiedlichem (und jeweils gekennzeichneten) Bearbeitungsstand: nur mit einem Regest, mit kurzen Textauszügen, mit Abschriften aus Drucken oder von älteren Vorlagen ohne Kollationierung mit dem Original, mit ersten Transkriptionen sowie mit weitgehend abgeschlossenen Editionen.

Das virtuelle Preußische Urkundenbuch präsentiert die bearbeiteten Texte auf drei Ebenen:
– die Einstiegsseite bietet eine Übersicht über die Jahre, zu denen bereits Quellen vorliegen, sowie erläuterndes Zusatzmaterial;
– die Jahres-Regestenlisten führen die chronologisch geordneten Regesten der zu den einzelnen Jahren bearbeiteten Texte zusammen;
– die Datei zur Einzelquelle bietet Angaben zum Inhalt, zur Überlieferung, zu Drucken und zum Bearbeitungsstand, dazu, sofern schon erarbeitet, die Texte und einen kritischer Apparat.

Stand

Das Ziel ist eine möglichst breite Erfassung der gedruckten und ungedruckten Quellen zur Geschichte Preußens und des Deutschen Ordens, auch unter Aufnahme von Rechnungsbüchern, Briefen und weiterem Material. Eine intensive Zusammenarbeit erfolgt mit Prof. Dr. Stuart Jenks, Universität Erlangen, sowie mit Dr. Dieter Heckmann, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin / Werder. Ersterer hat – einen erheblichen Anteil des gedruckten Preußischen Urkundenbuchs und der Regesten des Joachim-Hubatsch digitalisieren können, letzterer stellt in wachsendem Umfang Editionen bisher ungedruckter Stücke zur Geschichte des 16. Jahrhunderts (insbesondere aus den Ordensfolianten) zur Verfügung. Weitere Texte wurden mit Hilfe studentischer Arbeitsgruppen aufgenommen. Das Projekt wurde zeitweilig unterstüzt durch Mittel
– der/des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien,
– der Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung sowie
– der Universität Erlangen,
die für die Bezahlung von Hilfskraftstunden zur Aufnahme und Bearbeitung weiterer Quellen sowie für die Kosten von Mikrofilmen eingesetzt wurden. So konnten so inzwischen über 6000 Nummern an Einzelstücken und Hunderte weiterer Regesten und Texte in digitaler Form zugänglich gemacht werden.

Die Grundlage des virtuellen Urkundenbuchs (ab 1382) bilden bisher im Wesentlichen
– Auszüge aus älteren Editionen (Johannes Voigts Codex diplomaticus Prussicus; Reichstagsakten, Ältere Reihe; Hansisches Urkundenbuch, Bd. 4; usw.),
– die Aufnahme von Editionen in Anhängen von Aufsätzen,
– die Aufnahme gedruckter Regesten ungedruckter Stücke aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, XX. Hauptabteilung (zum Ordensbriefarchiv, nach den Regesta von Erich Joachim und Walther Hubatsch),
– Regesten und Transkriptionen bisher ungedruckter Quellen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, XX. Hauptabteilung (Ordensbriefarchiv, Ordensfolianten, Pergament-Urkunden),
– weitere gedruckte und ungedruckte Stücke aus anderen Archiven.

Das Projekt ist langfristig angelegt. So ist nach und nach die Aufnahme einzelner Fonds, z.B. der frühen Ordensfolianten und der Regesten zum Ordensbriefarchiv, angestrebt. Die DFG hat Ende 2007 Sachmittel für die Bearbeitung der ältesten Hochmeisterregistranten bewilligt, für die zunächst bis Anfang 2010 gedruckte Regesten erstellt werden sollen.

Lit. (alter Stand): Jürgen Sarnowsky, Das virtuelle Preußische Urkundenbuch – neue Wege der Kooperation für Internet-Editionen, Mediaevistik und Neue Medien, hrsg. K. van Eickels, R. Weichselbäumer, I. Bennewitz, Ostfildern 2004, S. 169-76, revidierte Fassung in: Beiträge zur Geschichte Westpreußens 19 (2004, ersch. 2005), S. 257-66.